Woche 11
Das Abenteuer geht weiter
Ein Ausflug in heimische Gefilde
Nachdem Amelie mir freudig mitteilt hatte, dass bei ihr ganz in der Nähe ein Ikea ist, zögerten wir nicht lange. Wir verabredeten uns zu einem Streifzug durch den schwedischen Möbelmarkt. Nicht, dass wir unbedingt etwas brauchten, doch wir wollten ein bisschen bummeln, heimisches Flair einatmen und gleichzeitig ein paar Weihnachtseinkäufe für unsere bevorstehenden Weihnachtsfeiern in der Schule erledigen. Da Ikea ja auch eine Essensabteilung hat, hofften wir auf westliche Köstlichkeiten für unsere Schülerinnen und Schüler. So machte ich mich Mittwoch, direkt nach meinem Unterricht, auf den Weg. Mit im Gepäck meine Nachbarin Ana, die von unserer Idee auch sichtlich begeistert war. Voller Vorfreude liefen wir den Weg zu Ikea und schmiedeten Einkaufspläne. Als irgendwann in der Dämmerung ein riesiges blaues Gebäude erschien, was (bis auf die chinesischen Schriftzeichen) tatsächlich genauso aussieht wie in Deutschland, strahlten wir über unsere ganzen Gesichter und unser Schritt wurde schneller.
Angekommen stellten wir fest, dass sich Ikea in China kaum von dem im Deutschland unterscheidet. Der Aufbau und die Artikel sind nahezu gleich. Einziger Unterschied: Es ist wirklich erstaunlich leer. Lediglich in den gemütlich aussehenden Betten schliefen ein paar Chinesen, was uns aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen nur wenig wunderte. Im Gegensatz zu meiner Begleitung verfiel ich nicht in einen Kaufrausch, denn in meinem Hinterkopf dachte ich bereits an meine bevorstehende Heimreise in weniger als einem Monat. Nichtsdestotrotz genoss ich unseren Ausflug, gönnte mir die obligatorischen Kerzen (natürlich nur für den Fall, dass es noch einmal einen Stromausfall gibt) und weitere Kleinigkeiten, um es mir in meiner doch spärlich eingerichteten Wohnung ein bisschen weihnachtlich zu gestalten. Der Blick auf die Uhr verriet uns, dass wir und beeilen mussten, falls wir noch Süßigkeiten kaufen wollen. Die knapp drei Stunden bis Ladenschluss waren viel zu schnell vorbei, so dass unsere Weihnachtseinkäufe letztlich in Stress ausarteten. Man könnte fast sagen, dass wir in der Essensabteilung eskaliert sind. Wir gaben Unmengen für Schokolade, Glühwein, Lebkuchenhäuser und Co. aus. Dann stellte sich die Frage: Wie kriegen wir das alles bloß nach Hause? Taxi! Leider stand am Straßenrand nicht ein einziges. Blöd gelaufen, doch Ana, die in vielen Dingen einfach skrupelloser ist als ich, hatte die zündende Idee, den Einkaufswagen bis zur U-Bahn-Station mitzunehmen. Das ist vermutlich nicht erlaubt, war uns in dem Moment aber fast egal, anders hätten wir es nicht geschafft und lustig war die Aktion irgendwie auch. Trotzdem war im Hinterkopf das schlechte Gewissen und die Angst, erwischt zu werden. Wir sind wohlbehalten an der U-Bahn angekommen und verabschiedeten uns von Amelie, die in eine andere Richtung musste. Da Ana den restlichen Abend nicht Zuhause verbrachte, setzte sie große Hoffnung in meine Tragekünste und bat mich, ihre Einkäufe mitzunehmen. Unmöglich, dachte ich, doch an der Umsteigestation organisierte sie mir ein Didi und verabschiedete sich von mir. Nach einer mir ewig vorkommenden Taxifahrt, hatte ich das Glück, dass mich der Fahrer samt Einkäufen direkt vor dem Appartement-Komplex absetzte. Ein bisschen komisch kam ich mir schon vor. Wieder einmal hat es geklappt – Ende gut, alles gut.
