Blog #7
Ich liebe dich auch, Babe

Vous aurez du mécanique dans du vivant, vous aurez du comique: Komik entsteht auf der Fallhöhe zwischen dem Lebendigen und Mechanischen. Ist eine Theorie, die ein weiser, inzwischen toter Philosoph namens Henri Bergson zu Beginn des letzten Jahrhunderts formuliert hat und auf die sämtliche komikbehaftete Werke in Literatur, Film und Theater Bezug nehmen. So sind Geschichten aufgebaut, Theaterstücke und - kaum verwunderlich - auch besonders aufregende Momente im Leben. Statuswechsel bringen Spannung ins Spiel. 

Vom Mechanischen ins Lebendige: Letzte Woche habe ich einen solchen Statuswechsel in der entgegengesetzten Richtung beobachten dürfen. Die Elftklässler*innen sind wieder da! Während zu Beginn meiner Einsatzzeit in Bukarest noch so manche Stunde eher zäh verlief und wenig Anreiz zum Mundaufmachen da war (ich berichtete), sind jetzt - ausgerechnet jetzt, kurz vor Ende des Schuljahres - einige Schüler*innen richtig aufgetaut. Noch vor zwei Wochen habe ich mir Sorgen gemacht, dass ihr Puls irgendwann aufhört zu schlagen! Es hat ihnen teilweise die Motivation und Energie gefehlt, die Bildschirmsperre auf ihren Smartphones zu überwinden! Und jetzt: Lachen, Spielen, Herumspringen - in einem fast ausverkauften Klassenzimmer!

  • Improvisationstheater © Gustav Beyer

    Improvisationstheater

  • Improvisationstheater © Gustav Beyer

    Improvisationstheater

  • Improvisationstheater © Gustav Beyer

    Improvisationstheater

  • Improvisationstheater © Gustav Beyer

    Improvisationstheater

  • Improvisationstheater © Gustav Beyer

    Improvisationstheater

  • Improvisationstheater © Gustav Beyer

    Improvisationstheater

Eine der zentralen Ursachen für diese Sinneswandlung ist weniger der nahende Ferienbeginn als: Impro-Theater. Damit habe ich letzte Woche endlich begonnen und siehe da: Menschen sind fürs Spielen wie gemacht, und dass man Elftklässler*in ist, muss noch lange nicht heißen, dass man keine Interessen mehr haben oder zeigen darf.

Mit diesen Spielen taut ihr jede DaF-Klasse innerhalb von Minuten auf (Voraussetzung ist vielleicht, dass ihr auch wirklich hinter den Spielen und ihren Aussagen steht - und selber mitmacht. So wissen die Schüler*innen, sie machen sich nicht alleine zum Horst, sondern auch dieser Deutsch-Typ da vorne...):

Klatschkreis: Bringt den Puls derjenigen runter, denen bei der Bekanntgabe des Stundenthemas vor Schreck die Augäpfel rausgefallen sind, weil sie dachten, sie müssten jetzt eine perfekte Performanz abliefern. Ist geeignet als lockerer Einstieg in die Materie und trainiert, Signale nicht irgendwo an den Raum zu verlieren, sondern konzentriert seinen Nachbar*innen zu schenken. Varianten: rechts zack, links zick, quer boing - if you know what I mean.

Whiskeymixer: Besonders unterhaltsam für Menschen, die ohnehin schon Ausspracheschwierigkeiten im Deutschen haben. Die werden jetzt ad absurdum geführt. Es gehen klatschkreis-ähnlich herum: der Whiskeymixer und die Wachsmaske. Der "Messwechsel" ändert Wort und Richtung. Im zweiten Level ist Lachen verboten - und wer einen Fehler macht, wird mit einer Runde Dauerlauf um den Kreis herum und dem Hohn der Gruppe bestraft.

Ich bin der Baum: Klassiker im Improtraining, DaF-freundlich und unheimlich gut im Schulkontext geeignet, um sich von Mantras wie "Öffne das Buch auf Seite..." zu lösen. Die Schüler*innen stehen nach wie vor im Kreis. Eine Person springt rein und sagt z. B. "Ich bin der Baum." Eine nächste springt impulsiv dazu und sagt z. B. "Ich bin der Hund, (der an den Baum pinkelt.)" Eine dritte: "Ich bin die Sonne, (die auf den Baum scheint.)" Das Sprachniveau bestimmen die Schüler*innen selbst und es finden prozessbezogen keine Korrekturen statt. Person 1 sagt dann, welche Person sie wieder mit zurück in den Kreis nimmt ("Ich nehm' die Sonne mit.") und das Spiel geht mit der im Kreis verbliebenen Person von vorn los. Kann man also unendlich spielen oder bis es klingelt.

