Blogeintrag 2
Grüne Oasen, Squat toilets und Stinketofu

Rasend schnell ist nun schon die zweite Woche rum. Ich hoffe, die drei Monate hier rauschen nicht genauso schnell vorbei. Bevor ich mich morgen für eine Woche nach Peking begebe (ermöglicht durch eine Verkettung glücklicher Umstände), folgt an dieser Stelle noch ein kleiner Rückblick auf die vergangene Woche. Letzten Sonntag habe ich mit Hui und ihrem Mann verbracht und dabei einen sehr interessanten Einblick in den Immobilienmarkt von Zhuzhou bekommen.

Neues Wohnen
 
Die beiden sind vor drei Monaten in eine große Wohnung im 22. Stock eines Neubaus gezogen. Die Wohnung liegt mitten in einem Neubaugebiet, ringsherum verteilen sich weitere Hochhäuser, zahlreiche sind im Entstehen. Nur Bewohner mit Karte haben Zugang zu der Anlage. Direkt nach dem Tor steht man in einer sehr gepflegten Gartenlandschaft, die sich um die Hochhäuser schlängelt (bei der mit Plastikblüten und Plastikeichhörnchen im Baum etwas nachgeholfen wurde) und zu der auch eine Wasserlandschaft gehört. Kleiner Nachteil des stehenden Gewässers: es stinkt im Sommer. Hui berichtet, dass Anwohner sich bereits beschwert hätten und die Verwaltung sich jetzt etwas ausdenkt, wie das Problem behoben werden kann. Die Anlage sieht fast unberührt aus, was daran liegen kann, dass sie das auch ist – hier wohnen erst wenige Menschen. Kaum die Hälfte der einzelnen Wohnblöcke sei bewohnt, sagt Hui. Abends gucken sie und ihr Mann immer, wo bereits Licht brennt. Das sei erst in wenigen Etagen der Fall. Nach einem sehr leckeren Feuertopf-Essen gehen wir trotz strömenden Regens zu einem recht großen See nicht weit von ihrer Wohnanlage mit ebenfalls top gepflegter Gartenlandschaft und Seeinsel. Hui erzählt, dass die Regierung den See gebaut und dann das umliegende Bauland an Wohnungsbaufirmen verkauft hat. Das steigere die Attraktivität enorm – und treibt dementsprechend den Preis nach oben. Um den See liegen drei Neubaugebiete, eines davon ihres, welche ebenfalls zunächst eigene kleine Gartenlandschaften angelegt haben. Das würde sehr viele Käufer anziehen. Nach einer Runde um den See besuchen wir noch eine Wohnungsverkaufsveranstaltung. Hui und ihr Mann nehmen teil, weil eine Freundin dafür eine Provision bekommt. Echtes Interesse haben sie natürlich nicht, da sie ja gerade erst in ihre Wohnung gezogen sind. In der Verkaufshalle ist das Neubaugebiet als Miniaturversion aufgebaut. Auch die zu erwerbenden Wohnungen sind als Modell zu bewundern. Ich schaue mir alle möglichen Wohnungsschnitte an, während Hui und ihr Mann dem Verkäufer zuhören. Dann geht es in ein Anschauungsobjekt. Die erste Etage eines Wohnblocks mit unterschiedlich großen Wohnungen, welche bereits voll möbliert sind, kann besichtigt werden. Der Rest des Gebäudes, sowie die Häuser drum herum, sind noch eher im Rohbau – nur die kleine Gartenanlage samt Pavillon und Springbrunnen ist schon fertig. Mit Überziehschuhen laufe ich durch die Wohnung und bin etwas neidisch auf die Badezimmer: westliche Toiletten und Duschen mit Duschkabine! Definitiv ein Kaufargument. Der Preis für so eine Wohnung liegt bei ca. 9.000 Yuan pro Quadratmeter, also ca. 1.160€. Für chinesische Mittelklasseeinkommen ein beachtlicher Preis. Immerhin ist Zhuzhou eine Kleinstadt.  

