Blog #4
Woche 3 des Abenteuers: Erste Ausflüge
In der dritten Woche meines Aufenthaltes hier habe ich die ersten Ausflüge unternommen. Am Dienstag bin ich mit Frau Schluchtmann aus dem Goethe-Institut nach Aruch gefahren. Das ist ein kleines Dorf auf dem Weg nach Gjumri (der zweitgrößten Stadt Armeniens), in etwa eine Stunde entfernt.
Zuerst war ich skeptisch. Was soll es denn Aufregendes in einem kleinen Dorf geben? In meinem Reiseführer fand ich einen kleinen Eintrag zu der Gegend. Dort sollte es also eine Karawanserai, eine Kathedrale und Palastruinen geben. Das klang wirklich interessant und meine Vorfreude wuchs. Außerdem brannte ich darauf die Großstadt mal zu verlassen und einen weiteren Teil Armeniens kennenzulernen. Am Dienstag um halb zehn stieg ich zu Frau Schluchtmann ins Auto und wir fuhren los. Das Wetter war fantastisch! Strahlend blauer Himmel, nicht eine einzige Wolke und somit strahlender Sonnenschein! Die Landschaft außerhalb der Stadt war karg und beeindruckend. Kaum Bäume, viele Felsen und ansonsten verdorrtes, hohes Gras. Und darüber der weite blaue Himmel und drei Berge auf die wir zufuhren. Nach einstündiger Fahrt und einiger Sucherei (denn eine zuverlässige Beschilderung oder Entfernungsangaben findet man hier kaum) kamen wir an der Karawanserai an. Diese war noch relativ gut erhalten und ganz in der Nähe der Hauptstraße gelegen. Dieser Ort muss damals wie heute ein wichtiger Knotenpunkt für herumziehende Karawanen gewesen sein. Für eine Übernachtung war es sicherlich ausreichend, aber auf Dauer wäre es mir persönlich zu dunkel und eng gewesen.
Im Anschluss an die Karawanserai folgten wir einer kleineren Seitenstraße und gelangten ins Stadtzentrum von Aruch. Dort stand eine große Kathedrale, die einmal von einer riesigen Kuppel überspannt gewesen sein muss. Doch wo diese war, ist heute leider nur noch ein Loch. Eine weitere Besonderheit sind die vielen großen Fenster, die jede der vier Wände unterbrechen wodurch das Kirchenschiff lichtdurchflutet ist (was sehr untypisch für armenische Kirchen ist).
Direkt neben der Kathedrale fanden sich Ruinen eines Palastes, einer weiteren kleinen Kirche und einer Kapelle.
Auf dem Rückweg nach Jerewan statteten wir dem kleinen Dorf Koch spontan einen Besuch ab. Denn dort sollte es eine Festung geben, die über dem Dorf auf einem Berg thronte. Auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen Friedhof mit riesigen Grabmälern, die wir uns aus der Nähe ansahen. Mich beeindruckten die riesigen Skulpturen, aber auch die durchschnittlichen Grabsteine sahen völlig anders aus, als ich das aus Deutschland gewohnt bin.
Nach dieser Entdeckung folgten wir der Straße weiter, die nach und nach zu einer steilen Schotterpiste wurde. Ich war sehr froh, um Frau Schluchtmanns Geländewagen mit Allradantrieb! Schließlich erreichten wir unser Ziel unbeschadet und standen auf einem weiteren Friedhof mit einer kleinen Kapelle am Fuß eines Berges.
Nun hatten Frau Schluchtmann und ich die Wahl. Wollten wir eine kleine Kletterpartie wagen, um zur Festung zu gelangen oder den etwas längeren Wanderweg den Berg hinaufnehmen? Wir entschieden uns schnell für den Weg und marschierten los.
Nach dem Abstieg machten wir uns wieder auf den Weg nach Jerewan, hatten aber noch einen letzten Zwischenstopp eingeplant. Frau Schluchtmann waren auf dem Hinweg eine Hinweistafel und einige Felsformationen aufgefallen, die wir nun genauer erkunden wollten. Als wir die Stelle wiedergefunden hatten, mussten wir feststellen, dass die Hinweistafel unlesbar war, da der Text entweder von Wind und Wetter oder von vorherigen Besuchern zerfetzt worden war. Einige Meter weiter entdeckten wir jedoch eine weitere Tafel und eine kleine Kapelle zwischen den Steinen.
Diese Tafel war besser lesbar und erklärte uns, dass wir uns auf einer Ausgrabungsstätte befanden. An diesem Ort hatte es in der Bronzezeit ein Dorf gegeben, das in und auf den Felsen erbaut worden war. Eine dieser Behausungen besichtigte ich, auch wenn es ziemlich gruselig war in das dunkle Loch zu krabbeln.
