Blogeintrag 7
Manchmal wundert man sich... Schräges aus China

Englische Namen

Die meisten Chinesen haben einen englischen Namen. Zwar finde ich die Vorstellung komisch, dass man sich einfach so einen neuen Namen gibt, bzw. einen „Zweitnamen“ hat, aber zugegebener Maßen vereinfacht es häufig die Sache, da ich mir die englischen Namen deutlich besser merken kann als die chinesischen (auch wenn ich die chinesischen eigentlich schöner finde). Die Namen an sich sind aber häufig etwas merkwürdig und muten zum Teil nicht ganz zeitgemäß an. Während viele recht geläufige Namen wie z.B. „Sarah“ kaum vorkommen, gibt es dafür Sandra, Sophia, Andrea, Bob oder Clark. Mein Name wurde schon des Öfteren in „Laura“ abgewandelt, ich weiß nicht genau, woran das liegt. Aber auch Namen a la „Skittles“ (Lehrerin bei Isabel) oder „Titty“ kommen vor, ebenso die Missachtung von geschlechtsspezifischen Namen. So stand auf den Namensschild eines Kellners neulich „Elizabeth“.

„Schirmwetter“
„Schirmwetter“ | © Paula Keller

SONNE

Es ist ja weitläufig bekannt, dass Asiaten gern die Sonne meiden, insbesondere die Frauen, denn hier gilt weiß sein als schön. Während ich mein Gesicht gern Richtung Sonne drehe, tragen die allermeisten Frauen hier Sorge, dass ihr Gesicht Sonnenstrahlen abbekommt. Daher sieht man bei strahlendem Sonnenschein viele Schirme. Die Regenschirme sind alle mit UV-Protektor ausgerüstet und damit Regen- und Sonnenschirm in einem. Ist mal kein Schirm zur Hand, wird sich irgendetwas Schattenspendendes vors Gesicht gehalten. Als ich mit Charlotte durch Changsha bummelte, hat sie zwar keinen Schirm, aber ständig Bedenken, braun zu werden. Das Kompliment „ich glaube, du hast Farbe bekommen" funktioniert hier genau andersherum: „ich finde, du hast keine Farbe bekommen". Die Hautfarbe ist auch ein Grund, warum Ausländer (besonders Deutsche) für so schön gehalten werden. Selbst mit gebräunter Haut ist man hier noch „so schön weiß".

PS

Bereits in meiner ersten Stunde fragte mich ein Schüler, ob der Himmel auf meinem Hamburgfoto „PS" gemacht sei. Ich hatte keine Ahnung was er meinte und Hui übersetze die Frage. Der Schüler wollte wissen, ob der Himmel mit Photoshop bearbeitet wurde. Das wird hier gerne gemacht, da der Himmel oft auch eher weiß ist. Auch bei Huis Hochzeitsshooting am Strand wurde der Himmel in einen Himmel mit Sonnenuntergang verwandelt, wie sie mir beim Blick ins Fotoalbum verrät. Auf ihrer ID Karte, die die Schüler*innen und Lehrer*innen hier neuerdings um den Hals tragen müssen, sieht Hui auch anders aus. „Make-up und PS", wie sie mir auf diese Feststellung mitteilt. Auch die diversen Fotofilter, die über fast alle Fotos gelegt werden, zaubern in der Regel eine helle und gleichmäßige Haut.

Seife? Fehlanzeige

Ein Hinweis darauf, dass es sowohl Seife als auch Klopapier irgendwann mal gab
Ein Hinweis darauf, dass es sowohl Seife als auch Klopapier irgendwann mal gab | © Paula Keller
Für mich nicht ganz nachvollziehbar ist die offensichtliche Abneigung gegen Seife. Auf öffentlichen Toiletten ist sie – ebenso wie Klopapier – eine absolute Seltenheit (auch in der Schule gibt es weder das eine noch das andere). Nur in westlichen Gastronomieketten oder in Bars und Cafés, die auf westliches Publikum abzielen, gibt es relativ zuverlässig Papier und Seife. Auch beim Putzen fehlt (meiner Beobachtung nach) häufig die Seife. Dabei scheint es hier eines der obersten Anliegen zu sein, alles aufgeräumt und sauber zu halten. Ständig wird der Boden gewischt, sowohl im Supermarkt, als auch im Zug, im Restaurant oder in der Schule (Aufgabe der Schüler*innen). Allerdings wird dabei der oft schon mitgenommen aussehende Mopp nur unters Wasser gehalten und der Dreck dann gleichmäßig verteilt. Scheinbar bin ich aber nicht die einzige, die so denkt, denn will man seine Tasche auf den Boden stellen, wird einem entsetzt ein Stuhl dafür angeboten, denn der Boden sei ja dreckig. Ebenso verhält es sich mit Tischen im Restaurant. Alle Essensreste werden samt Geschirr mit einem nassen Lappen in eine Plastikkiste gewischt, das war's. Deshalb ist es auch ein absolutes No-Go, Essen, das auf den Tisch gefallen ist, weiter zu essen. Warum man nicht einfach richtig sauber macht, wo man doch eigentlich schon immer am Putzen ist, wird mir ein kleines Rätsel bleiben.
Auch in der Mensa bringen einige Lehrer ihre eigene Schale oder Löffel mit und auch Hui äußert manchmal Bedenken, ob die Essenstabletts wirklich ganz sauber sind. Die Stäbchen sind aus Holz und meistens noch nass, wahrscheinlich werden sie einfach mit heißem Wasser gewaschen, wie die Tabletts. Selbst im Restaurant bekommt man – wenn nicht eh Einmalstäbchen angeboten werden – in der Regel eine Schale und heißes Wasser oder Tee gereicht, mit dem man erstmal Stäbchen und Teller wäscht.

