Blog #6
Goldene Erlebnisse während der Goldenen Woche

Die Woche vor dem 1. Oktober steht in China jedes Jahr ganz im Zeichen der Feierlichkeiten für den Nationalfeiertag. An besagtem Datum feiern die Chinesen die Gründung der Volksrepublik China und nennen die erste Woche im Oktober dem Anlass entsprechend die Goldene Woche. In diesem Jahr war es ein besonderer Geburtstag, denn die Volksrepublik wurde 70.

Dekoration ist alles!

Dass besondere Feierlichkeiten im Land stattfinden werden, konnte man schon eine Woche im Voraus erkennen, denn überall begannen Arbeiter*innen Dekorationen anzubringen. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass nahezu jeder Winkel des öffentlichen Lebens dekoriert wurde. Unzählige Straßenzüge wurden mit Blumen in rot und gelb bepflanzt, Verkehrsinseln wurden mit großen Aufbauten, die ebenso bepflanzt wurden, dekoriert und an den Laternen wurden tausende Fahnen angebracht. Die Dekorationswut machte selbst vor unserer Schule nicht Halt, denn auch in den Gängen und vor der Schule wurden Girlanden und Fahnen angebracht, um somit optimal auf den Feiertag vorbereitet zu sein.
Dass für einen solchen besonderen Geburtstag öffentliche Plätze geschmückt werden war nicht weiter verblüffend. Erstaunlich war vielmehr die schiere Fülle der Orte, die mit Dekorationen versehen wurden und auch die Tatsache, dass sich dieses Prozedere in jeder größeren Stadt abspielte. Letzteres konnte ich sehen, da ich zusammen mit anderen Stipendiat*innen während der Woche des Feiertags gereist bin.

  • Bahnhof Ningbo © Mario Hiemer

    Ob an Bahnhöfen, wie hier in Ningbo

  • Verkehrsinsel Fuzhou © Mario Hiemer

    auf Verkehrsinseln wie hier in Fuzhou

  • Grünanlage in Xiamen © Mario Hiemer

    oder in den Grünanlagen der Stadt, wie hier in Xiamen- alles ist festlich dekoriert

Alleine der Fakt, dass es den Leuten gelingt innerhalb kürzester Zeit eine solche Zahl an Plätzen, Straßen und Gebäuden in mehreren Städten zu dekorieren, beeindruckte mich jedesmal aufs Neue. Neben weniger aufwendigen Mitteln der Dekoration wie Laternen, Aufstellern, Girlanden und Fahnen, wurden wie eben bereits erwähnt, ganze Straßenzüge und mit roten und gelben Blumen neu bepflanzt. Auch die Fülle der großen Installationen auf den öffentlichen Plätzen zeigte, dass es sich bei den Vorbereitungen keineswegs um eine einfache Aufgabe handelte. Die großen Blumenarrangements waren sichtlich mit viel Aufwand erst ein paar Tage vor dem 1.Oktober gebaut worden, damit die Blumen und Pflanzen frisch bleiben.

Eine Reise in den Süden Chinas

Die Woche, welche auf den 1. Oktober folgt wird in China auch als die Goldene Woche bezeichnet und der überwiegende Teil der Bevölkerung hat während dieses Zeitraums frei. Wie ich hatten auch die meisten der anderen Stipendiat*innen in besagtem Zeitraum keine Schule. Allerdings war es an meiner Schule - wie auch an vielen anderen - so geregelt, dass die verlorenen Schultage von Montag bis Freitag an den folgenden Wochenenden an Samstagen und Sonntagen nachgeholt werden. Letzten Endes wird damit die komplette Goldene Woche wieder reingearbeitet, sodass keine Arbeitszeit verloren geht.
Zusammen mit Stipendiat*innen schmiedeten wir schon lange vor dem Nationalfeiertag Pläne für eine Reise in den Süden Chinas. Als ich meinen Kolleginnen von unserem Vorhaben erzählte, fragten diese mich mit Erstaunen: Ihr möchtet wirklich während der Goldenen Woche reisen? Habt ihr euch das auch gut überlegt? Beide Fragen waren dann gefolgt von einer sehr anschaulichen Beschreibung übervoller Züge und Straßen sowie ausgebuchten Hotels und Ähnlichem. Allen Warnungen zum Trotz beschlossen wir, es aber dennoch wagen zu wollen.

