Blog #2
„Es gibt niemanden, der nicht isst und trinkt, aber nur wenige, die den Geschmack zu schätzen wissen.“

Um wie Konfuzius über den Geschmack zu philosophieren und natürlich auch anlässlich der Wichtigkeit, sei dieser Blog dem Thema „Essen“ gewidmet.

Ich habe mir zuvor wenig Gedanken darüber gemacht, was mich in China essenstechnisch erwarten wird. Natürlich kannte ich die üblichen Klischees, laut denen Hund und Katze auf dem täglichen Speiseplan stehen. Da ich aber normalerweise kein Fleisch esse, kümmerte mich das wenig…

Erst einmal lässt sich sagen, dass das chinesische Essen im Grunde genommen sehr wenig mit jenen, bei uns in Deutschland aus „China-Restaurants“ bekannten Speisen zu tun hat. Frühlingsrollen oder auch frittierte Ente habe ich hier bisher vielleicht ein- oder zweimal gesehen. Was es aber wirklich immer und überall gibt ist Reis, klassischerweise für 3 Yuan. Während ich von zuhause gewöhnt bin, jede Menge Soße dazu zu essen, lernte ich hier in China das Gegenteil kennen: Meist wird der Reis ohne Soße serviert und auch gegessen. In Restaurants kommt er auch oft erst zum Schluss, dann, wenn eigentlich schon fast jeder satt ist. Dazu gibt es meist Fleisch und Gemüse. Das Gemüse wird meistens in sehr viel Fett gebraten, weshalb mir des Öfteren schon das ein oder andere Stück vom Stäbchen gerutscht ist.

Gebratene Aubergine (mein Favorit), Eier mit Tomate und Tofu. Alle Gerichte stehen in der Mitte des Tisches und werden geteilt.
Gebratene Aubergine (mein Favorit), Eier mit Tomate und Tofu. Alle Gerichte stehen in der Mitte des Tisches und werden geteilt. | © Laura Manz
Nachdem ich für meine ersten Speisen doppelt so lang brauchte wie normalerweise, komme ich nun gut mit den Stäbchen klar. Allerdings vermisse ich auch heute noch gelegentlich ein Messer. Auf meine Frage, wie man denn bitte ein zu großes Stück Fleisch oder Tofu essen soll, antwortete meine Betreuerin: „Es gibt kein zu großes Stück.“ Wieder was gelernt. Im Folgenden beobachtete ich dann, dass von zu großen Stücken abgebissen wird. Am meisten beeindruckt bin ich aber nach wie vor von der Art und Weise, wie der Fisch gegessen wird. Dies ist besonders gut in der Mensa zu beobachten. Es fasziniert mich doch jedes Mal, wie jeder (oder fast jeder) es schafft, einen Fisch samt Kopf und Gräten nur mit Hilfe von Stäbchen so zu präparieren, dass am Ende tatsächlich nur das Skelett zurückbleibt – Respekt! Was mich angeht, wissen die Köchinnen der Mensa bereits Bescheid und es gibt immer jede Menge Gemüsevarianten als Ersatz. Ganz besonders scheint mich eine Köchin in ihr Herz geschlossen zu haben, die mir regelmäßig genug Gemüse sichert, auch schon einmal eine Extraportion angebraten hat und mir immer eine besonders große Portion schöpft.

Eine besonders beliebte Zutat sind Bohnen. Diese finden sich in allen möglichen Formen auf dem chinesischen Speiseplan wieder: Mal süß, mal salzig sind sie vor allem auch in Bäckereien eine beliebte Füllung. Oft ersetzen sie hier unsere Schokolade. Da ich aber ein Bohnenfan bin, finde ich diese Alternative durchaus ansprechend. Eine andere – bei mir weniger – beliebte Zutat in Bäckereien ist Hühnermehl. Dieses wird teilweise auch über süßes Gebäck gestreut. Überhaupt überraschen einige süß aussehende Törtchen mit einem Fleisch- oder Knoblauchgeschmack.

