Blog #6
Baku – ein Erlebnisbericht
Montags unterrichtete ich noch ganz regulär an meiner Schule in Tbilisi und setzte mich dann am Abend in den Nachtzug nach Baku. Gebucht hatte ich ein Bett in der günstigsten, der dritten Klasse, also in einem riesigen Schlafwaggon, den man sich mit mehreren Reisenden teilt. Meine „Kabine“ teilte ich mir mit einer Frau aus Baku und mehreren russischen Reisenden, mit denen ich dann auch schnell ins Gespräch kam und so die Zeit bis zur ersten Grenzkontrolle recht zügig verging. Alles in allem verbrachten wir dann aber über eine Stunde an der Grenze, sodass ich dachte, ich könnte mal einen Blick in den Reiseführer werfen. Blöd war allerdings, dass der Reiseführer, den ich da aus meinem Rucksack zog, nicht etwa für meine Reiseziel Aserbaijan, sondern für ein anderes Land am kaspischen Meer war: Kasachstan. Meine Mitbewohnerin, von der ich mir den Reiseführer ausgeliehen hatte, hat sowohl schon in Aserbaijan gelebt als auch Kasachstan bereist, sodass beide diese Reiseführer im Bücherregal standen und ich unglücklicherweise den falschen der beiden gegriffen habe.
Nach 12 Stunden Nachtzug kam ich dann am nächsten Morgen um 9 Uhr dementsprechend unvorbereitet in Baku an. Ich zog mich auf der Bahnhofstoilette um, putzte mir die Zähne und versuchte meine Haare mit Hilfe von Trockenshampoo so aussehen zu lassen, als hätte ich nicht gerade die Nacht im Schlafwagen verbracht. Danach ging es nämlich direkt für mich zur Schule. Die Schule liegt direkt an der Metro-Station Nizami, einer wunderschönen Haltestelle, die es allerdings erstmal zu erreichen galt. Mit einer beladenen Metrokarte stand ich dann nämlich um kurz nach neun mit frisch geputzten Zähnen und fast frischen Haaren am völlig überfüllten Bahnsteig der Station 28. Mai und ließ eine Metro nach der anderen an mir vorbeiziehen. Zum einen weil ich niemanden fand, mit dem ich auf einer gemeinsamen Sprache hätte kommunizieren können und der mir hätte sagen können, welche Linie die richtige ist, zum anderen weil ich mit meinem Backpack nicht in die super vollen Waggons gepasst hätte. Nach wenigen Minuten leerte sich der Bahnsteig dann aber zunehmend und ich wurde von einem hilfsbereiten jungen Mann in die richtige Bahn geschoben, sodass ich pünktlich zu Unterrichtsbeginn im Tusi-Gymnasium ankam.
Lieder singen, Spiele spielen, Tee trinken
Das hört sich nicht nur nach sehr viel Spaß an – Das war es auch! Das Tusi-Gymnasium ist eine kleine Privatschule, die gleichzeitig PASCH-Schule ist und an der zwei sehr engagierte Deutsch-Lehrerinnen arbeiten. Die Schüler*innen lernen hier neben Englisch und Russisch Deutsch als zweite Fremdsprache und das Niveau ist (natürlich entsprechend den jeweiligen Lernjahren) extrem hoch. Ebenfalls sehr hoch ist die Motivation der Schüler*innen Deutsch zu lernen. Alles in allem also super Voraussetzungen für den Deutschunterricht an dieser Schule.
Da ich ja nur drei Tage an der Schule unterrichten konnte, habe ich, zusammen mit den Lehrkräften vor Ort, entschieden, dass es am meisten Sinn ergibt, den Fokus auf die Kommunikation mit einer Muttersprachlerin (also mir) zu legen. Vor allem in den niedrigeren Altersstufen führte das dazu, dass ich mit den Kindern viele Lieder gesungen habe und Spiele gespielt habe, entweder im Rahmen von landeskundlichen Inhalten oder aber zum Wortschatztraining. Mit den älteren Schüler*innen habe ich Präsentation zu landeskundlichen Themen sowohl in Bezug auf ihr Heimatland als auch auf Deutschland vorbereitet und anschließend diese als Gesprächsanlass genutzt. Während meiner Zeit an der Schule entstand sogar eine Instagram-Seite der Deutschlernenden der Schule, bei deren Gestaltung ich mithelfen durfte (https://www.instagram.com/kreative_aze_jugendliche_/). Zudem entstand in einem freiwilligen Zusatz-Angebot an einem Nachmittag ein Deutschland-Quartett mit Kategorien wie Essen, berühmte Persönlichkeiten oder Fußballvereine, welches die Schüler*innen unter meiner Anleitung selbst gestalteten und anschließend gleich auch spielten.
Die Zeit an der Schule war für mich sehr intensiv und gleichzeitig sehr schön – und definitiv viel zu kurz! Die Schüler*innen und Lehrer*innen vor Ort gaben mir das Gefühl, eine echte Bereicherung zu sein und mir machte der Unterricht unglaublich viel Spaß. Dass ich bei jeder Gelegenheit einen schwarzen Tee in die Hand gedrückt bekam, war die Kirsche auf der Sahne.
Und sonst so?