  • Neubaugebiet in Zhuzhou © Paula Keller

    Viele neue Wohnungen werden gebaut

  • Neubaugebiet als Miniatur auf einer Verkaufsveranstaltung © Paula Keller

    Neubaugebiet als Miniatur auf einer Verkaufsveranstaltung

  • Wohnungsschnitt als Modell © Paula Keller

    Wohnungsschnitt als Modell

„Altes“ Wohnen
 
Was meine Wohnung kostet, weiß ich nicht. Sie liegt in einem älteren Wohngebiet, ca. 10 Minuten zu Fuß von der Schule. Hui hat früher zwei Häuser weiter gewohnt. Von außen dominieren die graubraune Fassade und die vergitterten Fenster. Der Hausflur ist offen (das heißt es gibt keine Haustür) und „nackt“ – grauer Beton, je nach Etage mal mehr oder weniger „gepflegt“. Als ich meine Wohnungstür im fünften Stock vor zwei Wochen das erste Mal öffnete, war ich sehr überrascht: Die Wohnung ist groß (zwei Schlafzimmer), hell (dank Neonlicht) und renoviert. Das hätte ich nach dem Treppenhaus nicht vermutet. Wäre spannend, was sich hinter den anderen Haustüren versteckt. Gewöhnungsbedürftig sind nur das sehr harte Bett und die chinesische Toilette. Letztere fungiert auch als einziger Abfluss im Bad. Das Duschwasser läuft dort ab und vor dem Wäschewaschen lege ich den Schlauch der Waschmaschine hinein. Vor den Häusern dieser Wohnsiedlung stehen viele große Neuwagen (überhaupt scheint es hier nur Neuwagen zu geben). Sie passen nicht so richtig zur Optik dieser Häuser und Innenhöfe. Ebenso wie einige der Bewohner: Mit Schlips und Anzug fährt ein Nachbar im großem VW Geländewagen vor und verschwindet in einem der kahlen Hauseingänge. Vielleicht spart er noch auf die Neubauwohnung mit Gartenanlage.
  • Haus in Zhuzhou © Paula Keller

    Meine Wohnung im 5. Stock

  • Straße und Wohnhauser in Zhuzhou © Paula Keller

    Blick aus dem Küchenfenster

  • Hausflur © Paula Keller

    Der Hausflur

  • Bett © Paula Keller

    Hartes Bett (die Matratze hat auch noch einen harten Boden)

