Johannes Ebert am 15. März 2016
Ausstellungseröffnung „no pain no game“
Rede von Johannes Ebert anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „no pain no game“ im Museum für Kommunikation Berlin
Lieber Herr Dr. Fabritius,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestags,
lieber Andreas Görgen,
liebe Frau Dr. Kugler,
lieber Herr Prof. Lehmann,
lieber Herr Morawe und lieber Herr Reiff,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde des Goethe-Instituts,
die Ausstellung „no pain no game“, zu der wir heute zusammengekommen sind, ist fröhlich, spielerisch, kreativ. Trotzdem möchte ich zu Beginn ein paar Worte sagen zu einem schlimmen Verlust, den das Goethe-Institut und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu betrauern haben.
Unsere Kollegin Henrike Grohs, Leiterin des Goethe-Instituts Abidjan, wurde am vergangenen Sonntag Opfer der terroristischen Anschläge in Grand-Bassam in der Elfenbeinküste. Wir sind fassungslos, dass sie auf so tragische Art aus dem Leben gerissen wurde. Henrike Grohs stand für alles, was die Terroristen verabscheuen, für Offenheit, Dialog, Lebensfreude und Liebe zu anderen Kulturen. Es ist nicht einfach für das Goethe-Institut, für Vorstand und Präsidenten und alle Kolleginnen und Kollegen, nach solch einem schlimmen Ereignis wieder in den Alltag zurückzufinden und zum Beispiel wie heute diese Ausstellung zu eröffnen. Ideenreich, unkonventionell, kreativ, nah an den Menschen. So verstand Henrike Grohs ihre Arbeit. Sie hätte Freude an dem heutigen Abend gehabt.
No Pain - No game
Als der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga im Jahre 1938 sein bis heute viel zitiertes Standardwerk „Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel“ veröffentlichte, ahnte er vermutlich nicht, in welchem Maße die Generation seiner Enkel und Urenkel einmal von Spielen aller Art umgeben – und geprägt – sein würde.
Das trifft auch für mich zu, auch wenn ich mich nicht unbedingt als „Spieler“ bezeichnen würde. Allein in den letzten Wochen: Spieleabende mit „Rumycub“ und „Werwolf“ im Skiurlaub mit meinen Kindern oder eine Diskussion mit einem Münchner Unternehmer über die gesellschaftliche Bedeutung von „Schafkopf“. Spielen hat für alle eine Bedeutung. Wobei ich zugeben muss, dass ich im Bereich der Computerspiele bei ersten Versuchen mit Tetris auf einem Commodore 64 in den achtziger Jahren stehengeblieben bin. Dabei ist gerade dies ein wichtiges Thema: Immer ausgereiftere Games für Smartphones und Konsolen haben Hollywood längst eingeholt, generieren riesige Umsätze und erreichen ein ähnlich großes Publikum wie die erfolgreichsten Filmproduktionen.
Auch die Idee, Langweiliges oder Kompliziertes durch einen spielerischen Ansatz attraktiver zu gestalten, boomt: Mit Hilfe von Lernspielen oder „serious games“ trainieren Sprachschüler, Berufspiloten und Chirurgen neue Fertigkeiten. Bei unserem neuen Sprachkurs „Deutsch Individuell“ können die Lernenden für erfolgreiche Übungen Badges und Orden erwerben. Das sorgt für zusätzliche Motivation. Konzerne werben nicht nur mit Spielen für ihre Produkte, sondern setzen auf spielerische Konzepte, um monotone Arbeitsabläufe spannender zu machen.
Deutschland ist – auch im Vergleich zu anderen Ländern – eine Spiele-Nation. Trotz Digitalisierung kommen hierzulande nach wie vor jedes Jahr gut 600 neue Brettspiele auf den Markt. Viele davon werden in andere Sprachen übersetzt und weltweit erfolgreich verkauft. Die größte Brettspielmesse der Welt findet in Essen statt und zieht alljährlich mehr als 160.000 Besucher an. Und mit der gamescom ist die Stadt Köln Gastgeberin einer der wichtigsten Messen für Computerspiele.
Doch nicht nur im kommerziellen Bereich beweist das Spiel seine Relevanz: Hochschulen und Forschungsinstitute in aller Welt haben Lehrstühle zur Erforschung und Entwicklung von Spielen eingerichtet. Sie machen sich den Spieltrieb tausender anonymer Online-Gamer zu Nutze. Zum Beispiel um Hirnfunktionen zu analysieren, Wahlprognosen zu erstellen oder, wie die Universität München, umfangreiche Bildarchive kostenlos und effizient mit Schlagworten versehen zu lassen.
