Blog #2
Warum ausgerechnet Pakistan?
Nach zwei Flügen und insgesamt elf Stunden flog ich von Frankfurt über Doha in den Allama Iqbal Flughafen in Lahore ein. „Warum eigentlich ausgerechnet Pakistan?“ wurde ich mehrmals gefragt, sobald ich jemandem von meiner anstehenden Auslandsreise erzählte. Dabei trafen mich erschrockene und bemitleidende Blicke und weitere Fragen voller Sorge. Warum ich in ein Land reise, das kaum bekannt ist und mit negativen Schlagzeilen wie Korruption, Terrorismus und politischer Dysfunktionalität assoziiert wird?
Die Antwort war für mich persönlich klar: Pakistan ist meine Heimat, weswegen ich ohnehin einen direkten persönlichen Bezug zu dem Land habe. Es ist ein Land der Vielfalt von Kultur, Sprache, Religion und Küche. Nach der Gründung des Landes im Jahre 1947 aus den mehrheitlich muslimischen Teilen Britisch-Indiens wurde Pakistan 1956 zur ersten Islamischen Republik der Welt. Aktuell leben ca. 200 Millionen Menschen auf einer Fläche, die doppelt so groß wie Deutschland ist. Es werden mehr als 50 verschiedene Sprachen im Land gesprochen, wobei Urdu die Nationalsprache ist. Als Amtssprache dient außerdem Englisch, welche vor allem als Geschäfts- und Bildungssprache genutzt wird und einen, wie es die Einheimischen nennen, colonial hangover darstellt.
Im Norden und Nordwesten liegen die Gebirgsregionen, die von dem majestätischen Gebirge des Karakorum gekennzeichnet sind und sich bis in den Himalaya erstrecken. Im Karakorum finden sich vier Berge mit einer Höhe von über 8000 Meter, unter anderem der K2, der Bergsteiger aus aller Welt anlockt. Hinter den Bergen finden fruchtbare Tiefländer des Punjabs ihren Platz, bis sie schließlich in das trockene und heiße Terrain der Wüsten Belutschistans übergehen. Im Süden grenzt Pakistan an den Indischen Ozean.
Sobald ich aus dem Flieger stieg, schlug mir ein heißer Luftstrom entgegen, es waren 39° Celsius gegen 11 Uhr. Lahore ist nach Karachi die zweitgrößte Stadt Pakistans und zusätzlich die historische Hauptstadt der pakistanischen Provinz Punjab. Die Provinz Punjab hat ihren Namen aufgrund der fünf Flüsse (panj ab), die durch sie fließen, erhalten – Beas, Jhelum, Ravi, Setluj und Chenab.
Von dem Fluss Chenab handelt eine von den vier populären tragischen Romanzen des Punjabs – die Liebesgeschichte von Sohni und Mahiwal. Sohni schwamm jede Nacht mit einem Tongefäß über den Fluss, um sich über Wasser zu halten und auf der anderen Seite ihren Geliebten Mahiwal zu treffen. Eines Tages ersetzte ihre Schwägerin aus Eifersucht das Tongefäß durch ein Gefäß aus noch ungebranntem Ton, welches sich in Wasser auflöste. Sohni ertrank in den wirbelnden Wellen des Flusses. Diese tragische Liebesgeschichte wird noch heute in vielen Gedichten und Volksliedern erzählt.
Mein erster Halt auf dem Weg zu meiner Familie war an einem Obststand. Ich hatte die berühmten pakistanischen Mangos ins Auge gefasst und wollte die Gelegenheit nutzen, gleich eine zu verzehren. Obst wird in Pakistan häufig am Straßenrand verkauft. Die Kleinhändler kaufen täglich frisches Obst vom Großmarkt, laden es auf ihre Schubkarren und verkaufen es dann an den viel befahrenen Straßen der pakistanischen Innenstädte. Vorbeifahrende Autos, Motorräder und Rikschas halten an, um das Obst zu kaufen.
An einer Hauptstraße, die zuvor von einer grauen tristen Mauer umgeben war, fielen mir die bunten Bilder auf, die ich bei meinen bisherigen Besuchen noch nicht gesehen hatte. Mein Uber-Driver erklärte mir auf Nachfrage, dass die Stadt 2018 ein Kunstprojekt gestartet hatte, um dem sogenannten wall chalking entgegenzuwirken. Die zuvor mit Werbeplakaten beklebten und mit Werbesprüchen beschriebenen Wände wurden von den Studentinnen und Studenten der University of Punjab zu farbenfrohen Bildern umgestaltet, die die Kultur und Tradition von Pakistan verbildlichen sollen. Sie prägen das Stadtbild positiv und sind mittlerweile selbst Teil der Kultur dieser lebendigen Großstadt im Herzen Pakistans geworden.