Blog #2
Woche 1 des Abenteuers: Gastfreundschaft und Herzlichkeit

Die erste turbulente, nervenaufreibende, herausfordernde, aufregende und herzliche Woche meines Abenteuers ist um.

Ich hätte mir diese erste Woche niemals so anstrengend vorgestellt. So viele neue Eindrücke, neue Leute, neue Orte und vor allem eine ganz neue Sprache. Letzteres war in den ersten Tagen das schwerste. Ich habe auf sehr eindrückliche Weise erfahren, wie wichtig Sprache ist und wie ausgeschlossen man sich fühlt, wenn man sie nicht beherrscht und nicht an Unterhaltungen teilnehmen kann. Mein Kopf fühlte sich die ersten drei Tage an, als würde er platzen. In der Schule bemühte ich mich den armenischen Unterhaltungen irgendeinen Sinn zu entnehmen und musste mich zudem an den etwas anderen Ablauf gewöhnen. Zu Hause bei meiner Gastfamilie ging der Versuch weiter, auf einer fremden Sprache zu kommunizieren.

Ich wohne für die Dauer meines Aufenthaltes bei zwei armenischen Frauen. Eine der beiden spricht außer Armenisch noch etwas Französisch, während die andere neben Armenisch nur Russisch spricht. Ich hatte in der Schule einige Jahre Französischunterricht, jedoch liegt dieser beinahe zehn Jahre zurück. Eine Unterhaltung gestaltete sich daher in den ersten Tagen beinahe unmöglich. Mein Kopf lief daher also den ganzen Tag auf Hochtouren, bemüht aus den Unterhaltungen um mich herum ein bekanntes Wort aufzuschnappen oder wenigstens die Stimmung des Gesprächs durch das Lesen der Köpersprache zu erahnen.

Dank der unglaublichen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft meiner Gastmütter, meiner betreuenden Lehrerin und auch der übrigen Lehrkräfte (die größtenteils ebenfalls Armenisch und Russisch sprechen) bin ich jedoch auf einem guten Weg dieses Problem zu lösen. Meine Gastmütter bringen mir jeden Tag einige neue Worte auf Armenisch bei und erfragen umgekehrt das deutsche Wort und in der Schule bemühen sich alle mich so gut es geht einzubeziehen, indem sie sich mit Gesten und bruchstückhaftem Englisch mit mir unterhalten.

Doch da hört die Hilfsbereitschaft noch nicht auf. Meine Gastmütter sind schrecklich besorgt darum, dass ich Hunger haben könnten und bereiten mir immer etwas zu Essen zu, sobald ich die Küche betrete. Auch meine betreuende Lehrerin hat Sorge, dass ich während der Schulzeit hungrig sein könnte und hat veranlasst, dass ich in der Schule mit den Kindern essen darf. So bekomme ich also jeden Morgen ein sehr üppiges Frühstück (Foto Frühstück), mittags einen großen Teller Suppe, sobald ich gegen vier oder fünf nach Hause komme einen Tee mit Gebäck und Obst (Foto Tee) und abends ein großes Abendessen (Foto Abendessen). Und jedes Mal, wenn ich meinen Teller leer gegessen habe und das Besteck weglege, erfolgt die Aufforderung meiner Gastmutter „Iss!“ oder mir wird noch mal ein ordentlicher Nachschlag gegeben.

  • Frühstück © Ann-Kristin von Hoffmann

    Frühstück

  • Nachmittagstee © Ann-Kristin von Hoffmann

    Nachmittagstee

  • Abendessen © Ann-Kristin von Hoffmann

    Abendessen

Bei meinem Treffen mit meiner Ansprechpartnerin vom Goethe-Institut hier in Yerewan, habe ich das Thema zur Sprache gebracht und ein kleines Lachen geerntet. Denn scheinbar ist das Leeressen des Tellers hier ein Hinweis darauf, dass man noch hungrig ist! Diese kleine Information hat mich in den darauffolgenden Tagen gerettet. Ich lasse nun ein kleines bisschen Essen übrig und bekomme daraufhin nur noch zwei oder dreimal die Ermunterung mehr zu essen. Mittlerweile funktioniert die Kommunikation mit meinen Gastmüttern auch so gut, dass ich ihnen mit einem Lachen mitteilen kann, dass ich wirklich satt bin und sie es dann darauf beruhen lassen. Dennoch steht immer etwas zu Essen auf dem Tisch, solange jemand daran sitzt.