  • Bad und Squat Toilet © Paula Keller

    Bad und Squat Toilet

„Do you like cho doufu?“ - Essensabenteuer
 
Auch kulinarisch hatte die vergangene Woche einiges zu bieten. Auf das Essen hatte ich mich im Vorhinein sehr gefreut und wurde bisher nicht enttäuscht, auch wenn die Küche in Hunan superscharf ist. Neben den für westliche Gaumen eher bekannten Bratreis, Bratnudeln mit Ei oder Nudelsuppen, bin ich großer Fan von Dumplings und Dumplingsuppe (gibt es praktischerweise alles in einem Laden um die Ecke). Auch das erste Mal Feuertopf bei Hui, in den alles hineingeworfen wird, was gefällt, hat mir sehr gut geschmeckt. Ebenso scharfes Fleisch und Gemüse ist sehr lecker, wobei es Vegetarier hier eher schwer hätten. Zum einen lässt sich nicht immer identifizieren, was man genau isst, zum anderen versteckt sich auch in der Tofu- oder Gemüsebeilage manchmal ein Stück Fleisch. Was ich nicht so richtig teile, ist die Leidenschaft am Fleischknabbern. Fleisch wird in der Regel einfach grob gehackt, daher sind immer Knochen und Knorpel dabei. Man nimmt ein Stück in den Mund, knabbert dran herum und spuckt den Rest aus (auf den Tisch). So richtig viel Fleisch bekommt man so aber meist nicht ab. Aus einem ähnlichen Grund kann ich daher Entenhälsen und Schweinefüßen bisher auch nicht viel abgewinnen. Man knabbert ein bisschen daran herum, aber viel Essbares kann ich da nicht finden. Die Schweinefüße waren übrigens so scharf, dass auch Hui sie ein bisschen in der kleinen Wasserschale gewaschen hat, die sie für mich zum Waschen allzu scharfer Köstlichkeiten besorgt hatte. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist das herzhafte Frühstück (meistens Nudelsuppe oder Baozi), das ich jedoch häufig durch das in der Import-Abteilung internationaler Supermärkte erstandene Müsli ersetzte. Zudem gibt es hier manchmal „fiese Überraschungen“, insbesondere wenn Essen, das ich als salzig einschätze, plötzlich süßlich schmeckt (wie die Suppen in der Mensa), oder „Süßes“ plötzlich herzhaft ist. Da muss ich mich wohl noch weiter durchprobieren. Trotz riesengroßer Skepsis habe ich mich zudem an Stinketofu (cho doufu) herangetraut. Dies ist eine Delikatesse hier und mich hatten bereits einige Schüler nach meinem Urteil gefragt. Stinketofu trägt seinen Namen zu Recht und der ist gleichzeitig eigentlich noch zu harmlos. Es riecht wirklich scheußlich und verpestet ganze Straßenzüge. In der ersten Woche dachte ich, es wäre der Geruch von Abwasser oder altem Öl aus Werkstätten, der häufig plötzlich auftaucht, dessen Quelle aber meist nicht ganz auszumachen ist. Nach dem Unterricht am Dienstag ging es dann mit Hui zum Stinketofuladen um die Ecke. Zu meiner Überraschung roch es in dem Laden überhaupt nicht mehr so streng und auch geschmacklich erinnerte es nicht an den Geruch. Wobei es so scharf war, dass vermutlich jeder andere Geschmack überlagert wurde. Dabei hat Hui schon „mit wenig scharf“ bestellt.
  • Dumplingsuppe © Paula Keller

    Dumplingsuppe

  • Chinesisches Frühstück © Paula Keller

    Frühstück in der Schulmensa

  • Stinketofu © Paula Keller

    Stinketofu

Park-Hopping
 
Zum Schluss noch ein paar Eindrücke aus meinen zahlreichen Parkspaziergängen diese Woche. Ganze drei (und damit alle mir bekannten) Parks habe ich diese Woche dank Sonnenschein pur besucht. Ein „Highlight“: Entchenangeln auf Chinesisch – mit echten Fischen und Fische füttern mit Babyfläschchen. Außerdem bin ich selbst mal wieder Attraktion. In Zhuzhou gibt es einfach sehr wenig Ausländer, noch dazu keine so großen ;) Nachdem mich ein Mädchen bereits um ein Foto gebeten hatte, kaufte sie mir einen Jelly-Tea und machte dann heimlich weiter Bilder mit mir im Hintergrund, was ich irgendwann bemerkte und in die Kamera guckte. Die Fotos habe ich, nachdem wir fast schon obligatorisch WeChat-Kontakte ausgetauscht hatten, direkt angefordert.
  • Mädchen füttert Fische mit einer Babyflasche an einem Stock © Paula Keller

    Fische füttern

  • Paula und ein Mädchen auf einem Selfie © Paula Keller

    Im Hintergrund von fremden Selfies

  • Shennong Park © Paula Keller

    Shennong Park

  • Kirschblüte im Shennong Park © Paula Keller

    Kirschblüte im Shennong Park

  • Fernsehturm in Zhuzhou © Paula Keller

    Fernsehturm

  • Garten im Shifeng Park © Paula Keller

    Garten im Shifeng Park

  • Shifeng Park © Paula Keller

    Shifeng Park

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