Chengdu is calling
Amelie hatte mir zum Geburtstag einen Ausflug in die Panda-Aufzuchtstation in Chengdu geschenkt. Da die Stadt aber noch ein wenig mehr zu bieten hat, wollten wir das direkt mit einem weiteren Wochenendausflug verbinden. Die Stadt im Westen erreichten wir nach nur knapp vier Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Der erste Eindruck: Hier gefällt es uns. Ganz zu unserer Freude war die Innenstadt sogar weihnachtlich geschmückt und es gab einen klitzekleinen Weihnachtsmarkt, direkt vor dem Eingang einer Shoppingmall. Leider waren wir etwas spät dran, also musste der erste Glühwein der diesjährigen Weihnachtssaison bis zum nächsten Tag warten. Der erste Eindruck bestätigte sich auch am nächsten Tag, als wir uns frühmorgens auf den Weg zu den Pandas machten. Wir wollten uns unbedingt die Fütterung der Tiere ansehen. So saßen wir in dem ersten Bus zur Aufzuchtstation und waren (natürlich) nicht die Einzigen. Wir betraten den Park und wunderten uns über eine Schlange an einem Ticketschalter. Eigentlich hatten wir die Eintrittskarten schon gekauft. Wir schauten uns das Spektakel aus der Nähe an und stellten fest, dass es Karten für eine Art Golfbuggy waren, um durch den Park gefahren zu werden. Natürlich sprach keine Menschenseele Englisch. Aus Unsicherheit entschieden wir uns, die Karten für umgerechnet 1,50€ zu kaufen. Kein Mensch lief zu Fuß durch den Park, deshalb dachten wir, dass das eventuell verboten sein könnte. Heimlich vermuteten wir allerdings, dass die Chinesen wohl einfach zu faul sind, eigenständig durch den Park zu laufen. Das soll keine Kritik sein, aber man sieht Chinesen tatsächlich sehr selten zu Fuß gehen. Beispielsweise wird sich lieber für die Rolltreppe angestellt, als die Stufen zu laufen. Wir reihten uns in eine weitere Schlange ein, um auf das Fahrzeug zu warten. Einige Minuten später wurden wir direkt zur Fütterung der Pandas gefahren. Wir mussten lediglich eine kurze Brücke und ein paar Stufen zum Gehege der Tiere gehen. Wie geht es nun weiter? Müssen wir wieder auf den Buggy warten? Oder ist es tatsächlich erlaubt zu laufen? Weit und breit kein Fahrzeug in Sicht, also entschieden wir uns zu Fuß zu gehen. Später stellte sich heraus (wer hätte es gedacht?), dass unsere heimlich Vermutung richtig war. Laufen ist NATÜRLICH erlaubt. Hier und da waren ein paar Chinesen tatsächlich auch zu Fuß unterwegs. Also erkundeten wir die weiteren Gehege des Parks zu Fuß. Wir liefen von Gehege zu Gehege und erfreuten uns tierisch an den niedlich aussehenden Bärchen. Ein absolut gelungener Ausflug und für mich (bis jetzt) eines meiner Highlights!
Für den nächsten Tag nahmen wir uns vor, nach Leshan zu fahren, um den weltberühmten Big Buddha zu bestaunen. Zufälligerweise war Ralf, ein weiterer SCHULWÄRTS!-Praktikant, auch in Chengdu, so dass wir uns entschlossen, gemeinsam zu fahren. Der Große Buddha von Leshan ist die weltgrößte Skulptur eines Buddhas aus Stein, also ein absolutes must-see in China, so dachten wir. Das wir später eines Besseres belehrt werden würden, ahnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Die Fahrt nach Leshan dauerte ungefähr eine Stunde mit dem Zug und von dort aus noch eine weitere halbe Stunde mit dem Bus. Wir stellten uns am Ticketschalter an und die Dame verwies auf ein Hinweisschild, auf dem geschrieben stand, dass der Buddha restauriert wird und deshalb nicht zu sehen ist. Sprachlos schauten wir uns an und die Enttäuschung war uns riesengroß ins Gesicht geschrieben. Wieso hat uns das im Hostel keiner gesagt? Was machen wir denn jetzt? Wir wollten es nicht wahrhaben und kauften uns trotzdem Eintrittskarten. Sonst wäre die ganze Fahrt umsonst gewesen. Nach einigen Stufen erkannten wir den riesigen Buddha, eingehüllt in einem grünen Netz. Das konnte es nicht gewesen sein. Trotz der Bauarbeiten rund um den Buddha, standen einige Touristen um das hässliche grüne Netz und schossen Fotos. Wir liefen eine kleine Runde, stellten enttäuscht fest, dass es das tatsächlich gewesen ist und machten uns dann auf den Weg Richtung Ausgang. Auf dem Weg dorthin konnten wir uns immerhin an dem „Park“ erfreuen, so dass wir typisch chinesische Kulissen entdeckten, die als Fotomotiv herhalten konnten. Das Pech (vielleicht auch ein klitzekleines bisschen Leichtgläubigkeit) war weiter auf unserer Seite. Der gebuchte Zug zurück ging erst um kurz vor 8, früher fuhr auch leider keiner. Leshan hatte leider auch keine weiteren Attraktionen zu bieten. Also entschlossen wir uns, ein Stück mit dem Tuktuk zu fahren, die am Ausgang des Parks auf Touristen warteten. Mit Händen und Füßen erklärte man uns, dass die kurze Fahrt 6 RMB kosten soll, scheinbar pro Person. Wir zögerten nicht lange und so stiegen Amelie und ich ins Tuktuk und Ralf auf den Roller. Wir freuten uns kurz, dass unser misslungener Ausflug doch noch spaßig endet und stiegen glücklich aus. Doch eine weitere Enttäuschung war nicht weit entfernt: Die Fahrt sollte nicht 6 RMB pro Person kosten, sondern 60! Tja, Pech gehabt. Was machen wir jetzt? Wir wurden eiskalt verarscht. Kurz versuchten wir noch zu diskutieren, doch leider mehr oder weniger erfolglos. Immerhin konnten wir auf 120 RMB „runterhandeln“. Die Laune, die eigentlich nicht tiefer sinken konnte, war nun weit unter dem Nullpunkt, dazu gesellte sich langsam aber sicher Hunger. Keine gute Mischung. Immerhin hatte der kleine Weihnachtsmarkt noch auf, so dass wir uns mit einem Glühwein trösteten.