Johannes Ebert am 4. Februar 2016
„Kultur wirkt“
Rede von Johannes Ebert bei der Konferenz „Kultur wirkt - Mit Evaluation Außenbeziehungen nachhaltig gestalten“
Sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,
wir freuen uns sehr, dass heute so viele Interessierte zu dieser Konferenz gekommen sind. Das zeigt, dass Evaluation ein Thema ist, das uns alle bewegt, mit dem wir uns auseinandersetzen und bei dem wir – was die Kulturarbeit betrifft – noch nicht den passenden Zugang gefunden haben. Das werden wir heute Abend diskutieren. Als ich 2012 als Generalsekretär des Goethe-Instituts begonnen habe, kam unsere Institutsleiterin in Afghanistan auf mich zu und hat mir von dem Afghanistan-Tracking-System erzählt. Das Afghanistan-Tracking-System war ein auf die Entwicklungszusammenarbeit bezogenes System, in dem alle Projekte, die im Zusammenhang des Stabilitätspaktes mit Afghanistan stattfanden, aufgeführt waren und nach gewissen Kriterien beurteilt wurden. Die Entwicklungszusammenarbeit ist im Bereich Evaluation sehr weit. Die sehr guten Projekte des Goethe-Instituts Afghanistan – wir haben Theater- und Literaturfestivals gegründet, Strukturen unterstützt, sehr viel Fortbildung im Kultur- und Bildungsbereich gemacht – fielen in diesem System jedoch immer etwas aus dem Rahmen. Wir waren damit nicht zufrieden. Wir haben uns gefragt: Wie bildet man eigentlich den Wert und die Dynamik von Kunst und Kultur ab? Wie bildet man einen Begriff, der bei uns in der Institution rege diskutiert wird – den Eigenwert des Ästhetischen – ab? Wie geht man mit Fragen der Instrumentalisierung von Kunst um? Das sind alles Themen, die uns im Goethe-Institute immer wieder bewegen. Welche Maßstäbe legt man an, die nicht rein quantitativ sind, um die Wirkung von Kulturarbeit zu beleuchten?
Ich war sehr froh, gemeinsam mit meinem Kollegen im Vorstand, dem Kaufmännischen Direktor Herrn Gross, als unsere Strategieabteilung auf uns zukam und den Wunsch äußerte, gerne tiefer in das Thema einzusteigen wie Kultur wirkt. Mit Ausrufezeichen. Sie würden gerne untersuchen, wie die Wirkung von Kultur- und Bildungsprogrammen, von internationalem kulturellem Austausch, gemessen werden kann. Worin zeigt sich die Wirkung von Kulturarbeit? Wie misst und bewertet man sie? Bei dieser Frage geht es nicht nur um ein abgeschlossenes Projekt, sondern vielleicht auch darum, dass ein neues Netzwerk entsteht, dass sich eine kreative Idee mit Unterstützung des Goethe-Instituts durchsetzt, dass sich ein Handlungshorizont in der Zivilgesellschaft erweitert. Dann wirkt Kulturarbeit.
Natürlich, das wissen wir alle, geht es vor allem auch um den Prozess. Im internationalen Kulturaustausch ist der Prozess manchmal wichtiger als das Ergebnis. Wie bildet man dies ab? Wie weist man nach, wie das funktioniert? Dies war die Herausforderung, der wir uns vor drei Jahren gestellt haben. Wir haben zusammen mit Experten und Expertinnen, die im Feld Evaluation tätig sind, begonnen, eine Bestandsaufnahme zu aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich Evaluation zu machen. Wir wollten herausfinden, was es in diesem Bereich schon alles gibt und wie wir das Vorhandene nutzen können. In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es da, wie gesagt, schon sehr viel. Auf der Basis dieser Recherche haben wir begonnen ein Konzept zu entwickeln, das wir Ihnen heute vorstellen werden. Es ist kein abgeschlossenes Konzept. Es ist sehr komplex, aber ich glaube, es ist sehr spannend. Es nimmt Erkenntnisse aus Studien und Untersuchungen zur Evaluation als Grundlage, aber es versucht auch, diese für das Goethe-Institut und für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik weiter zu entwickeln.
