Woche 3
Mein Alltag zwischen Unterricht und neuen Freunden
Meine erste eigene Unterrichtsstunde
Am Wochenende bereitete ich mich auf meine bevorstehenden Unterrichtsstunden vor. Ich hielt natürlich Rücksprache mit den betreuenden Lehrkräften, so dass mein Unterricht an ihre Vorstellungen anknüpft. Montag, um kurz nach 9 Uhr betrat ich den Campus und machte mich auf den Weg zum Klassenraum, den ich auf Anhieb fand. Die Schule ist einfach riesig. Dass man sich verläuft, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Also konnte ich ein erstes Erfolgserlebnis für diesen Tag verbuchen. Als ich den Klassenraum betrat, traf ich auf einige Schüler und Lehrkräfte, die den Klassenraum wie wild putzten. Okay, dachte ich, also für mich muss das hier aber nicht so blitzeblank sein. Wenjing erklärte mir später, dass der Schulleiter heute die Klassenräume kontrollieren würde. Na gut.
Eine Minute vor Unterrichtsbeginn eröffnete mir die Lehrerin, dass die Austauschklasse aus Hamburg sowie andere Deutschlehrkräfte bei meinem Unterricht dabei sein würden. Mein Pulsschlag ging in die Höhe. Meine erste Unterrichtsstunde in China sollte also etwas ganz Besonderes sein. Das wurde durch ständiges Fotografieren und einige Videoaufnahmen gekrönt. Zwischenzeitlich fühlte ich mich dabei etwas unwohl, umspielte dies jedoch mit einem freundlichen Lächeln und versuchte, so gut es ging, meinen sorgfältig vorbereiteten Unterricht durchzuziehen. Meine Geduld wurde einige Male auf die Probe gestellt. Führe ich etwa Selbstgespräche? Die Schülerinnen und Schüler guckten mich entweder mit großen Augen an, oder versteckten sich hinter ihren Schulbüchern, vermutlich aus Angst, etwas Falsches zu sagen. Nach einigen Versuchen, die Klasse zum Sprechen zu ermutigen, und tatkräftiger Unterstützung der Austauschklasse klappte es plötzlich. Die chinesischen Schülerinnen und Schüler trauten sich immer mehr zu und ich verspürte ein wenig Stolz.
Die Deutsche Ecke
Das Sprachlernzentrum des Goethe-Instituts in Xi’an veranstaltet zweimal im Monat die sogenannte „Deutsche Ecke“ für Deutschlernende, Deutschinteressierte und Deutsche. Daran wollte ich gerne teilnehmen. Bereits im Vorfeld erkundigte ich mich nach dem Weg, da mir zu Ohren kam, dass das Café schwer zu finden sei und auf Google Maps ist in China leider nicht immer Verlass. Auch wenn Xi’an keine Metropole ist, kenne ich mich noch nicht hundertprozentig aus und fühle ich mich auf Chinas Straßen (aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse) noch nicht so sicher, zumindest nicht im Dunkeln. Also machte ich mich mehr als zeitig auf den Weg und suchte nach dem besagten Ort. Ich irrte durch die Straße, auf und ab, bis ich auf einmal meinen Namen ertönen hörte. Ich drehte mich um, als mich eine meiner Schülerinnen aus der 12. Klasse fragte, ob ich die Deutsche Ecke suche. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Sie nahm mich mit und ich bestellte mir direkt einen großen Kaffee. Zugegeben freute ich mich darauf schon den ganzen Tag. Ich merkte, dass mir Kaffee mehr fehlt, als ich mir eigentlich eingestehen will. Die Deutsche Ecke wurde nach und nach immer voller, wir unterhielten uns ausgelassen, lachten und hatten viel Spaß. Da die Deutsche Ecke einjähriges Bestehen feierte, bastelten die Chinesen Plakate, die die deutsche Kultur widerspiegeln, während wir Deutschen versucht haben, die Terrakottaarmee künstlerisch darzustellen.
KTV mit meinen neuen Freunden
In der Deutschen Ecke lernte ich Melina und Markus kennen. Wir verabredeten uns für das Wochenende zum KTV. Ich sagte zu, ohne zu erahnen, auf was ich mich einlassen würde. Gemeinsam mit meiner Nachbarin Ana machte ich mich auf den Weg zum Treffpunkt. Sie erzählte mir, dass es in China üblich sei, in Karaoke-Bars zu gehen. Als wir ankamen, musste ich erst einmal meine Gedanken sortieren. Zunächst fühlte ich mich wie in einer Hotellobby, danach wie im Kino und als wir schließlich unseren gemieteten Raum betraten wie im VIP-Bereich einer Diskothek. Bunte Lichter flackerten durch den Raum, dazu ertönte sehr laute, schrille Musik. Ein Angestellter wies uns ein, ich verstand natürlich kein Wort. Ein Glück, dass meine Begleiter die Sprache beherrschen. In dem Raum befanden sich zwei große Fernseher, eine Lounge-Garnitur sowie ein weiterer Bildschirm, auf dem die Lieder ausgewählt werden konnten. Zu meiner Freude gab es auch internationale Lieder. Jedoch lauschte ich viel lieber den Anderen, als selber zu singen. Ich musste einmal realisieren, was ich da gerade erlebe. Wir verbrachten einen sehr lustigen und vor allem lauten Abend im KTV. Das war bestimmt nicht mein letztes Mal. Vielleicht bin ich dann auch mutiger und liefere selbst eine Gesangseinlage.
Ich muss und will dringend Chinesisch lernen!
… teilte ich meiner Betreuerin mit und bat sie um Mithilfe. So konnte es nicht weitergehen. Ich verstehe weder meine Mitmenschen, noch kann ich mich auch nur im Geringsten verständigen. Mit viel Glück reicht es gerade mal für ein leises „xiè xiè“ (danke). Also organisierte mir Wenjing einen Tandem-Partner. Antonio (Chinesen geben sich gerne westliche Namen) studiert im 3. Semester Germanistik und möchte mir gerne Chinesisch beibringen. Also verabredeten wir uns. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Mit einer Engelsgeduld brachte er mir die chinesischen Selbst- und Mitlaute bei, die vier Töne sowie einige Basisausdrücke. Besonders die vier Töne verlangen mir sehr viel ab, aber ich bin gewillt zu üben. Ich könnte mir keinen besseren Lehrer als Antonio vorstellen. Ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen und meine Sprachverbesserung. Ich bin sehr froh, diesen Schritt gewählt zu haben und hoffe, dass ich nicht verzweifeln werde. Aber wie heißt es so schön: Aller Anfang ist schwer. Es kann nur besser werden!