Fuzhou: zwischen Geschichte, Moderne und Bergen

Unsere erste Station war Fuzhou, die Hauptstadt der Fujian Provinz mit knapp 7,8 Millionen Einwohnern. ‚Fu‘ bedeutet auf Chinesisch so viel wie Glück, weshalb Fuzhou auch als die Stadt des Glückes gesehen wird. Mit diesem Wissen im Hinterkopf starteten wird unsere Reise während der Goldenen Woche. Bereits als der Zug den Bahnhof erreichte, konnte ich die Berge sehen, welche die Stadt beinahe gänzlich umgeben. Da Fuzhou in etwa auf der Höhe Taiwans liegt, sind die Vegetation und auch das Klima eher tropisch.

Da wir vom Stadtleben fürs Erste genug hatten, beschlossen wir bereits am ersten Tag Wandern zu gehen. Eigentlich waren wir auf der Suche nach dem Qi Berg, doch leider konnten wir den Weg nicht finden und landeten schließlich im Fuzhou National Forest Park. Selbiger umfasst ein riesiges Areal, das sich über mehrere Berge hinweg erstreckt. Durch Zufall entdeckten wir einen langen Wanderweg, der uns über die Berge entlang des Tals an den Beginn der alten Poststraße aus der Song Dynastie führen sollte. Beeindruckt von unserer Entdeckung machten wir uns sofort auf den Weg und wanderten den ganzen Tag und schließlich auch ein Stück der alten Poststraße. Entlang des Weges luden immer wieder Pavillons zu einer Rast ein und hier und da wuchsen auch Bananenstauden, die mir bisher nur aus Botanischen Gärten vertraut waren. Am Ende des Tages zeigte sich, dass wir durch Zufall eine richtig tolle Wanderroute entdeckt hatten.
Die einstige Poststraße ist heute ein toller Wanderweg © © Mario Hiemer Die einstige Poststraße ist heute ein toller Wanderweg © Mario Hiemer

Nach der langen Wanderung ging es zurück in die Stadt. Unweit unserer Unterkunft war das historische Viertel Three Lanes and Seven Alleys. Konkret handelt es sich dabei um ein großes Areal im Herzen Fuzhous, in dem vorwiegend historische Gebäude aus der Ming und Qing Dynastie bestaunt werden können. Es handelt sich dabei allerdings nicht um ein Freilichtmuseum, denn die Gebäude werden auch heute noch als Geschäfte, Teehäuser oder Theater genutzt.

Die originalen Häuser, von denen heute nahezu nichts mehr übrig ist, wurden während der Jin Dynastie in den Jahren 265 bis 316 erbaut. Heute sind viele Gassen natürlich restauriert oder rekonstruiert, jedoch lässt sich hier und da dennoch der alte Charme nachempfinden. Insgesamt gibt es auch 159 Gebäude zu sehen, die während der Ming und Qing Dynastie erbaut wurden. Dadurch, dass es viele enge Gassen und Straßen gibt, lassen sich auch Orte finden, an denen nur wenige oder keine Besucher*innen anzutreffen sind. Besonders reizvoll war unser Besuch auch, da während der Abendstunden die Gassen von den roten und gelben Laternen erleuchtet werden.

Am nächsten Tag begaben wir uns zum Gushan Berg, der auch als Drum Mountain bezeichnet wird und dessen Gipfel 925 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Der Name des Berges rührt daher, dass er eine sehr felsige Oberfläche hat und wenn es regnet hört es sich an, als würde jemand sanft die Trommel schlagen. Der Berg ist sehr zentral verortet, weshalb er ein beliebtes Ziel für Besucher*innen oder auch die Bewohner*innen Fuzhous ist. Um den Gipfel zu erreichen, kann einerseits ein gut ausgebauter Wanderweg genutzt werden oder auch die etwas in die Jahre gekommene Seilbahn, welche die Leute bequem vom Fuße des Berges direkt zum Berggipfel befördert. Wir entschieden uns dafür, mit der Seilbahn nach oben zu fahren und dann den Weg zurück zu Fuß zu gehen. Bei dieser Entscheidung berücksichtigten wir auch die Tatsache, dass sich auf dem Gipfel des Berges der Yongquan Tempel befindet. Selbiger ist eher als eine große Anlage mit kleineren und größeren Pagoden und Pavillons zu verstehen, die über Treppen und Wege miteinander verbunden sind. Um unsere Kräfte ein wenig zu schonen stiegen wir also in die Bahn und genossen die herrliche Aussicht auf Fuzhou.
Mit der Seilbahn ging es auf den Gipfel des Drum Mountain © © Mario Hiemer Mit der Seilbahn ging es auf den Gipfel des Drum Mountain © Mario Hiemer

Alles Gute zum Geburtstag China!