Lecker und handgemacht: Dumplings. Diese gibt es mit den verschiedensten Füllungen. Angebraten gelten sie als Shanghaier Spezialität.
Lecker und handgemacht: Dumplings. Diese gibt es mit den verschiedensten Füllungen. Angebraten gelten sie als Shanghaier Spezialität. | © Laura Manz
Auch zum Frühstück gibt es Nudeln, Dumplings oder Reissuppe. Dreimal am Tag  ist mir das dann aber doch zu viel. Deshalb nehme ich mir morgens oft einen Maiskolben aus der Mensa mit, was jedoch kein vergleichbarer Ersatz für Müsli oder Joghurt ist. Am meisten vermisse ich aber Salat. Es gibt zwar Kohl in allen nur denkbaren Variationen und ab und zu steht auch Salat auf der Speisekarte. Aber hier ist dieser nicht mit unserem zu vergleichen. Einmal bestand das Dressing aus Fleischgewürz und Chili. Chinesisches Essen ist eben sehr fleischlastig. Das wird besonders auf den Foodmärkten und in den -malls deutlich: Überall gibt es Fleischspieße und mit Fleisch gefüllte Teigtaschen. Deshalb war einer meiner ersten chinesischen Sätzen: „Ich esse kein Fleisch – Wo bu chi rou.“ Dennoch habe ich schon manchmal Hühnchen auf meinem Teller gefunden, was offenbar nicht immer als Fleisch gilt. Gerade auf Foodmärkten trifft man dann auch auf die verrücktesten Dinge: Schnecken, Seesterne, Stinkefrucht, nicht identifizierbares Fleisch, Ente, frittierte Maiskolben und Hotdogs, Krebse, Würstchen in jeglicher Form und Hühnerfüße am Spieß.

Fleischauswahl in einer der Foodmalls
Fleischauswahl in einer der Foodmalls | © Laura Manz
Eine besondere Herausforderung stellen die kleinen Imbissläden dar. Hier gibt es meist nur chinesische Schriftzeichen auf der Speisekarte. Allerdings sind genau diese Läden auch die billigsten, die leckersten und haben die nettesten Besitzer. Und mit Hilfe der ein oder anderen App und genug Geduld, sowie Offenheit für Überraschungen ist dies immer ein super Erlebnis.

Ich – mit meinem Chinesisch am Ende – beim Entziffern einer Speisekarte. Die App „Waygo“ hilft weiter!
Ich – mit meinem Chinesisch am Ende – beim Entziffern einer Speisekarte. Die App „Waygo“ hilft weiter! | © Laura Manz
Messer und Gabel sind tatsächlich nirgends vorhanden. Ab und zu gibt es Löffel, aber auch diese sind selten. Umso spannender gestaltete sich der Ausflug in ein IKEA-Restaurant. Auf der Suche nach einer Lampe für mein Zimmer, machte ich mich dorthin auf den Weg. Neben den in den Betten schlafenden Chinesen und all den ungemachten Betten, war der Essensbereich das Highlight. Hier gab es die typischen Gerichte Köttbullar, Hot Dogs, Apfelkuchen, Tiramisu, Fisch und den absoluten Renner: Spaghetti Bolognese. Auch eine chinesische Mahlzeit stand zur Auswahl, welche ich jedoch als Einzige weit und breit aß. Da es nur Messer und Gabel gab, sah ich im Sitzbereich etliche Chinesen damit herumhantieren. Natürlich gab es auch einige  unter ihnen, für die es kein Problem zu sein schien. Allerdings sah ich auch die absurdesten Haltungen des Messers, das stückweise Abbeißen von einem ganzen Fisch und das Verspeisen der Spaghetti mit dem Kopf über dem Teller und lediglich einer Gabel, sowie wie es eben bei chinesischen Nudeln und den beliebten Instantnudeln üblich ist. Dieses eine Mal fühlte ich mich essenstechnisch überlegen.

Das schlechteste Essen
Da ich mich nicht entscheiden kann, gebührt diese Auszeichnung sowohl dem Stinketofu, als auch dem fermentierten Tofu. Meine Abneigung gegenüber ersterem fängt bereits bei dessen Geruch an. Meine anfängliche Vermutung, es handle sich um den Geruch von Trockenfleisch, wurde revidiert: Überall dort, wo es Stinketofu zu kaufen gab, liegt ein derartig intensiver, fremder und für mich abstoßender Geruch in der Luft, dass ich anfangs immer schnell in einen Laden flüchtete. Besonders auf den gut besuchten Straßen steigt einem dieser penetrante Geruch kontinuierlich in die Nase. Auf meine Frage, wie die Einheimischen diesen Gestank ertragen, wurde mir gesagt, dass der Tofu für sie weder stark noch eklig riecht. Ich muss zugeben, dass auch ich mich inzwischen ein wenig daran gewöhnt habe, weil er eben andauernd wieder auftaucht. Dennoch ist es für mich der mit Abstand unangenehmste Geruch und aus meiner Sicht am ehesten mit einem Rudel nasser Hunde zu vergleichen. Trotz des Geruchs ließ ich mich dazu überreden, den Tofu doch einmal zu probieren. Ich muss gestehen, dass er besser schmeckt als er riecht, was aber auch keine Kunst ist. Dennoch reicht einmal probieren völlig aus.