Nach dieser Entdeckung ging es aber endgültig zurück nach Jerewan, wo wir uns mit einem Kaffee und einem Stück Kuchen für die ganze Bewegung belohnten.
Schon am Wochenende stand der nächste Ausflug an. Ofelya, meine betreuende Deutschlehrkraft, lud mich ein, mit ihr, ihren beiden Kindern und einer Kollegin zu ihren Eltern in das Dorf Jeghegnadzor zu fahren. Das liegt in den Bergen im Süden Armeniens.
Als ich wieder aufwachte, waren wir mitten in den Bergen. Einige Minuten später kamen wir an der Wohnung von Ofelyas Eltern an. Diese begrüßten uns herzlich und baten uns sofort hinein. Drinnen erwarteten uns bereits Ofelyas Schwester und ihre beiden Kinder. Somit waren wir also für dieses Wochenende acht Gäste, die in der Wohnung unterkommen mussten. Neben einem Schlafzimmer gab es ein Gästezimmer mit einem Doppelbett und einem Einzelbett, ein großes Wohnzimmer und eine Küche. Meiner Erfahrung nach hätte diese Menge an Gästen die Gastgeber, wenn nicht in Panik dann doch in Stress versetzen müssen. Doch diese waren völlig ruhig und freuten sich über die vielen Leute in ihrer Wohnung. Wie ich später am Abend feststellen sollte, fand auch wirklich jeder ein Plätzchen zum Schlafen, ohne dass es Unmut oder Ratlosigkeit gegeben hätte.
Bevor wir uns zum Abendessen an den Tisch setzen, führte Ofelyas Mutter mich, Ofelya, Ofelyas Kollegin und Ofelyas Tochter über den Hof zu ihrer Lavash-Bäckerei (Lavash ist das traditionelle Brot Armeniens). Dort stellte sie uns ihren Bäckerinnen vor und erklärte, dass ich in Deutschland eine Lavash-Bäckerei eröffnen und sie alle mit nach Deutschland nehmen soll. Ich konnte im ersten Moment nicht einschätzen wie ernst diese Aussage gemeint war, beschloss jedoch das Spiel mitzuspielen. Alle Frauen waren begeistert und sagten zu. Immer noch unsicher, ob ich mich gerade in ein Problem manövriert hatte, ließ ich das Thema fallen, was sich als goldrichtig herausstellte. Am Sonntag kamen die Bäckerinnen nämlich erneut auf mich zu und erklärten, dass sie ihre Heimat nicht für immer verlassen könnten und daher nicht mit mir nach Deutschland gehen könnten. Puh. Da war ich also nochmal um die Eröffnung einer Lavash-Bäckerei in Deutschland herumgekommen.
Den Rest des Freitagabends verbrachten wir mit einem großen, leckeren Abendessen, vielen Gesprächen und viel Gelächter. Auch die Trinksprüche durften natürlich nicht fehlen und ich war sehr froh, dass ich schon Erfahrungen gesammelt hatte, wie groß meine Schlucke bei jedem Spruch sein durften, damit ich nicht am Ende des Abends völlig betrunken wäre.
Am Gipfel angekommen fanden wir eine kleine Menschenmenge vor, die sich vor einem riesigen Kreuz versammelt hatte. Die Stimmung war ausgelassen und festlich. Es herrschte eine riesige Freude über das neue Kreuz und die Gelegenheit sich zu versammeln und gemeinsam zu feiern. Zwei Priester nahmen die Segnungszeremonie vor und wurden musikalisch von vier Frauen begleitet.
Im Anschluss an die Segnung spielte traditionelle Musik und die Menge zerstreute sich um zu reden, Fotos zu machen, zu tanzen und eine Kleinigkeit zu essen oder zu trinken.
© Ann-Kristin von Hoffmann
Als die Sonne langsam hinter den Bergen versank fuhren wir zurück zum Haus von Ofelyas Eltern, und bereiteten horovaz (armenisches Barbecue) vor. Auch diesen Abend verbrachten wir wieder mit der gesamten Familie am Esstisch, aßen, tranken, redeten und lachten.
Am nächsten Morgen fuhren wir zurück nach Jerewan. Auf dem Weg legten wir jedoch eine kleine Pause in Areni ein, da dieser Ort für seinen Wein bekannt ist. Hier hatten wir eine kleine Weinprobe (morgens um 11), nach der ich die restliche Autofahrt leider wieder verschlief.
Insgesamt war es eine sehr ereignisreiche dritte Woche mit fantastischen neuen Eindrücken, die meine Liebe für Armenien weiterwachsen lassen. Die verdorrte, manchmal fast tot wirkende Landschaft und die lebenslustigen, herzlichen und warmherzigen Menschen haben mich völlig in ihren Bann geschlagen.