Woche 13
Das besondere Weihnachtsfest
Montag, 24. Dezember:
Mein Tag startete wie jeder andere Montag bisher auch. Ich ging pünktlich um halb zehn zum Unterricht. Dass Heiligabend war, spürte ich nicht. Bereits letzte Woche erzählte ich den Schülerinnen und Schülern meiner Kurse, dass in Deutschland nächste Woche Weihnachten gefeiert wird und ich ihnen dieses bedeutsame Fest gerne vorstellen möchte. Ich versprach ihnen deutsche bzw. europäische Süßigkeiten mitzubringen (ein Teil von Ikea, den anderen Teil ließ ich extra aus Deutschland einfliegen, um den Schülerinnen und Schülern eine kleine Freude zu bereiten). Gleichzeitig bat ich sie, ein kleines Geschenk mitzubringen. Ich wollte gerne mit ihnen Wichteln, weil es mir damals, als ich selbst noch zur Schule ging, auch viel Spaß machte. Die Schüler konnten ihr Glück kaum fassen, so deutete ich ihre Reaktionen zumindest, eine kleine Abwechslung zum sonst so straffen Unterrichtsalltag. Versprochen ist versprochen, deswegen betrat ich den Klassenraum am Morgen des 24. Dezember mit einer großen Tüte voller Köstlichkeiten. Ich sah in strahlende Augen, die Schüler hatten mein Versprechen also nicht vergessen. Nachdem ich einige Bilder zeigte und über das Weihnachtsfest berichtete, teilte ich dem Deutschkurs die Süßigkeiten aus. Die Schüler freuten sich, waren dankbar und glücklich, ich gleich mit. So macht „arbeiten“ an Weihnachten Spaß. Auch das Wichteln traf auf große Begeisterung. Ich war erstaunt, wie gut das funktionierte und was für tolle Geschenke dabei waren. Einige meiner Schülerinnen und Schüler wollten mir unbedingt eine Freude zu Weihnachten bereiten, was mich peinlich berührte. So bekam ich etliche selbstgebastelte Geschenke, süße Briefe und Karten, Kuscheltiere und vieles mehr. (Wie soll ich das nur mit nach Hause bekommen…?). So ähnlich lief es in jedem meiner Kurse. Zufrieden verließ ich meine letzte Unterrichtsstunde um 18:10 Uhr und war bereit für das Weihnachtsfest. Genauso hatte ich es mir vorgestellt.
Dienstag, 25. Dezember
Nach einem äußerst gemütlichen Start in den Tag, machten wir uns gegen Mittag mit dem vorgekochten Rotkohl und der Soße auf den Weg in die dritte Etage zu meiner Lieblingsspanierin, die unter unserer Anweisung bereits die Knödel kochte. Da jeder von uns nur zwei Herdplatten in der Küche hat, mussten wir die Arbeit aufteilen. Aber besser zwei Herdplatten als keine, sonst hätte unser Festessen niemals stattfinden können. Bei Weihnachtsmusik und deutschem Essen saßen wir gemütlich zusammen und zelebrierten Weihnachten. Wir tauschten Geschenke, unterhielten uns ausgelassen und bauten mehr oder weniger erfolgreich ein Lebkuchenhaus. Irgendwie fühlte es sich gar nicht mehr so falsch an, nicht Zuhause zu sein. Mittwoch, 26. Dezember
Der Tag, auf den ich so lange hinfieberte. Weihnachten war gefühlt längst vorbei, also ein ganz normaler Unterrichtstag. Allerdings mit einem krönenden Abschluss: Die Aufführungen der zweiten Fremdsprachen. Bis zum Schluss glaubte ich nicht, dass ich dieses besondere Erlebnis während meines Praktikums tatsächlich noch erleben werde. Denn erst zwei Tage zuvor wurde das konkrete Datum bestätigt. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie mich das Tag für Tag wurmte, ich wollte schließlich planen. Dass Planen scheinbar typisch Deutsch ist, daran dachte ich nicht. Es wird seit Wochen wie verrückt für diese Aufführungen geprobt. Es gibt jedoch keinen festen Termin. Also weiß niemand, ob sie überhaupt stattfinden werden. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Deshalb fragte ich jeden Tag nach genaueren Informationen. Immer die gleiche Antwort: Vielleicht am 26.12, vielleicht nach den Prüfungen im Januar. Von der genauen Uhrzeit ganz zu schweigen, diese konnte man mir bis zum Schluss nicht mitteilen. Mal hieß es vielleicht um vier, vielleicht um sechs, oder, oder, oder. Bei der Generalprobe führte mir meine Kollegin vor Augen: Charlene, wir wissen, dass du Deutsch bist. Ihr habt Struktur und Ordnung im Blut. Wir nicht. Es tut uns leid, wir wissen wirklich noch nichts Genaues. In meinem Kopf legte sich ein Schalter um. Ich realisierte, dass ich meine Wünsche und Idealvorstellungen zurückfahren muss. Ich bin schließlich in China und auch diese Erfahrung gehört eben dazu. Wieder einmal nahm ich eine Erwartungshaltung ein, die nicht erfüllt wurde. In China laufen gewisse Dinge eben anders ab, nicht schlechter und nicht besser. So ist man am Ende nicht enttäuscht, falls etwas nicht eingehalten werden kann. Memo an mich: Erweitere deinen Blickwinkel und minimiere deine Erwartungen.
Ab in den Süden
Nach der Aufführung der zweiten Fremdsprachen ging es für meinen Freund und mich in den Süden. Wir verbrachten schöne Tage in Kunming, der Stadt des ewigen Frühlings, mit angenehmen Temperaturen um die 20 Grad und noch besserer Luftqualität. Wir spazierten durch die Stadt, um den Green Lake Park, fuhren zu den Western Hills und dem Steinwald. Danach ging es weiter nach Dali, ebenfalls in der südwestchinesischen Provinz Yunnan gelegen. Das für chinesische Verhältnisse beschauliche Dali lädt so richtig zum Entschleunigen ein. Dali hat eine wunderschöne Altstadt, mit zahlreichen Gassen und traditionellen Häusern. Weil Bilder mehr sagen als 1000 Worte: Dies war eine ganz besondere Woche mit einem unvergesslichen Weihnachtsfest, welches ich mir nicht besser hätte erträumen können. Im Ausland Weihnachten feiern ist die eine Sache. Aber Weihnachten in einem Land feiern, in dem das Fest so gar keine Rolle spielt ist verrückt. Aber ich erinnere mich an einen kürzlich gelesenen Spruch des Dalai Lama, in dem es heißt: Erinnere ich daran, dass es manchmal ein großes Glück sein kann, nicht das zu bekommen, was du wolltest. Dieser Spruch trifft auf meine Zeit in China zu: Ein Land, das mich nie reizte. Umso glücklicher bin ich, über meinen Schatten gesprungen zu sein und dieses Abenteuer angenommen habe, sonst wäre es mir verwehrt geblieben. Mit großer Vorfreude auf meine letzte Woche in China, neigt sich die dreizehnte Woche dem Ende zu, gemischt mit ein wenig Wehmut. Die Zeit ist verflogen. Deswegen nehme ich mir vor, die letzten Tage im Reich der Mitte so sehr zu genießen, wie es nur geht.