Blog #4
圣诞快乐 – Frohe Weihnachten!
Weihnachten – China – passt das zusammen? Zumindest wissen viele Leute, wie man sich ein frohes Fest wünscht. Aber wird Weihnachten gefeiert und merkt man überhaupt, dass bald Weihnachten ist? Im Folgenden beschreibe ich den Weg von mir in die Stadt oder besser gesagt auf die Haupteinkaufsstraße East Nanjing Road.
Los geht es in meiner Straße, der Aomen Lu (Lu = Straße). Hier hält sich das Weihnachtsgefühl noch zurück. Ein paar Geschäfte haben Tannenzweige oder Girlanden an den Türen, viele verkaufen Mandarinen und Orangen. Läuft man weiter in Richtung Metro kommt man auf die Changshou Road, eine größere Hauptstraße. Hier wird schon mehr geboten: Geschäfte sind weihnachtlich beleuchtet, überall leuchten Lichter und Weihnachtsmusik dröhnt am lautesten aus dem Starbucks. Ab geht es in die Metro. An der Haltestelle East Nanjing Road angekommen, wird man durch eine Shoppingmall nach draußen geleitet. Hier glitzert und leuchtet es überall. Nicht nur die Geschäfte haben ordentlich aufgetragen, auch in der Mitte der Halle befindet sich Weihnachtsschmuck, soweit das Auge reicht. Eine besonders verrückte Dekoration hat übrigens eine Mall im Jing’an District. Bereits außerhalb wird man von einem kleinen Weihnachtsmarkt empfangen, wo man allerdings nichts kaufen kann. Lediglich zur Dekorationen dienen die Häuschen und Lichter. Innen sind überall kleine, lebkuchenähnliche Häuschen aufgestellt, vor oder in welchen man Fotos schießen kann. Den Mittelpunkt bildet jedoch ein mehrere Meter hoher „Eisberg“, aus dessen Spitze Schnee in Form von Schaum katapultiert wird. Daneben steht ein mehrere Meter hoher Baum, welcher jedoch nicht mit Weihnachtskugeln, sondern mit rosa Schweinen geschmückt ist. Überhaupt scheint in China die Farbe rosa für Weihnachten reserviert zu sein. Um dieses ganze Spektakel herum fährt eine kleine Lok, auf welcher Kinder mitfahren können, wenn sie sich vorher bei den Weihnachtselfen einen Stempel abgeholt haben. Als Sahnehäubchen schmettert es „I’m driving home for Christmas“ aus den Lautsprechern.
Eine riesige Christbaumkugel steht hier mitten auf dem Platz. Menschenmassen kämpfen darum, einmal in den eingezäunten Bereich und somit direkt unter dieser Kugel stehen zu können, um ein Weihnachtsfoto zu schießen. Nicht nur Kinder, sondern hauptsächlich Erwachsene stehen Schlange für diese Gunst. Der nicht zu übersehene Banner „Pagoda“ scheint dabei die wenigsten zu stören. Besonders glücklich durften sich diejenigen schätzen, die in Fotoposition standen, während Bugs Bunny und seine Freunde in weihnachtlichen Outfits einmal aus der Mall heraus ins Freie scharwenzelten.
Besonders schrill geht es auch auf den kleinen Märkten zu. Hier wird man fast erschlagen von all dem Glitzer, dem Leuchten, dem Bewegen und Drehen von aufziehbaren Nikoläusen, den Weihnachtsliedern, die gegeneinander ankämpfen und letztendlich auch den Verkäufern, die ihren Stand am lautesten anpreisen möchten. Leider hält sich auch die Schönheit derartiger Figuren und der Plastiktannenbäume in Grenzen. Eine Kollegin fragte mich allerdings, wieso wir uns in Deutschland denn jedes Jahr einen echten Baum anschaffen. Insgesamt erweckt dieses ganze Spektakel bei mir dein Eindruck, als sei der Sinn von Weihnachten nicht nur verfehlt, sondern zu einem neuen, ganz eigenen Nutzen umgeändert. Das ist auf der einen Seite nicht verwunderlich, da Weihnachten in China nun einmal von den wenigsten Menschen gefeiert wird. Dennoch bin ich erstaunt darüber, wie trotzdem auch hier der Konsum in der Vorweihnachtszeit auf ein Maximum getrieben wird. Wie jeder versucht, durch ein noch clevereres Marketing Weihnachten irgendwie zu seinem Vorteil zu nutzen. Natürlich ist das in Deutschland und in anderen Ländern, in welchen Weihnachten gefeiert wird nicht anders. Aber das ist eben der Unterschied – in China sind die Feiertage eben eigentlich ganz normale Tage. Die fast aufgezwungene Weihnachtsstimmung erinnert einen nur daran, dass wir uns allmählich dem 24. Dezember nähern. Da hier normal weitergearbeitet wird, muss auch ich an allen drei Weihnachtstagen im Büro sein. Einige ausländische Firmen geben ihren Arbeitnehmern zwar frei, allerdings bezweifle ich, dass sich irgendjemand von ihnen einen knallpinken Weihnachtsbaum in die Wohnung stellt. Es ist mir deshalb schleierhaft, ob sich der ganze „Weihnachtszauber“ tatsächlich lohnt. Der Versuch, Weihnachten irgendwie auch hierzulande attraktiv zu machen und somit das Fest in gewisser Weise nachzuahmen ist – zumindest aus meiner Sicht – gescheitert. Dennoch haben diese extravaganten Tannenbäume, die viel zu kitschige Deko, das viele Blinken und Glitzern auch ihren eigenen Flair – nur ist der eben nicht weihnachtlich sondern typisch chinesisch!
