Blog #3
Wo gehobelt wird, fallen Späne…
Die Spieletante
Als ich vor meinem Aufbruch nach Georgien über mögliche Projekte und die Unterrichtsgestaltung nachgedacht habe, habe ich rückblickend betrachtet zwei wichtige Dinge nicht berücksichtigt. Ich habe nicht bedacht, dass Gewohnheiten eine große Rolle bei Lernprozessen spielen und drei Monate sehr kurz sein können, um Projekte durchzuführen.
Meine anfänglichen Schwierigkeiten mit den Hemmungen der Schüler*innen zu sprechen und ihre Probleme mich zu verstehen, bauten sich spürbar im Laufe der Zeit ab. Ich denke, dass das nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass sie diese fremde Person aus einem fremden Land mit diesem doch sehr anderen Akzent, als sie ihn von ihren georgischen Deutschlehrerinnen gewöhnt sind, erst einmal kennenlernen mussten. In meinem euphorischen Tatendrang der Anfangszeit habe ich diesen Aspekt schlichtweg übersehen. Tatsächlich ist es jetzt aber umso schöner zu erfahren, dass die Schüler*innen sich mittlerweile sehr auf den Unterricht mit mir freuen und sich wünschen, dass ich „wieder zu ihnen komme und Spiele mit ihnen spiele“. Da sie hier eher Unterricht nach Schulbuch gewöhnt sind, sind die Kinder hier noch nicht (wie einige deutsche Schüler) übersättigt an spielerischen Methoden, sondern sind für jedes didaktische Experiment zu begeistern.
Da ich selbst immer für Spiele und aktiven Unterricht zu haben bin, ist das für mich geradezu eine Einladung. So plane ich gerade einen Theaterworkshop im Goethe-Institut Tbilisi und erfreulicherweise wird dieses Angebot von den Schülern sehr gut angenommen (obwohl der Workshop an einem Samstag stattfindet). Auch bei einem Kochprojekt zu „Schwäbischen Käsespätzle“ in der 8. Klasse zeigten die Schüler vollen Einsatz (unter anderem auch dabei diesen Zungensprecher auszusprechen).
Kenntnisse statt Fähigkeiten
„Die Schüler haben sehr viele Kenntnisse, aber keine Zeit Fähigkeiten zu entwickeln.“ So drückte es Dali neulich aus, als wir uns darüber austauschten, dass es den Schüler*innen sowohl in Fremdsprachen als auch in ihrer Muttersprache sehr schwer fällt, freie Texte zu formulieren.
Das konnte ich sehr deutlich in meinem außerschulischen Projekt spüren, das ich mit einer 10. Klasse über ca. sechs Wochen durchführte. Einmal die Woche arbeitete ich mit der Klasse in einer Schreibwerkstatt an Zeitungsberichten über Kultur, Schule und Menschen in Georgien, die in der Regionalzeitung meiner Heimatstadt Heilbronn erscheinen sollen. Die größte Schwierigkeit dabei sah ich darin, die Schüler*innen davon zu überzeugen, dass in einer Werkstatt gearbeitet, überarbeitet und somit natürlich Fehler gemacht werden, nach dem Motto: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“. Doch die Schüler ließen es sich bis zum Ende nicht nehmen, zuhause an ihren Texten zu feilen, um mir ein perfektes Ergebnis zu präsentieren. Ich denke, es wäre noch viel Zeit notwendig gewesen, um diesen Anspruch aufzubrechen und wirklich in einer Werkstatt zu arbeiten.