Blog #10
Stockholm Teil 2: Low Budget (und wo es sich lohnt, die Taschen zu öffnen)

Vor einigen Wochen hatte das Goethe-Institut Stockholm alle SCHULWÄRTS!-Stipendiat*innen zu einem Seminartag eingeladen (siehe Blog #6). Die Stadt hat mich damals sehr begeistert und mein Kumpel Clemens, der mich in der letzten Woche besuchen kam, wollte genau diese Begeisterung teilen. So haben wir schon einige Wochen im Vorfeld unseren Trip organisiert und konnten daher für jeweils UNGLAUBLICHE 32 Euro (Hin- und Rückfahrt) mit SJ (dem schwedischen ICE) nach Stockholm reisen. Eine Fahrt zwischen Malmö und Stockholm dauert in etwa 5 Stunden und man legt einen Weg von über 600 km zurück. Vergleichbar wäre also eine Strecke zwischen Hamburg und München für 15 Euro. Ich glaube, SJ wollte uns damit ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk machen...
 
Aufgrund der relativ hohen Lebenshaltungskosten in Schweden ist das Portemonnaie als SCHULWÄRTS!-Stipendiat nicht immer prall gefüllt, was nicht bedeutet, dass man nicht auch so ein ereignisreiches Wochenende in Stockholm verleben kann. Es folgen hier also einige  Ausführungen darüber, wie man Stockholm effektiv, günstig, mobil und immer satt entdeckt.
 
Schlafen? Hostel!
 
Auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft sind wir rasch auf das Hostel Dalagatan gestoßen. Es befindet sich nur zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt und für jede Nacht werden pro Person lediglich 20 Euro fällig. Natürlich bekommt man dafür keinen maximalen Komfort, aber wer bereit ist, auf seine Komfortzone für einige Nächte zu verzichten, wird auch in einem 10 Quadratmeter-Zimmer mit drei Doppelstockbetten irgendwann Schlaf finden – vor allem nach langen Tagen voller interessanter Erlebnisse.

  • Unser Schlafgemach für zwei Nächte © Stefan Zielasko

    Unser Schlafgemach für zwei Nächte

  • Unser Schlafgemach für zwei Nächte © Stefan Zielasko

    Unser Schlafgemach für zwei Nächte

Mobilität? 24 h Metroticket!
 
Wie auch in Malmö ist der ÖPNV in Stockholm hervorragend ausgebaut. Für den dann doch stolzen Preis von circa 12 Euro (Stockholm ist nochmal wesentlich teurer als Malmö) kann man 24 Stunden Bus und Bahn nutzen. Da selbst eine einmalige Fahrt mit 60-minütiger Gültigkeit für etwa 4 Euro zu haben ist, lohnt sich das 24 Stunden Ticket also bereits nach drei Fahrten.
Für mich ist der beste Weg eine Stadt zu erkunden aber immer das Rad, mit dem man maximal unabhängig und ungebunden ist. Dafür ist es Anfang Dezember aber zu kalt und wir haben den Wert des Metrotickets in jedem Fall genutzt.
 
Kultur? Kostenlose Museen und der Riksdag!
 
Zahlreiche staatliche Kultureinrichtungen gewähren in allen Teilen Schwedens freien Eintritt. Im Vorfeld hatten wir bereits recherchiert und uns für Sonntag 13.30 Uhr die kostenlose englische Führung durch den Riksdag, das schwedische Parlament, fest vorgenommen. Es empfiehlt sich, mindestens 30 Minuten vor Beginn der Führung am Riksdag zu sein, da die Zahl der Teilnehmenden auf 28 beschränkt ist und selbst im Winter hohe Nachfrage besteht. Erik, ein Mitarbeiter der Verwaltung, hat uns anschließend 80 Minuten lang mit den Begebenheiten und der politischen Situation des schwedischen Parlaments vertraut gemacht. Definitiv empfehlenswert!
 