Eine große Überwindung: Stinketofu
Eine große Überwindung: Stinketofu | © Laura Manz
Ein anderes negatives Essenserlebnis machte ich in einem Hotel in Peking. Ich war in dem Glauben, einen Brei aus Bohnen aus meinem Teller zu schöpfen, es war aber auch dies eine Art Tofu, der anscheinend als Brotbelag genutzt wird. Ich aber nahm das Stück auf meine Stäbchen und biss herzhaft hinein. Selten zuvor hatte ich etwas probiert, was meinen Geschmacksnerven derart zuwider war, dass ich es beim besten Willen nicht essen konnte. Nun war es jedoch soweit und das undefinierbare, schwarze Stück landete in einer Serviette. Noch lange danach hatte ich den Geschmack im Mund, der meines Erachtens nach schlichtweg an fauliges Essen erinnerte.

Das beste Essen
Eines meiner Lieblingsessen, welches momentan besonders IN und deshalb auch bei den Schülerinnen und Schülern beliebt ist, wird Hot Pot oder auch Feuertopf genannt. Hier werden ein oder mehrere Gefäße mit verschiedenen, heißen Soßen gefüllt und anschließend verschiedene Gemüse, Tofu und Fleischsorten hineingeworfen. Prinzipiell ist der Hot Pot eine Art Fondue. Typischerweise sind die Brühen sehr scharf, da das Gericht aus der Provinz Sichuan kommt. Obwohl er für uns schon in abgeschwächter und laut Karte mildester Form serviert wird, empfinde ich den Hot Pot nach wie vor als sehr scharf. Es gibt aber auch Alternativen wie Pilz- oder Tomatenbrühe. Besonders gefällt mir an diesem Gericht, dass man so lange beisammen sitzt und sich das Essen über eine längere Zeit erstreckt. Auch kann jeder das nehmen, was ihm oder ihr am besten schmeckt.

Mein erster Hot Pot in Shanghai
Mein erster Hot Pot in Shanghai | © Laura Manz
Zu meinen Favoriten zählen außerdem Tomaten mit Ei, Lotus und „graue Kartoffel“, eine Wurzel, welche von der Konsistenz sehr an Kartoffeln erinnert. Es gibt auch Kartoffeln, die aber völlig anders zubereitet werden als in Deutschland. Aus diesem Grund fragte ich in meiner ersten Woche, was denn das Leckere auf meinem Mensatablett sei. Als Antwort erntete ich ein „Really? Das ist Kartoffel!“ Die Liebe der Deutschen zur Kartoffel wurde also hiermit bestätigt.

Besonders das lange Beisammensein ist nicht bei jedem Essen garantiert. Meist habe ich das Gefühl, dass Essen eher eine Nebensache ist. Viele Chinesen ziehen beispielsweise nicht einmal die Jacke aus. Kaum ist die Mahlzeit beendet, wird aufgestanden. Gemütliches Beisammensein oder einen Kaffee nach dem Essen – Fehlanzeige. Dies ist mir vor allem in der Mensa aufgefallen. Zuhause verbringen wir dort meistens einige Zeit, reden und tauschen uns aus. Hier in China habe ich das Gefühl, dass oft schon alle nervös werden, wenn ich etwas langsamer esse. Sobald ich fertig zu sein scheine, wird aufgestanden und gegangen. Auch ist mir aufgefallen, dass die Chinesen sehr schnell essen und meist auch einiges auf dem Teller zurückbleibt. Dadurch sind auch die chinesischen Restaurants aus meiner Sicht eher ungemütlich gestaltet: Oft gibt es Bänke oder Plastikstühle, dazu Neonleuchten und lange Tische. Manchmal werden überflüssige Speisereste auf den Tisch ausgespuckt und Schlurfen und Schmatzen ist immer zu hören. Zusätzlich ist es oft sehr kalt, wodurch alles ein etwas ungemütliches Flair bekommt.

Traditionelle Restaurants sehen jedoch anders aus: Hier gibt es einen großen Runden Tisch und eine drehbare Platte in der Mitte. Diese kann von jedem gedreht werden, trotzdem muss man sich mit den anderen abstimmen. Hier ergibt sich auch die Möglichkeit, das ein oder andere Gericht zu probieren, welches man sonst vielleicht nicht bestellen würde, wie beispielsweise die tausendjährigen Eier. Durch die Form des Tisches und das gemeinsame Teilen aller Speisen entsteht hier ein geselliges Miteinander.

Traditionell chinesisches Essen auf dem Schulausflug
Traditionell chinesisches Essen auf dem Schulausflug | © Laura Manz

 

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