Lautstärke

Zu Lautstärke haben Chinesen ein ganz anderes Verhältnis – ein deutlich entspannteres als ich (oder Deutsche allgemein würde ich behaupten). In fast allen Alltagssituationen gibt es eine permanente (laute) Geräuschkulisse, ob in der Schule, wo man sich beim Mittagessen eher anschreien muss, oder in der Stadt an sich. So wird ständig gehupt und das auch gerne mal langanhaltend und in Situationen, in denen Hupen so gar nichts bringt. Aus den Geschäften dröhnt häufig laute Musik, dazu bewerben Angestellte mit Mikrofon am Eingang die neusten Angebote und reden dabei gegen die Musik an. Mikrophone und Megaphone erfreuen sich ohnehin großer Beliebtheit sowohl bei Lehrern als auch bei Tourguides. Auch auf Bahn- oder Busfahrten wird sich gern über drei Sitzreihen hinweg unterhalten, laut telefoniert und Filme auf dem Handy ohne Kopfhörer geguckt. Umso erstaunter und geradezu irritiert waren Darja und ich, als uns eine Chinesin im Zug zum Leiser sein aufforderte. Dabei hatten wir uns nur ganz normal unterhalten!
 

Heimlich Fotos machen

Da ich mitten in meiner letzten Woche stecke, habe ich mir vorgenommen, noch mehr den Alltag zu fotografieren – und zwar chinesisch. Also ohne Rücksicht auf Verluste. Ich wurde zwar auch oft nach Fotos gefragt, aber noch viel häufiger wurde ich einfach fotografiert. Manchmal heimlich und versteckt, manchmal wird einem praktisch das Handy vors Gesicht gehalten. Im Unterricht wurde ich erst einmal fotografiert, Dennis und Sevy haben aber beide schon berichtet, dass es bei ihnen häufiger vorkommt. Hui hat mir einmal gesagt, dass man von allem was man mag ein Foto machen kann, auch ohne zu fragen. Das werde ich jetzt auch versuchen, obwohl ich schon Hemmungen habe, Leute direkt „abzuschießen", aber wenn es hier nicht als unfreundlich gilt, versuche ich diese Hemmung abzulegen. Angucken tun mich sowieso schon alle, ob ich dann noch die Kamera draufhalte, macht dann eigentlich auch keinen Unterschied mehr.

„Druck rauslassen“ – Rauchen und Betelnuss

An jedem Kiosk zu finden: Betelnuss und Zigaretten
An jedem Kiosk zu finden: Betelnuss und Zigaretten | © Paula Keller
Verwundert war ich auch darüber, wie viel hier geraucht wird (und das auch in geschlossenen Räumen). Zwar ist das hauptsächlich ein männliches Phänomen, ganz vereinzelt sieht man aber auch Frauen rauchen oder Betelnuss kauen. Letzteres erfreut sich ebenfalls riesiger Beliebtheit unter Männern, Taxifahrer kauen und rauchen meist abwechselnd. Als ich es bei einem gemeinsamen Abendessen mit Huis Mann ansprach, meinte er, dass viele Männer sehr viel arbeiten und Stress haben und es zum „Druck rauslassen“ wichtig sei. Obwohl Hui auch kein Fan des Rauchens ist, erklärte sie, dass es hier unter Männern auch eher unhöflich ist, eine Zigarette abzulehnen. Als wir zwei Tage im You County unterrichtet haben, merkte Alec bereits nach einem Tag an, dass er hier unglaublich viele Zigaretten rauchen würde. Tatsächlich wurde ihm von fast jedem Mann den wir trafen eine Zigarette angeboten, die er auch immer annahm. Nicht die gesündeste Form, soziale Kontakte zu pflegen.