Der Schulalltag an der Schule „Kleiner Prinz“ unterscheidet sich vor allem in seinem Ablauf von Deutschland. Die Schule beginnt um 9 Uhr morgens und endet gegen 16 Uhr am Nachmittag. Genau wie in Deutschland ist jede Schulstunde 45 Minuten lang, jedoch gibt es zwischen den Stunden meistens eine fünf Minuten Pause und zweimal am Tag eine zehn Minuten Pause. Die Klassen fünf bis 12 haben durchgängigen Unterricht und können sich in den Pausen schnell eine Kleinigkeit in der Cafeteria kaufen. Die Klassen eins bis vier haben eine Freistunde am Morgen, um zu frühstücken und eine Freistunde in der Mittagszeit, um in der Cafeteria Mittag zu essen und ein wenig draußen zu spielen. Für die Lehrkräfte bedeutet dieser Ablauf, dass sie keine Mittagspause oder eine längere Erholungszeit haben. Gelegentlich haben sie eine Freistunde, doch diese sind rar gesät während der Woche. Ich darf glücklicherweise etwas später anfangen und bleibe dann bis Schulschluss in der Schule, doch auch so hat dieser zeitliche Ablauf in der ersten Woche an meinen Kräften gezehrt.

Die Kinder an der Kleiner Prinz Schule waren (und sind es teilweise immer noch) ziemlich eingeschüchtert von mir. Sie sind jedes Mal aufgeregt, wenn sie mich auf dem Flur entdecken und überlegen blitzschnell was sie jetzt zu mir sagen könnten. Meist resultiert das in einem lauten „Guten Morgen!“ im Vorbeilaufen oder einem „Wie geht´s?“. Leichte Panik breitet sich dann auf den Gesichtern aus, wenn ich antworte „Gut. Und dir?“. Die größte Aufregung entsteht jedoch, wenn ich den Raum allein betrete ohne meine betreuende Lehrkraft. Dann steigt die Anspannung, weil allen plötzlich bewusst wird, dass sie nur auf Deutsch oder Englisch mit mir kommunizieren können. Auch für mich ist diese Situation herausfordernd, da ich noch nicht einschätzen kann was die Schüler*innen bereits verstehen. Bisher ergaben sich diese Situationen immer nur für einige Minuten, da die Lehrkraft dann ebenfalls den Raum betrat. Ich bin aber jetzt schon gespannt, wie es wird, wenn ich unterrichte. Ich bin mir sicher, dass sowohl die Schüler*innen als auch ich viel lernen werden.

Neben dem Schulalltag habe ich auch bereits ein wenig die Stadt erkundet. Den Platz der Republik (das Zentrum Yerewans) war dabei die erste Anlaufstelle, die ich sowohl mit meiner betreuenden Lehrerin, als auch mit meinen Gastmüttern und meiner Ansprechpartnerin beim Goethe-Institut besuchte. (Foto Platz der Republik am Tag und in der Nacht) Außerdem wurde ich die Fußgängerzone zum Opernhaus hinaufgeführt, zu den Kaskaden Yerewans begleitet und durch verschiedene Parks und über Märkte geführt. (Foto Opernhaus, Foto Kaskaden). In den kommenden Wochen gibt es aber weiterhin einiges zu entdecken und zu erleben. Ich bin schon jetzt gespannt, was mich noch weiter erwartet.
 
  • Platz der Republik am Tag © Ann-Kristin von Hoffmann

    Platz der Republik am Tag

  • Platz der Republik bei Nacht © Ann-Kristin von Hoffmann

    Platz der Republik bei Nacht

  • Das Opernhaus © Ann-Kristin von Hoffmann

    Das Opernhaus

  • Die Kaskaden Yerewans © Ann-Kristin von Hoffmann

    Die Kaskaden Yerewans

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