Sie ist der Baum
Sie ist der Baum | © Gustav Beyer
Hey, Babe: Für dieses unfassbar auflockernde und lustige Spiel, das ich 2009 bei Beate Wieser am Theater Fletch Bizzel in Dortmund liebengelernt habe und nie vergessen werde, müssen die Schüler*innen Text auswendig lernen. Machen sie aber gern, wenn sie ihn zum ersten Mal hören. Mehrmals choral durchsprechen und darauf achten, dass er bei allen einigermaßen sitzt. Der Textrhythmus hilft. 

A sagt: Hey Babe, ich liebe dich, Babe. Und wenn du mich auch liebst, Babe, dann schenk mir ein Lächeln.
B antwortet: Hey Babe, ich liebe dich auch, Babe. Aber ein Lächeln, Babe, bekommst du von mir nicht.

Und dann steht Schweinchen A in der Mitte und muss eine*n Schüler*in im Kreis von seiner Liebesgunst überzeugen, bzw. zum Lachen bringen. Gelingt das, wird getauscht - ansonsten wird weiterprobiert. Erfahrungsgemäß führt dieses Spiel zu tränenreichen Unterbrechungen und fest zusammengeschweißten Gruppen.

Dieses Spiel haben die Schüler*innen selbst vorgeschlagen: "Ninja" heißt es, und man schlägt sich dabei auf die Finger. Sehr unterhaltsam.
Dieses Spiel haben die Schüler*innen selbst vorgeschlagen: "Ninja" heißt es, und man schlägt sich dabei auf die Finger. Sehr unterhaltsam. | © Gustav Beyer
Was sonst so passiert ist: Ich war bei den Dreharbeiten zu einem neuen Disney-Märchenfilm dabei! Quatsch, war ich natürlich nicht. Aber auf dem Abschlussball - auf neudeutsch: Prom - der Zwölftklässler*innen bin ich nur zauberhaft bekleideten Prinz*essinnen begegnet. Das war der Wahnsinn! Die rumänischen Schüler*innen wissen, wie man perfekte, elegante und anmutige Abschlussbälle zelebriert. Ich habe mir dafür extra noch ganz schnell einen Anzug besorgt und mich in Schale geschmissen. Wer mich kennt, weiß, dass das ein ausgesprochen ungewohnter Anblick ist. 

Auf dem Ball in einer zentralen, edlen Partylocation gab tolles Essen, tolle Musik, viele tolle Gespräche - und die Atmosphäre war nicht nur beim klassischen Tanzen, sondern auch bei den traditionellen rumänischen Gruppentänzen allererste Sahne.

So einen Zwölferabschlussball könnte ich jetzt jede Woche mitmachen. Und in der Tat sieht man gerade fast täglich (auffallend viele) wunderhübsche junge Menschen in Bukarest, die in Limousinen oder Taxis auf dem Weg zu ihrem Ball sind. Übernächste Woche steht dann noch das Abschlussfest unserer Achtklässler*innen an, darauf freue ich mich natürlich auch schon.
 
Geht immer: Entspannen am See im Herastrau-Park! © © Gustav Beyer Geht immer: Entspannen am See im Herastrau-Park! © Gustav Beyer

Dann habe ich noch bei einer Schatzsuche durch den Cișmigiu-Park mitgemacht. Die wurde vom Student*innenverein Gutenberg und einigen Coșbuc-Schülerinnen organisiert. Das war ziemlich witzig, ein bisschen verrückt und mein Team hat natürlich den Schatz gewonnen. (Unter fairen Bedingungen, da die Aufgaben für Muttersprachler*innen und DaZ-Lerner*innen gleich schwierig zu lösen waren.)

Auf der Schatzsuche
Auf der Schatzsuche | © Gutenberg-Verein
Ich melde mich bald wieder mit noch mehr Worten zum aktuellen Geschehen, besonders, was die neue Schulzeitung betrifft. Erfahrungsgemäß überschlagen sich Ereignisse ja zum Schuljahresende und ich habe schon zu einer Kollegin gesagt, dass ich oft das Gefühl habe: Wenn ich einer Sache zusage, verpasse ich drei andere. Es passiert also mehr, als auf diesen Blog passt und die ganzen Geheimnisse erfahrt ihr ja eh nur von mir ganz persönlich und im Flüsterton. 

Sommerliche Grüße nach Deutschland und in die weite Welt!

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