Mode

Die Mode ist hier eine Sache für sich. Generell gilt: superkurze Röcke und Hosen sind kein Problem, Schultern oder ansatzweise Dekolleté gehen gar nicht. Zunächst dachte ich, dass das Top-Verbot nur für die Schule gilt, aber nachdem ich mich einen Nachmittag mal mit Top rausgewagt habe und noch mehr angestarrt wurde als ohnehin schon, merkte ich, dass das auch im Alltag gilt. Wenn ein Kleid Spaghettiträger hat, wird ein T-Shirt daruntergezogen. Gleichzeitig laufen auch Lehrerinnen in knappen Röcken und Hosen rum, was aber nicht stört. Es guckt hier wirklich niemand kurzen Röcken hinterher. Ebenfalls total angesagt im Lehrerzimmer sind knöchellange Blumenkleider. Wobei hier ein Stil manchmal gar nicht auszumachen ist. Den einen Tag werden Rüschen und Blümchen getragen, den nächsten Fransenjeans und Turnschuhe. Äußerst fragwürdig finde ich die Pyjama-Kreationen, die man manchmal auf der Straße trifft, sowie Klamotten mit englischen Sprüchen oder Wörtern, die überhaupt keinen Sinn ergeben. (Kleiner Mode-Eindruck auch im Video)

Immer schön flexibel bleiben II (und auf Abruf stehen)

Ich hatte es in meinem dritten Blogeintrag schon mal aufgegriffen, aber es muss hier auch nochmal Platz finden. Um es positiv auszudrücken (und es ist sicherlich eine Stärke): Die Chinesen sind sehr spontan. Das kann allerdings anstrengend werden für Menschen mit einem Faible für Planung. Dank Hui bin ich immer sehr gut informiert, selbst wenn sie die Information erst kurzfristig erreicht, leitet sie alles gleich an mich weiter. Damit ist sie aber eine große Ausnahme. Ob Tag der offenen Tür (eine Woche vorher kommuniziert und noch dazu mitten am Feiertagswochenende) oder Unterrichtseinsatz im You County (zwei Tage vor Abreise ins You County mitgeteilt): es wird davon ausgegangen, dass man kann und verfügbar ist. Es kommt aber zu Problemen, wenn man (wie ich) mit Blick auf ein verlängertes Wochenende Reisepläne schmiedet, Tickets kauft und dann schlicht nicht verfügbar ist. Im Hinblick auf einen möglichen Showunterricht für neue Schüler an einem Samstag (der letztendlich nicht stattfand), riet mir Hui nach meiner Reiserei daher, lieber mal ein Wochenende in Zhuzhou zu bleiben. Auch andere Informationen wie Unterrichtsverschiebungen an Feiertagen, Stundentausch oder Ausfall, Wochenendunterricht oder Prüfungstermine erreichen insbesondere die anderen ausländischen Lehrer*innen immer reichlich spät (alle beneiden mich um meine „Quelle“ Hui). Und wenn es Infos gibt, dann meistens spärlich. Ich wurde zum Barbecue von Klasse 75 eingeladen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Das ganze entpuppte sich dann als ganztägiges Event mit Besuch eines historischen Hauses am Rande von Zhuzhou, Tempelbesuch, Wanderung und dem angekündigten Barbecue (was alles sehr schön war). Die beste Strategie ist hier, sich hier einfach treiben zu lassen und abzuwarten, was so kommt (auch die Lehrer stehen hier auf Abruf. Sie haben tagsüber Anwesenheitspflicht und warten auf „Updates“). Dass es auch mal schief geht, wenn sich vorzeitige Planung und flexible Planung in die Quere kommen, sollte man aber auch einplanen.

Irritierende Gewohnheiten

  • Schnell nochmal rasieren am Gate © Paula Keller

    Schnell nochmal rasieren am Gate

  • Einfach mal schnell über den Mülleimer halten © Paula Keller

    Einfach mal schnell über den Mülleimer halten

Dass beim Essen geschlürft und geschmatzt wird, entspricht ja mehr oder weniger dem Klischee und ist in aller Regel zutreffend. Auch dass viele Leute regelmäßig auf die Straße rotzen, hatte ich bereits vorher erlebt und überraschte mich daher nicht so sehr. Andere Gewohnheiten dagegen schon, wie Niesen und Husten ohne sich die Hand vor den Mund zu halten oder sich wegzudrehen, Fingernägel schneiden im Bus, Rasieren am Flughafengate, rülpsende Schüler*innen im Unterricht und Kinder, die auf die Straße urinieren. Sevy hat eine ganze Kollektion an Fotos von Kindern die auf die Straße pinkeln oder von Eltern oder Großeltern über Mülltonnen oder Waschbecken gehalten werden. Oftmals tragen die Kinder Klamotten mit Schlitz, so muss man nicht mal die Hose runterziehen.

Verpackungswahn

To-Go Becher in To-Go-Tüte
To-Go Becher in To-Go-Tüte | © Paula Keller
Ebenfalls ein bekanntes Phänomen, welches trotzdem nicht vernachlässigt werden soll in diesem Blogeintrag: Der Verpackungswahn. Hier ist wirklich alles in Plastik eingepackt – häufig mehrfach. In der Kekspackung ist jeder Keks nochmal extra eingepackt, überall bekommt man Plastiktüten (jeder Snack an den vielen Straßenständen wird in einer Plastiktüte verkauft), selbst der ohnehin verwerfliche To-Go-Kaffeebecker bekommt eine Plastiktüte. Noch dazu habe ich einen relativ hohen Verbrauch an Plastikflaschen, da man das Leitungswasser nicht trinken kann, ich aber auch keinen großen Wassercontainer in meine Wohnung bugsiert bekomme. Der Kampf gegen Plastikmüll wird auf jeden Fall ein langer...
 

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