  • Der Plenarsaal des Riksdag © Stefan Zielasko

    Der Plenarsaal des Riksdag

  • Miniatur des kompletten Gebäudes © Stefan Zielasko

    Miniatur des kompletten Gebäudes

  • Abstimmungssaal der Komitees (= Ausschüsse) © Stefan Zielasko

    Abstimmungssaal der Komitees (= Ausschüsse)

Im Anschluss besuchten wir das Historiska Museet, das Nationalmuseum zur schwedischen Geschichte, das ebenfalls kostenlos besucht werden kann. Ein anderer Erik, nämlich mein Geschichtskollege am Idrottsgymnasium, hatte im Vorfeld den Besuch wärmstens empfohlen. Musste er aber gar nicht, als Geschichtslehrer wäre ich sowieso hingegangen ;). Das Museum hat neben einem Münzkabinett, das interessanterweise Handelsbeziehungen zwischen den nordischen Völkern und dem asiatischen Raum bereits vor einigen tausend Jahren belegt, zwei temporäre Ausstellungen sowie eine Dauerausstellung zur schwedischen Geschichte zu bieten. Letztere ist chronologisch aufgebaut und man folgt einem Zeitstrahl, der die gesellschaftlichen Entwicklungen Schwedens kontextualisiert und auch den Blick auf internationale Beziehungen nicht vernachlässigt. Die Ausstellung hat bestätigt, dass Schweden gesamtgesellschaftlich schon immer progressiv gedacht hat und manch anderen Staaten in ihrer Entwicklung einige Jahrzehnte ist. So plädierten schwedische Sozialdemokrat*innen bereits in den 1930er Jahren für eine Demilitarisierung und einen Stopp der Rüstungsproduktion. Wie vielleicht bekannt ist, beteiligte sich Schweden nicht an den Gräueln des Zweiten Weltkriegs und war allgemein seit mehr als 200 Jahren in keinen Krieg mehr involviert. Bildung und Sightseeing können also im Historiska Museet wunderbar verknüpft werden – und das auch noch kostenlos.
 
  • Historiska Museet © Stefan Zielasko

  • Historiska Museet © Stefan Zielasko

    Die mittelalterliche Gesellschaft an einem Schachbrett erklärt. Merke ich mir für den Geschichtsunterricht!

  • Historiska Museet © Stefan Zielasko

    Der Zeitstrahl wird immer von Zitaten unterbrochen, die (nicht nur) im historischen Moment gewaltige Aussagekraft hatten.

Geld intelligent ausgeben? Fotografiska und Vasamuseet!
 
Ganz ohne Ausgaben kommt man trotz aller Mühen aber leider nicht aus. In unserer Planung hatten wir uns für die Fotografiska, eine Fotoausstellung, sowie das Vasamuseet, ein Schiffsmuseum (klingt langweilig, ist es aber nicht), entschieden. Die Fotografiska bot sich vor allem wegen ihrer langen Öffnungszeiten bis 23 Uhr an. Da das Licht in dieser Jahreszeit in Schweden zwischen 15 und 16 Uhr ausgeht, versuchten wir so viel wie möglich bei Tageslicht zu sehen. Nach einem entspannten Abendessen konnten wir den Tag in der Fotografiska im Anschluss entspannt ausklingen lassen. Verschiedene Fotokünstler zeigen hier temporär ihre Ausstellungen. Momentan sind etwa die Gruppenausstellung Nordic Life, die authentische Szenen der Menschen in Skandinavien und Island einfängt, sowie Erik Johanssons Places Beyond zu entdecken.
Ich bin mitnichten ein Experte für Fotografie, denke aber behaupten zu können, dass der Besuch der Fotografiska seinen Eintritt (12 Euro) in jedem Fall wert ist! Folgend einige Impressionen:
 
  • Erik Johansson – Boy of Hope © Stefan Zielasko

    Erik Johansson – Boy of Hope

  • Erik Johansson – The Lightkeeper © Stefan Zielasko

    Erik Johansson – The Lightkeeper

  • Erik Johansson – Comfort Zone © Stefan Zielasko

    Erik Johansson – Comfort Zone

  • Fotografiska © Stefan Zielasko

    Fotograf und Titel unbekannt

Bevor wir am Montag zurück nach Malmö aufbrachen, besuchten wir abschließend das Vasamuseet. Nein, man sieht hier kein langweiliges Museum mit Schaukästen und Seemannskleidung, sondern ein Schiff. Nein, nicht irgendein Schiff, sondern ein fast 400 Jahre altes Schiff, das 300 Jahre auf dem Meeresboden lag; das zu 98% original erhalten ist; und dessen Jungfernfahrt ganze 1.3 km andauerte, bevor es sank. Einmalig in der Welt!
 
