Ministerstwo kawy. Ich hoffe, das kleine bisschen (logischerweise unbezahlte) Werbung sei mir gestattet. Mein mittlerweile liebstes Warschauer Café respektive dessen Name ist einfach ein viel zu gutes Bild für das Gefühl, das ich in dieser Woche beschreiben möchte.
Ich sprach ja in KW 46 bereits von den jüngsten Beispielen, durch Demonstrationen zum Ausdruck gebrachter, politischer Gegensätze, die sich hier in Warschau finden lassen. Dies ist aber gewiss ein Stück weit natürlich für eine Großstadt. Aufgrund weiterer Aspekte habe ich mich jedoch insgesamt noch nie so sehr von Gegensätzen umgeben gefühlt, wie hier.
So erlebe ich immer wieder ein Aufeinandertreffen verschiedener kultureller Phänomene. Dies zeigt sich in der Fürsorge für alte Menschen, etwa durch eine exklusive Einkaufszeit für selbige aufgrund der Pandemie, auf der einen Seite und einer Vielzahl kultureller Angebote für junge Menschen auf der anderen.
Es zeigt sich auch durch die vielen Obst- und Gemüsestände, die oft völlig überraschend an einer Straßenecke auftauchen und die großen Shoppingzentren in ehemaligen Markt- und Fabrikgebäuden, wie die Hala Koszyki und das Praga Koneser Center.
Es zeigt sich auch an einem breit ausgebauten ÖPNV mit Straßenbahnen, (Elektro-)Bussen und U-Bahnen und gleichzeitig mehrspurigen Straßen, die mitten in der Stadt das Gefühl vermitteln, man schlendere gerade an einer Autobahn entlang.
Es zeigt sich m.E. jedoch am deutlichsten an der Architektur. Die Koexistenz von Plattenbauten in den äußeren Stadtteilen, der wiederaufgebauten Altstadt, den vielen Palästen, den sozialistischen Bauten der ehemaligen Sowjetunion und den hochmodernen Hochhäusern ist wahrlich beeindruckend.
Noch getoppt wird dies nun jedoch dadurch, dass gerade die junge Szene bewusst mit diesen Gegensätzen zu spielen scheint. Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist eben das „Kaffeeministerium“. Dieses befindet sich ironischerweise in direkter Nachbarschaft mit den imposanten Gebäuden des Außenministeriums und des Kanzleramts. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang aber ebenfalls diverse Streetarts und Kulturstätten in Altbauten, die mir besonders in Praga aufgefallen sind.
Ich bin jedenfalls weiterhin sehr dankbar, ein temporärer Teil dieses Schmelztiegels der Gegensätze sein zu dürfen. So langsam setzt auch schon ein bisschen Torschlusspanik ein, weil ich immer noch jedes Mal etwas Neues, Spannendes vor die Augen bekomme, wenn ich das Haus verlasse, ich jedoch nur noch drei Wochen hier bin. Aber das ist wohl ein Luxusproblem.