Schließlich war der große Tag dann gekommen: Der Nationalfeiertag der Volksrepublik China. Gleich nach dem Frühstück setzten wir uns vor den Laptop und schauten uns für eine Weile die Liveübertragung der großen Parade in Peking an. Natürlich wollten wir nicht den ganzen Tag im Hotel verbringen und beschlossen einen Spaziergang durch die Stadt zu unternehmen. Dem Anlass gemäß steuerten wir als Erstes den Wuyi Platz mit der über zehn Meter hohen Statue Mao Zedongs an. Hier hat China dem Mann ein Denkmal gesetzt, der vor 70 Jahren vom Tor des himmlischen Friedens aus die Volksrepublik China ausgerufen hat. Natürlich war auch der Wuyi Platz in ein Meer aus roten und gelben Blumen verwandelt worden. Zu unserer Überraschung mussten wir allerdings feststellen, dass die Straßen und Plätze nicht mit Menschen übersäht waren, sondern für chinesische Verhältnisse eher gähnende Leere herrschte. Vermutlich saßen die meisten Leute mit ihren Familien zu Hause vor dem Fernseher und schauten sich noch die Parade an.

Wir hingegen verbrachten unseren letzten Tag in Fuzhou sehr entspannt und besuchten noch den Tempel der weißen Pagode sowie diverse Einkaufszentren, die zu unserer Freude alle nahezu leer waren. Erst in den Abendstunden, als wir bereits auf dem Weg zur Unterkunft waren, füllten sich die Straßen und Plätze in Windeseile und alles war wieder wie gewohnt.

Xiamen: Inseln wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten

Zwei Stunden südlich von Fuzhou liegt die Stadt Xiamen mit knapp 3,5 Millionen Einwohnern. Der Name der Stadt bedeutet in etwa ‚Eingang des Hauses‘ und greift die wichtige Funktion Xiamens als Hafenstadt auf. Nachdem die Briten den ersten Opiumkrieg gewonnen hatten, wurde Xiamen, das damals noch Amoy hieß, zu einem der fünf Handelsdrehkreuze Chinas. Auch noch heute hat die Stadt den Status einer Sonderwirtschaftszone und ist durch die Lage an der südlichen Westküste ein wichtiger strategischer Handelspunkt für die Volksrepublik China.

Der Großteil der Stadt liegt eigentlich auf einer großen Insel. Da das Ballungszentrum aufgrund der strategisch günstigen Lage aber kontinuierlich wächst, erstreckt sich die Stadt längst über die Grenzen der Insel hinaus und die Bezirke dehnen sich bereits auf dem Festland aus.

Nach der Ankunft machten wir uns gleich auf in das hippe Hafenviertel Shapowei, das ein wenig an Hipsterviertel in deutschen Städten erinnert. Die alten Hafengebäude wurden hier zu Ateliers, Bars und Läden für Vintage Klamotten umfunktioniert. Die Boote, die heute im alten Hafenbecken liegen, dienen wie auch die Streetart als Blickfang für gute Fotos. Im Anschluss liefen wir die Uferpromenade Xiamens entlang und konnten erste Blicke auf die kleinere Insel werfen, die der Hauptinsel vorgelagert ist.
Am nächsten Tag machten wir uns schließlich auf den Weg, um mit der Fähre nach Gulangyu überzusetzen. Es war gut, dass wir die Tickets bereits eine Woche zuvor reserviert hatten, denn für die ganze Goldene Woche waren bereits alle Tickets ausgebucht. Auf der Insel sind Autos und Motorräder verboten, was vor allem in China eine magische Anziehungskraft für Besucher*innen hat. Gulangyu ist innerhalb weniger Minuten über Fähren zu erreichen und besticht vor allem durch die vielen Gebäude aus der Kolonialzeit. Die reiche Leute aus dem Ausland und vor allem die Briten errichteten im 19. Jahrhundert luxuriöse Villen und Anwesen auf der Insel, die heute zwar meist zu Verwaltungsgebäuden umfunktioniert wurden, aber immer noch zu sehen sind. Darüber hinaus finden sich auch viele christliche Kirchen auf der Insel, die vermutlich auch aus eben jener Zeit stammen. der Anblick von Kirchen ist im China von heute eher ungewohnt, da der Großteil der Bevölkerung atheistisch lebt und die Religion mit den meisten Anhänger*innen der Buddhismus ist.
Gulangyu überzeugt auch durch seine Traumstrände. © © Mario Hiemer Gulangyu überzeugt auch durch seine Traumstrände. © Mario Hiemer

Ein absolutes Muss für jede*n Tourist*in ist auch der Besuch der Koxinga Statue, die Teil des Haoyue Gartens ist. Koxinga war ein Armeeführer unter der Ming-Dynastie, der sich im 17. Jahrhundert der Eroberung Chinas durch die Qing widersetzte und sie an der Südostküste bekämpfte. Seine Armee drang bis nach Taiwan vor, weshalb in den darauffolgenden Jahren viele Menschen vom chinesischen Festland nach Taiwan übersiedelten. Da eben jene Menschen natürlich auch ihre Sprache mitnahmen, sprechen Leute in Taiwan heute noch Minnan. Diese Sprache ist ein Dialekt, der heute vor allem in der südlichen Region der Fujian Provinz gesprochen wird - und eben in Taiwan.