Warum ist Evaluation so wichtig? Natürlich müssen wir unsere Arbeit auch legitimieren. Als ich Leiter des Goethe-Instituts in Moskau war, haben wir ein sehr großes Projekt „INTRADANCE“ durchgeführt mit Kuratoren aus sieben europäischen Ländern zusammen mit sieben russischen zeitgenössischen Tanzgruppen, aus dem zahlreiche Koproduktionen entstanden sind. Ein sehr komplexes Projekt, das mit viel Liebe und Mühe aller Beteiligten sehr gut funktioniert hat. Manche Kooperationen gingen anschließend weiter und wir hatten ein wunderbares Festival mit allen Gruppen in Moskau. Einige Monate später, wir hatten etwa 1,1 Millionen Euro über die EU-Vertretung für das Projekt zur Verfügung gestellt bekommen, kamen die Evaluatoren der EU und wir sprachen über das Projekt. Es gab einen Katalog von Fragen. Dieser war sehr professionell und spannend. Für mich war die Sache, als die Projektleiterin mir sagte, dass die Evaluation gut ausgefallen war, abgehakt. Das ist natürlich falsch. Ja. Es geht natürlich darum, die Lehren aus einer Evaluation zu ziehen. Sich das genau anzusehen und zu sagen: Was können wir lernen? Wie können wir diese Art von Projekten verbessern? Ich hätte das Projekt eigentlich noch einmal durchspielen und gleich den nächsten Antrag mit einem verbesserten Projekt stellen müssen.
Was ich damit sagen will: Evaluationen erlauben uns, die Wirkungen unserer Arbeit besser einzuschätzen, strategische Entscheidungen zu treffen, interne Lernprozesse anzustoßen. Dies ist für eine Institution wie das Goethe-Institut sehr wichtig. Wie können wir Beispiele Guter Praxis, die wir aus Evaluationen erkennen, an die Goethe-Institute in der ganzen Welt vermitteln und – ganz kurz gesagt – unsere Arbeit verbessern?
„Kultur wirkt“ ist aus unserer Sicht mehr als nur ein wirkungsorientiertes Evaluationskonzept. Wir möchten es mit Ihnen diskutieren. Wir möchten Ihnen heute die Ergebnisse vorstellen und teilen, aber auch kritisch darüber reflektieren. Wir möchten darüber auch mit der Politik und unseren Partnern in einen nachhaltigen Diskurs treten. Das ist das Ziel der Veranstaltung heute Abend.
Ganz herzlich möchte ich mich bei Elke Kaschl Mohni, der Leiterin der Abteilung Strategie und Evaluation am Goethe-Institut, bei Tina Lierheimer, die bei uns für Evaluationen zuständig ist, bei Lillemor Ullrich und bei allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei dem Projekt mitgemacht haben sowie bei den Kolleginnen und Kollegen, die sich immer wieder in Workshops in München über dieses Projekt ausgetauscht haben, bedanken.
Wir haben zu dem Thema eine Broschüre „Kultur wirkt“ herausgebracht, in der die wichtigsten Ergebnisse dokumentiert sind. Sie macht den Beginn einer Serie an Broschüren, die wir starten wollen, weil wir uns im Goethe Institute immer wieder mit übergreifenden Fragestellen in der Kulturarbeit beschäftigen und das in Zukunft noch stärker abbilden wollen, um die Erkenntnisse und Gedanken zu teilen. Das ist für das Goethe-Institut sehr wichtig. Vom ersten bis dritten Juni veranstaltet das Goethe-Institut in Weimar ein großes Kultursymposium zum Thema „Teilen und Tauschen“. In diesem Sinne wollen wir auch diese Erfahrungen zur Evaluation von Kultur- und Bildungsprogrammen mit Ihnen teilen.
Ich wünsche Ihnen einen spannenden Abend.
Vielen Dank.
(es gilt das gesprochene Wort)
Gehalten am 4. Februar 2016 in Berlin