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Der erste Eindruck / Das Eselessen
Der erste Eindruck
Meine China-Reise begann für mich mit dem SCHULWÄRTS!-Zwischenseminar in Peking. Das war ein sehr schöner Einstieg, da ich von den anderen Stipendiaten schon einige Erfahrungsberichte und Tipps mitnehmen konnte. Danach ging es dann also von Peking nach Zhuzhou. Am Flughafen wurde ich von Ruby, einer Englischlehrerin, freundlich empfangen und wir fuhren mit dem Taxi zu meiner Wohnung, an welcher mich auch Hui, die Deutschlehrerin der Schule, herzlich begrüßte.
Der erste Eindruck von Zhuzhou: Warm! Mit 28 Grad im November war es dort deutlich wärmer als ich erwartet hatte. (Allerdings sollte sich das schon wenige Tage später mit einem großen Temperatursturz ändern und es war den Winter über doch eher kalt.) Der erste Eindruck von meiner Wohnung: Groß! Meine Wohnung war im 18. – und somit im obersten – Stock eines Hochhauses. Zwei etwas klapprige Aufzüge führten zu meiner Wohnung, was für mich etwas gewöhnungsbedürftig war, da ich in Deutschland Fahrstühle am liebsten meide, vor allem wenn es nicht die Vertrauenswürdigsten sind. Huis Information, dass ich mit den Aufzügen vorsichtig sein solle, da einer von beiden vor kurzem in Reparatur gewesen sei – sie wusste aber nicht mehr genau welcher – machte mein mulmiges Gefühl nicht gerade besser. Doch ganz im Gegensatz zu den Aufzügen erwartete mich oben ein sehr großes und vor allem neues Appartement: Mit großen Fenstern, großem Wohnzimmer, Küche, Bad und zwei Schlafzimmern.
Am nächsten Tag ging ich zum ersten Mal in die Praktikumsschule, die nur circa acht Gehminuten von meiner Wohnung entfernt lag. Die Zhuzhou Foreign Language Shifeng School hat ungefähr 2000 Schülerinnen und Schüler und besteht aus einer Grund- und einer Mittelschule. Der Deutschunterricht findet in Klasse sieben und acht statt. Die Schülerinnen und Schüler sind also zwischen zwölf und vierzehn Jahre alt und haben ein bis zwei Deutschstunden pro Woche.
Dann ging es für mich auch schon in den ersten Unterricht. Auffällig war zunächst die enorme Klassengröße: Eine Klasse besteht aus circa 50 Schülerinnen und Schülern. Um ihre Stimme zu schonen, setzte sich Hui zum Unterrichten ein Mikrophon auf und begrüßte ihre Klasse mit „Guten Tag, meine lieben Schülerinnen und Schüler“, begleitet von einer kleinen Verbeugung. Die Klasse stand auf und antwortete dann: „Guten Tag Frau Guo“. Nun sollte ich mich vorstellen. Ich hatte in Absprache mit Hui eine PowerPoint-Präsentation über Freiburg vorbereitet und die Schülerinnen und Schüler waren sehr interessiert und staunten über die Bilder. Als ich erzählte, dass Freiburg im Schwarzwald liege, meinte ein Schüler sogar, dass es da doch einen bestimmten Kuchen gebe. Damit hatte ich nicht gerechnet, dass mich ein Schüler auf die Schwarzwälder Kirschtorte anspricht.
Das Eselessen
Nach den ersten Unterrichtsstunden kam Ruby, die Englischlehrerin, zu mir und fragte, ob ich mit zum Schulleiter kommen könne, da er mich gerne kennenlernen wolle. Er begrüßte mich sehr freundlich und lud mich am selben Abend zum Essen ein. Ruby verriet mir auch, was es geben wird, eine besondere Spezialität: „Donkey“, also Esel.
Ich traf mich mit Ruby und der amerikanischen Englischlehrerin Alexis vor der Schule und wir fuhren gemeinsam zum Restaurant. Im Eingangsbereich gab es eine Art Schaufenster, aus welchem ein flauschiger Esel zu uns herausblickte. Wir setzten uns zusammen mit ein paar anderen Lehrerinnen und Lehrern an einen runden Tisch und es wurde reichlich Essen gebracht. Ruby erklärte immer wieder, welcher Teil des Esels das nun sei. Da ich ein Suppen-Fan bin, testete ich diese neugierig und es schmeckte gar nicht übel. Als Ruby merkte, dass ich sie mag, eröffnete sie mir, was ich da gerade esse: Eselblutsuppe. Ich lächelte freundlich.
Ruby erklärte Alexis und mir, dass wir dem Schulleiter zuprosten sollen. Also standen wir auf und erhoben die Gläser. Daraufhin wurden wir gefragt, ob wir einen „white wine“ mittrinken wollen. Wir stimmten zu und ein älterer Lehrer setzte sich neben uns. Er schenkte das kleine Glas voll und stieß mit uns an. Beim Anstoßen ließ er die Gläser auf dem Tisch und rückte sie aneinander. Der Weißwein entpuppte sich beim Trinken allerdings als Reiswein, also Baijiu, der einen starken, Schnaps ähnlichen Geschmack hat. Wir machten dazwischen immer wieder eine Essenspause und es wurde erneut angestoßen. Irgendwann beschlossen Alexis und ich beim nächsten Anstoßen das Glas einfach leer zu machen, damit wir es hinter uns haben. Unmittelbar darauf schenkte der Lehrer wieder voll und das Spiel begann von vorne.
Dann wurden als Highlight Eselfleischstücke an Bambus-Spiesen serviert. Mein Sitznachbar füllte mir gleich den Teller. Es war eigentlich ganz lecker, aber nach ein paar Sekunden setzte eine höllische Schärfe ein. Mein ganzer Mund und meine Lippen brannten. In meinem Glas war allerdings nur Reiswein, der mir in dem Moment nicht weiterhelfen konnte. Da auch das restliche Essen scharf war, suchte ich nach irgendeiner Linderung. Ich griff zur Eselblutsuppe und freute mich, dass ich darin ein großes Kartoffelstück schwimmen sah, fischte es mit den Stäbchen in meinen Mund und bemerkte: Keine Kartoffel, sondern Ingwer.
Am Ende war die Reisweinflasche leer und sehr schnell standen alle auf und gingen. Verabschiedungen sind, so wie ich es bisher mitbekommen habe, in China nicht so ausschweifend wie in Deutschland. Es wurden noch ein paar Fotos gemacht (auch andere Restaurantgäste fragten, ob sie ein Foto mit Alexis und mir machen dürfen) und wir fuhren nach Hause. Ruby schrieb mir später noch in WeChat, dass es in China üblich sei, durch das gemeinsame Reisweintrinken Freundschaften zu schließen. Es war auf jeden Fall ein erlebnisreicher und witziger Abend und ich habe in dieser Nacht sehr gut geschlafen.