Der Tag nahm dann am Sunlight Rock sein Ende. Der Felsen ist die höchste Erhebung der Insel und bietet einen perfekten Blick auf das Meer und den Sonnenuntergang. Um zur Spitze zu gelangen bedarf es jedoch einem mehr oder weniger anstrengenden Aufstieg über mehrere Treppen. Um den Berg herum sind abermals viele Tempel und Schreine zu sehen, die noch von Gläubigen genutzt werden. Der Ausflug nach Gulangyu wurde dann bei einem gemeinsamen Essen in einem der lokalen Fischrestaurants beendet, bei dem die Spezialitäten Fujians gekostet werden konnten.

Die wunderbare Bergwelt Wuyishans

Der letzte Stopp und damit gleichzeitig auch der Abschluss der Goldenen Woche war die Bergwelt Wuyishans. Das Areal rund um den Wuyi Berg zählt sowohl zum Weltkulturerbe als auch zum Weltnaturerbe. Bereits am Eingang wartete die erste Überraschung, denn die kleinen Bahnen, welche die Besucher*innen zu den jeweiligen Startpunkten der Wanderrouten bringen, kommen aus einer mir sehr gut bekannten Stadt in Bayern.
Die kleinen Bahnen aus Bayern bringen die Besucher bequem zu den Startpunkten der Wanderrouten.
Die kleinen Bahnen aus Bayern bringen die Besucher bequem zu den Startpunkten der Wanderrouten. | © Mario Hiemer
Mit den bayerisch-chinesischen Lokomotiven ging es dann gleich zum Startpunkt für die Wanderung zum Gipfel des Tianyou, der Teil der Wuyi Gebirgskette ist. Wir wanderten den Weg bis zum Gipfel des Tianyou Berges, der gleichzeitig auch das geographische Zentrum des riesigen Naturschutzgebietes darstellt. Der Wanderweg trägt den vielversprechenden Namen Himmlischer-Gipfel-Pfad und wird diesem auch voll und ganz gerecht. Leider war das Klima an unserem Tag etwas zu trocken, weshalb sich keine Nebelwolken bildeten. Meist sind aber eben jene Wolken anzutreffen und vom Gipfel des Berges scheint es dann ganz so, als ob man im Himmel wandern würde. Wir hatten einen idealen Blick auf die umliegenden Berge und den neunfach gebogenen Strom des Jiuqu Flusses.
Der Grand Canyon Chinas ist in Wuyishan zu finden.
Der Grand Canyon Chinas ist in Wuyishan zu finden. | © Mario Hiemer
Ein weiterer Wanderweg führte zu der Attraktion mit dem wohlklingenden Namen: Eine Bedrohung des Himmels. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich nichts anderes als eine Höhle, an deren Decke durch einen winzigen Spalt das Sonnenlicht fällt. Stehen die Besucher*innen in der Höhle, so scheint es, als würden die hereinfallenden Sonnenstrahlen die intime Sphäre der Dunkelheit bedrohen.

Am folgenden Tag wanderten wir entlang der Bäche und Wege in der Talsohle und hatten einen guten Blick auf die riesigen Felsen. Zudem wuchs beinahe überall der berühmte Wuyi Tee, welcher in der Stadt verkauft und auch versendet wird. Die Gebäude Wuyishans beherbergen nahezu ausschließlich Lagerräume, in welchen eben jener Tee verpackt oder verkauft wird. Der Dahongpao Tee gehört zu den sogenannten Steinteesorten, da er vorwiegend in felsigen Gegenden wächst. In dieser Kategorie zählt er zu der wohl bekanntesten Teesorte seiner Art.
Eine Teeplantage mitten im Nirgendwo.
Eine Teeplantage mitten im Nirgendwo. | © Mario Hiemer
Unglaublich erschöpft von den letzten Tagen, aber auch sehr glücklich all die tollen Orte gesehen zu haben, nahm jeder von uns am folgenden Tag den Zug zurück zum jeweiligen Einsatzort. Nach all den Abenteuern war ich froh, dass ich schon bald wieder meine Kolleginnen sehen und die nächsten Themenblöcke mit meinen Schülerinnen und Schülern durcharbeiten konnte. Es war ein erstaunliches Gefühl, dass ich tatsächlich feststellen musste, dass mir das Unterrichten nach so vielen Tagen fehlte und ich mich richtig auf die Arbeit freute.

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