Eine allerdings durchaus gelungene Sache sind meiner Meinung nach die Weihnachtsmärkte, welche überall in Shanghai verteilt sind. Die meisten von ihnen heißen „Christkindlmarkt“ und gleichen nicht nur im Namen den Märkten in Deutschland.
Ich muss zugeben, meine Erwartungen hielten sich in Grenzen. Nachdem ich mit Schweinen dekorierte Tannenbäume, rosafarbene Bäume und sich im Kreis drehende Nikoläuse gesehen hatte, war ich auf alles gefasst. Ich war bereit für eine noch kitschigere Version von Weihnachten und machte mich mehr des Glühweins wegen auf den Weg. Dort angekommen wurde ich von süßem Mandel- und Glühweingeruch empfangen. Überall tummelten sich Menschen, die meisten davon tatsächlich deutsch. Auch das Essen präsentiert die typisch deutsche Küche: Von Bratwurst mit Sauerkraut, Bretzeln, Fleischkäswecken, Spätzle und Apfelkuchen war alles mit dabei. Und tatsächlich ist auch der Glühwein kaum von dem in Deutschland zu unterscheiden. Letzteres ist aber wenig verwunderlich, da die meisten Verkäufer tatsächlich deutsch sprechen und somit auch ganz locker „ein Glühwein“ bestellt werden kann. Tatsächlich wusste ich bis zu diesem Moment gar nicht, dass so viele Deutsche in Shanghai leben. Im Hintergrund liefen abwechselnd die Weihnachtsklassiker wie „Last Christmas“ oder „All I want for Christmas“, aber auch Bob Marley und Herbert Grönemeyers „Mensch“ schallten um die Hütten. Ein deutsches Restaurant nebenan bediente die Gäste mit Pommes und Haxen.
Zum Heimatfeeling kam dann noch hinzu, dass ich tatsächlich zufällig auf einen Bekannten aus meiner Heimatstadt Tuttlingen (38.000 Einwohner!) traf. Die Welt ist klein… Die einzige Erinnerung, dass sich dieses Szenario eben nicht in Tuttlingen, Freiburg oder sonst irgendwo in Deutschland abspielt, sind wie so oft die rieseigen Wolkenkratzer, welche im Hintergrund in die Höhe ragen. Um auch ein wenig Weihnachtsstimmung in meine Klasse zu bringen, beschloss ich eine kleine Nikolausfeier mit ihr zu organisieren. Zuvor hatten meine Betreuerin und ich gemeinsam schon einen Adventskalender gebastelt. In diesen haben wir für jeden Tag eine Süßigkeit und eine kleine Aufgabe gesteckt, wie zum Beispiel „Mache heute einer Person aus der Klasse ein Kompliment“ oder „Sage deinen Eltern heute einmal Danke“. Damit auch jeder Schüler und jede Schülerin ein kleines Nikolausgeschenk bekommt, beschloss ich mit meiner Klasse zu wichteln. Wir zogen also alle ein Los mit Namen und besorgten bis zum 6. Dezember ein Geschenk. An Nikolaus bereitete ich dann noch ein paar Leckereien aus Deutschland vor, wie beispielsweise Zimtsterne oder Kekse. Natürlich aßen wir auch Nüsse, Mandarinen, Orangen und tranken Kinderpunsch. Der Höhepunkt war aber natürlich das Wichteln. Nachdem alle ihre Geschenke ausgebreitet hatten, kam jeder abwechselnd nach vorne und suchte sein Geschenk. Einer der wenigen Jungen in der Klasse schüttelte den weihnachtlich verpackten Karton mit seinem Namen drauf, bis ein Mädchen schrie, er solle das lassen. Aus Spaß fragte ich, ob der Inhalt des Kartons lebendig sei. Nun ja was soll ich sagen – es war so! In dem Karton befand sich ein kleiner Käfig mit einem noch viel kleineren Hamster darin. Ein Schüler hat tatsächlich ein Haustier geschenkt bekommen!!
Mal wieder wurde mir bewusst, dass in China ein anderer Maßstab von „normal“ herrscht. Was für mich selbstverständlich erschien („Wir verschenken keine Tiere!“), hätte zusätzlich erwähnt werden müssen. Aber wieder einmal hatte ich vergessen, dass ich mich in China befinde und hier gefühlt alles möglich ist.
Ich war nur froh, dass das kleine Tier nicht mein Wichtelgeschenk war. Aber der Beschenkte schien sich nach einem kurzen Schock mit seinem neuen Haustier arrangieren zu können und als ich mich ein wenig später mal wieder nach dem Hamster erkundigte, wurde mir ausgerichtet „He’s still alive!“ Auch die meisten anderen Schüler schienen sich über die Geschenke zu freuen. Danach ließen wir uns den Kinderpunsch schmecken, hörten ein paar Weihnachtsklassiker und aßen die Zimtsterne – letztendlich war es dann doch fast wie zuhause! An Weihnachten selbst werde ich mich mit ein paar anderen Stipendiatinnen treffen. Um doch ein bisschen Heimatsflair zu verbreiten, werden wir uns nachmittags ein Krippenspiel anschauen, welches von der deutschen Gemeinde gespielt wird. Um aber auch nicht zu vergessen, dass wir uns in China befinden, werden wir den Abend gemeinsam mit einem leckeren Hot Pot ausklingen lassen.