Woche 14
All good things come to an end – 再见 zài jiàn China
Es ist vollbracht. Ich war vierzehn Wochen in China, um ein Praktikum im Rahmen des Programms SCHULWÄRTS! zu absolvieren. Dabei habe ich nicht nur Deutsch gelehrt und ein Stück deutsche Kultur repräsentiert, sondern auch China kennen und lieben gelernt. Ende September begab ich mich auf die lange Reise, ohne zu ahnen, was auf mich zukommen wird, ohne Erwartungen, voller Neugierde, gepaart mit einem Funken Hoffnung. Die Hoffnung auf ein unvergessliches Erlebnis, auf eine Erfahrung, die mich reicher machen wird, ein Abenteuer, das mich wachsen und ganz nah bei mir selbst sein lässt, weil das Leben zu kurz für „irgendwann“ ist.
Ein letztes Mal
Die letzte Woche in Xi’an verging glaube ich so schnell, wie keine andere. Sie war großartig. Ich glaube, dass ich jeden Moment so gut es geht eingesogen habe. Meine vierzehnte Woche startete mit der Silvesternacht. Laila, eine Praktikantin aus Yueyang, war zu Besuch, um mit Amelie, Ana, meinem Freund und mir das neue Jahr zu feiern. Wir reservierten einen Tisch im Westhouse. Wie der Name schon vermuten lässt, ist dies ein westliches Restaurant. Wir aßen Burger, quatschten und hatten Spaß. Da die Chinesen dieses Fest nicht zelebrieren, kann man es sich wie einen ganz normalen Abend vorstellen. Das Chinesische Neujahr (auch bekannt als Frühlingsfest) richtet sich nämlich nach dem Mondkalender und wird in diesem Jahr am 05. Februar gefeiert. Dann gibt es auch ein Feuerwerk, welches für uns dieses Jahr ausfiel.
Das erste Morgen des neuen Jahres hätte nicht besser starten können. Laila und Amelie überraschten uns mit Pfannkuchen und selbstgemachtem Apfelmus. Gestärkt machten wir uns auf den Weg zum Yongninmen (Südtor) der Stadtmauer. Ich hatte mir fest vorgenommen, vor meiner Abreise eine Fahrradtour der besonderen Art zu unternehmen. Es war zwar eisigkalt, jedoch blinzelte immerhin die Sonne durch die versmogte Luft.
Die Stadtmauer von Xi’an ist nicht nur die größte, sondern auch die vollständigste Stadtmauer in der Volksrepublik China. Sie zieht sich auf einer Länge von knapp vierzehn Kilometern um die ganze Altstadt herum. Man hat von überall eine herrliche Aussicht. Also mieteten wir uns für umgerechnet knapp sechs Euro für drei Stunden ein Tandem, um die Stadtmauer zu umrunden. Wir starteten etwas wackelig, was für den einen oder anderen Lacher sorgte, doch wurden mit der Zeit immer sicherer. Ein besonderes Erlebnis und meiner Meinung nach ein must-do für jeden Besucher. Relativ am Anfang meiner Praktikumszeit spazierte ich (damals noch kurzärmlig) auf der Stadtmauer und verliebte mich bereits in die Sehenswürdigkeit. Eines meiner Highlights, denn die Stadtmauer verleiht Xi’an unglaublich viel Charme und lässt die Stadt sehr besonders wirken.
… ist absolut nicht meine Stärke. Doch ich muss mich verabschieden, muss die Erfahrung hinter mir lassen und mich erneut auf die lange Reise begeben, um in Deutschland einen neuen und für mich sehr wichtigen Lebensabschnitt zu beginnen. Zuhause erwarten mich zwar zunächst alte Umgebungen und Gewohnheiten, doch es wird schon sehr bald ein neues Kapitel auf mich zu kommen. Am 28. Januar beginne ich mein Referendariat in Wolfsburg und ich kann behaupten, dass ich mich durch die Erfahrungen in China bestens vorbereitet fühle.
Am Mittwoch feierten meine Kolleginnen und Kollegen, sowie einige meiner Schülerinnen und Schüler der Fremdsprachenschule Xi’an gemeinsam mit mir Abschied. Ein liebevoll vorbereiteter Rückblick meiner Erfahrungen in Form einer PowerPoint Präsentation, einige Reden sowie ein für mich einstudiertes deutsches Lied gehörten zum Programm, das mich sehr berührte. Ich verspürte Wehmut und wünschte mir noch ein wenig mehr Zeit, hier in Xi’an, viel zu schnell ist die Zeit vergangen.
Am Donnerstag fuhr ich das letzte Mal Richtung Zhonglou, ins Stadtzentrum. Ich schlenderte ein letztes Mal um den Glocken- und Trommelturm, das muslimische Viertel und ergatterte noch einige Mitbringsel. Ein letztes Abendessen im Hexi Taste mit Amelie und Ana. Bereits Freitagmorgen geht der Flieger über Peking und München nach Hause. Es fühlt sich komisch, gar falsch an, die Tür „meiner“ Wohnung ein letztes Mal zu zuziehen. Anfangs hätte ich nie gedacht, dass ich mich hier einmal so wohlfühlen werde.
Ein lachendes und ein weinendes Auge
Zuhause angekommen hatte ich Zeit, meine in China gesammelten Erfahrungen Revue passieren lassen. Für jede einzelne gute und noch so schlechte Erfahrung bin ich dankbar. Ich verließ meine Komfortzone mehrmals, was mich wachsen ließ. Vieles erscheint unmöglich, bis es getan ist. Ich bin glücklich, so viele verschiedene Menschen kennengelernt zu haben, die ein Stück meines Weges mit mir gemeinsam gegangen sind und meine Zeit bereichert haben.
Ich werde immer wieder gefragt, wie es denn in China war. Eine Frage, die sich gar nicht so leicht beantworten lässt. Natürlich ist China anders als Deutschland, nicht schlechter und nicht besser. Für mich war China eine Achterbahnfahrt. Von super schönen bis grausamen Erfahrungen war so ziemlich alles dabei. Doch wie sagte Erich Kästner so schön? Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen. Ich würde es wieder tun. Ich würde mich wieder ins Ungewisse begeben, denn genau das bereichert mich, in jeglicher Hinsicht.
Einige deutsche Selbstverständlichkeiten weiß ich wieder zu schätzen. Zum einen die frische Luft zum Atmen. Zum anderen die teilweise spießige deutsche Bürokratie, die viel mehr nützt, als dass sie Nerven raubt. Ich bin froh, mich nicht mehr durch Menschenmassen drängeln zu müssen, nicht mehr ständig angeguckt und fotografiert zu werden. Zwar sind die ständigen Kontrollen und Überwachungskameras gewöhnungsbedürftig, jedoch muss ich auch zugeben, dass ich mich in China sicherer gefühlt habe. China ist riesig, vielfältig und viel bunter als ich dachte. China als Urlaubsziel reizte mich nie, doch jetzt weiß ich, dass ich wiederkommen möchte, und deswegen sage ich ein letztes Mal danke und bis bald, 再见 zài jiàn China.