Vielleicht fragt ihr euch ja, wie ich sonst meine Zeit in Baku so verbracht habe und welchen Eindruck ich von der Stadt habe? Da ich zunächst bei der DAAD-Lektorin im Gästezimmer (wohlgemerkt im schönsten und bisher einzigen Prinzessinnenbett meines Lebens) schlafen durfte, habe ich auch in das Hochschulwesen der Stadt und des Landes einen interessanten Einblick erlangt. Ich durfte Sie bei ihrem Unterricht mit aserbaijanischen Studierenden begleiten und mitwirken und besuchte eine Veranstaltung zum 30-jährigen Mauerfalljubiläum und einem Vortrag zur Rolle dieses Ereignisses im Kaukasus. Auch bei einem Sprachkurs für Medizinstudierende, den eine der beiden Lehrerinnen des Gymnasiums leitet, durfte ich dabei sein. Dies führte aber nicht nur dazu, dass ich in das Hochschulwesen einen besonderen Einblick erhielt. Ich glaube ich habe noch nie in so kurzer Zeit einen so umfangreichen Input über die Geschichte und politische Situation eines Landes erhalten, wie in diesen vier Tagen in Baku.
Abgesehen davon habe ich mir natürlich auch die Stadt angeschaut. Mittwochs findet am Tusi-Gymnasium nämlich kein Deutsch-Unterricht statt, sodass ich nach einem Vormittag voller Unterrichtsvorbereitung in die Stadt ging und mich treiben ließ. Ähnlich wie in Tbilisi treffen in Baku die unterschiedlichsten Baustile aufeinander: Neben riesigen modernen Wolkenkratzern, findet man kleine und große Bauten aus der Soviet-Zeit und eine große einem Outlet-Center ähnelnde restaurierte Fußgängerzone. Am schönsten fand ich es tatsächlich in der mittelalterlichen Altstadt, die allerdings zu Teilen auch ein wenig „über-restauriert“ schien. Nur wenige der Cafés und Restaurants, die ich in Baku gesehen habe, können, nach meinem kurzen ersten Eindruck, mit dem Charme derjenigen in Tbilisi mithalten (Danke an dieser Stelle an Christina und Mara, die mir einige der wunderschönen Ausnahmen gezeigt haben!). Das Essen hingegen schon. Besonders lecker fand ich aus der azerbaijanischen Küche die Qutab, mit Kürbis oder Kräutern gefüllte dünne Pfannkuchen, und den Mangal-Salat, ein aus gegrilltem Gemüse bestehender Salat.
Auch die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen in Aserbaijan hat mich mehr als positiv überrascht. Obwohl mir die Sprachbarrieren meist größer erschienen als ich sie in Georgien wahrnehme, wurde mir in zahlreichen Situationen Hilfe angeboten oder mich freundlich auf etwas hingewiesen. (Als ich dann auf dem Land mit Christina unterwegs war, war es allerdings schon sehr hilfreich, dass sie aserbaijanisch spricht.) Ich habe mich also in Baku, obwohl ich die Stadt an sich nicht besonders schön fand (vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass ich von Tbilisi so unglaublich begeistert bin), sehr sehr wohl gefühlt. Die Menschen dort, das Essen und die Schule haben mich absolut begeistert.
Ab nach Hause
Am Samstag hieß es dann: Ab nach Hause. Aber nicht so schnell. Da Christina, die für das Goethe-Institut in Georgien und Aserbaijan arbeitet, und ich beide erst am Montag wieder zurück in Tbilisi sein mussten, beschlossen wir, nicht wieder mit dem Nachtzug nach Hause zu fahren. Stattdessen entschieden wir uns dafür mit dem Bus durchs Land zu fahren und noch eine Nacht im Bergdorf Seki zu verbringen. Obwohl wir dementsprechend Samstag und Sonntag viel Zeit in Bussen und Mashrutki verbrachten, war sowohl die Fahrt durchs Land als auch der Aufenthalt in Seki sehr schön. Vor allem der Gegensatz zu Baku, den ich auf dem Land erlebt habe, war sehr spannend. Während in Baku zum Beispiel die protzigsten Autos unterwegs sind, fahren auf dem Land vor allem alte Lada herum und versprühen einen ganz eigenen Charme.
Seki war zudem eine extrem gute Wahl für einen Zwischenstopp auf dem Heimweg: ein kleines verschlafenes Bergdorf mit gemütlichen Cafés, wunderschönen Khanspalästen und einigen Karawansereien inmitten von wunderschöner herbstlicher Natur. Als wir uns dann am Sonntagmittag wirklich auf den Heimweg begaben, fuhren wir zunächst mit einem Linienbus der Stadt zur Mashrutkahaltestelle. Von dort aus nahmen wir die nächstbeste Mashrutka, die uns in Richtung georgischer Grenze bringen sollte. Diese hatte ihre Endhaltestelle in Zaqatala. Von dort nahmen wir eine weitere Mashrutka nach Balakan. Von hieraus brachte uns wiederum ein Taxi an die Grenze, die wir dann zu Fuß überquerten. Ein weiteres Taxi brachte uns dann nach Lagodekhi, wo wir schließlich in das letzte Verkehrsmittel auf unserer Rückreise, eine Mashrutka nach Tbilisi, einstiegen. Schon in Lagodekhi hatte ich übrigens das Gefühl nach Hause zu kommen: Ich kannte den Ort von einem früheren Besuch, hörte die vertraute georgische Sprache wieder und war sehr glücklich darüber, endlich wieder nicht völlig auf Christina angewiesen zu sein, wenn ich kommunizieren wollte.
Nach dieser sehr spannenden und ereignisreichen Woche im Nachbarland Georgiens und der wenn auch sehr schönen doch auch etwas anstrengenden Heimreise war ich dann sehr glücklich darüber, am Sonntagabend zusammen mit Freundinnen im warmen Schwefelbad in Tbilisi entspannen zu können und über die vielen Eindrücke der letzten Tage zu sprechen.