Die Vasa sollte zu den stärksten Kriegsschiffen des 17. Jahrhunderts gehören und die schwedische Dominanz in Nordosteuropa stärken. Dieser Wunsch sollte jedoch leider eine Illusion bleiben, denn als die Vasa nach Fertigstellung den Hafen Stockholms verließ, führten schwere Konstruktionsfehler zur Katastrophe nach nur einem Kilometer Fahrt. Aus schwedischer Sicht ist die Titanic also ein voller Erfolg. Bis der Meeresarchäologe Anders Franzen 1959 die Vasa aufspürte, sollten mehr als 300 Jahre vergehen. Umso überraschender war das Erscheinungsbild: die Vasa präsentierte sich natürlich von Schlamm überzogen, die unzähligen Ornamente, der Schiffsrumpf und selbst ein großer Teil der Segel hat den Jahrhunderte andauernden Tauchgang aber sensationell verkraftet, was ihrer Lage im sogenannten Brackwasser mit einem Salzgehalt von lediglich 0,1 bis 1 % zu verdanken ist. Vor der Jahrtausendwende konnte die Vasa der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und beeindruckt mit 69 Metern Länge, 12 Metern Breite und 52 Metern Höhe. Vermutlich können die nachfolgenden Bilder diese Maße gar nicht einfangen. Es ist wirklich imponierend, wenn man vor ihr steht und bedenkt, dass 98% dieses Kunstwerkes original erhalten ist. Kunstwerk auch, weil über das ganze Schiff verteilt Skulpturen, Ornamente, Gemälde und Symbole angebracht sind, die zur Legitimation der schwedischen Hegemonialstellung dienen sollten. Die 15 Euro Eintritt sind auch hier gut investiertes Geld. Seht selbst:
 
  • Vasa © Stefan Zielasko

  • Vasa © Stefan Zielasko

  • Vasa © Stefan Zielasko

  • Vasa © Stefan Zielasko

  • Vasa © Stefan Zielasko

Essen? Ko Phangan (nicht so billig) und MAX (billig)
 
Neben kleineren Fika-Pausen erspielten sich zwei Lokale einige Bonuspunkte. Nummer 1 ist das Ko Phangan, ein asiatisches Restaurant, das bereits zahlreiche Preise in Stockholm abgeräumt hat. Ganz unscheinbar sieht man von außen nur die dazugehörige Bar, bevor man nach hinten in den Restaurantbereich geführt wird. Hier wird man von bunten Farben und asiatischen Lichterketten förmlich erschlagen. Die Stromrechnung für die Masse an Lampen möchte ich jedenfalls nicht bekommen. Authentischer asiatisch essen kann man denke ich in Stockholm nicht, es ist sogar ein Tuk Tuk als Esstisch ausgebaut. Ein Hauptgericht bekommt man für 15-20 Euro, die Atmosphäre gibt’s aber obendrauf. Reservierungen sind für das Ko Phangan zu empfehlen, sonst kann man unter Umständen in eine lange Warteschlange geraten.
 
  • Ko Phangan © Stefan Zielasko

  • Ko Phangan © Stefan Zielasko

Falls es schnell gehen muss, ist die schwedische Fastfoodkette MAX einen Besuch wert. Ein Menü mit einem Burger (die ALLE in Veggievariante verfügbar sind, yes!), Kartoffelspalten (oder Pommes, oder Zwiebelringen oder einem Apfel) und einem Getränk kann man für 9 Euro erwerben. Preis-Leistung bekommt man in Stockholm nur schwerlich besser. Sogar bei Fastfood zeigt sich Schweden innovativ: bestellt wird über ein Tablet, das am Ende des Bestellvorgangs einen Zettel ausspuckt, mit dem man nur wenige Minuten später sein Menü an der Theke abholen kann.
 
Alles in allem präsentierte sich Stockholm wieder einmal von der Schokoladenseite. Ich hätte eigentlich gleich da bleiben können, denn in drei Tagen fahre ich schon wieder nach Stockholm, um am Jahresabschluss des Goethe-Instituts teilzunehmen. Die fünf Stunden Zugfahrt (und die freien Tage ohne Unterrichtsvorbereitung ;) ) nehme ich gern in Kauf.

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