Auch auf dem Feld der Kunst und Kultur gebiert das Spiel regelmäßig neue, spannende Formen. Festivals für Spiele im öffentlichen Raum wie die PLAYPUBLIK werden ins Leben gerufen. Film und Literatur gewinnen dem Spielmotiv immer wieder neue, überraschende Facetten ab. Architekten nutzen spielerische Formate ebenso für ihre Zwecke wie Musiker und Theaterregisseure. In der bildenden Kunst – heute Abend können wir es erleben – werden bekannte Spielmechanismen hinterfragt, dekonstruiert und in unerwarteter Weise neu zusammengesetzt.
Der Blick auf diese Beispiele macht eines deutlich: Wir haben es beim Thema Spiel offensichtlich mit einem ebenso zeitlosen wie hochaktuellen Phänomen zu tun, dessen gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Relevanz unübersehbar geworden ist. Es war daher höchste Zeit für das Goethe-Institut, diesem Themenfeld die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
Gezielt eingesetzt, eröffnen Spiel-basierte Ansätze neue, attraktive Möglichkeiten in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik: Wie kaum ein anderes Medium eignen sich Spiele dazu, Menschen über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg zu verbinden. Viele Spiele lassen sich effektiv im Deutschunterricht einsetzen. Und überraschende, spielerische Formate sind ein hervorragendes Mittel, um zur Differenzierung eines mancherorts traditionell-einseitigen Deutschlandbilds beizutragen.
Unter dem Motto SPIELTRIEB! haben die Goethe-Institute in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe spielerischer Formate und Inhalte aus Deutschland in die Welt getragen. So haben erfolgreiche Spiele-Entwickler aus Deutschland in vielen Ländern aus ihrem Arbeitsalltag berichtet und in Workshops mit Studierenden neue Spiele konzipiert. Auch das Theaterkollektiv machina eX war auf Einladung des Goethe-Instituts im Ausland und zuletzt auch in Deutschland unterwegs. Ihre letzte Produktion „Lessons of Leaking“ wurde im Rahmen des Festivals „Europoly“, eine Zusammenarbeit der Münchner Kammerspiele und des Goethe-Instituts, gezeigt. Das Goethe-Institut in Seoul hat gemeinsam mit dem Dramaturgen Benjamin von Blomberg und einem südkoreanischen Game-Label das Facebook-basierte Spiel „Being Faust: Enter Mephisto“ entwickelt. Der Spieler schließt hier, ähnlich wie in der literarischen Vorlage, einen Pakt mit dem Teufel und kann nur gewinnen, wenn er sämtliche Skrupel über Bord wirft und all seine Facebook-Freunde „verkauft“. Seine Premiere in Deutschland wird „Being Faust: Enter Mephisto“ beim Kultursymposium des Goethe-Instituts in Weimar Anfang Juni haben.
In vielen Bibliotheken der 159 Goethe-Institute weltweit gehören Brett- und Computerspiele mittlerweile zum nutz- und ausleihbaren Bestand. Neue Spiele werden in abendlichen Runden vorgestellt und ausgiebig getestet. Wenn Sie, liebe Anwesende, einmal im Ausland unterwegs sind und gerade nichts zu tun haben, schauen Sie doch einfach bei uns vorbei und spielen Sie mit.
Teil der SPIELTRIEB-Initiative des Goethe-Instituts ist auch die Ausstellung „no pain no game“. Sie feierte vor anderthalb Jahren in Krakau Premiere, hat eine erfolgreiche Tournee durch sieben europäische Länder mit mehr als 50.000 Besuchern hinter sich und ist ab heute erstmals in Deutschland zu erleben.
Bedanken möchte ich mich ganz herzlich bei allen, die diese Ausstellung ermöglicht haben: Zuallererst beim Künstlerduo ///////////fur////, ohne dessen scharfen Blick für die spielerischen Potenziale unserer Welt wir heute Abend nichts zu eröffnen hätten. Volker Morawe und Tilman Reiff haben die zehn Exponate der Ausstellung nicht nur konzipiert, sondern in tausenden von Arbeitsstunden auch größtenteils selbst zusammengeschraubt, -gelötet, -geschweißt und programmiert.
Mein Dank gilt ebenso Frau Dr. Kugler und dem gesamten Team des Museums für Kommunikation Berlin. Wir haben mit Ihnen, liebe Frau Kugler, bereits sehr erfolgreich bei unserem großen Projekt zur Zukunft der deutschen Sprache zusammengearbeitet. Einen besseren, engagierteren, professionelleren Partner für diese Ausstellung hätten wir nicht finden können.
Bedanken möchte ich mich auch bei der Band Małe Instrumenty, die heute früh extra aus der Europäischen Kulturhauptstadt 2016, aus Breslau, nach Berlin angereist ist, um diese Eröffnung musikalisch zu begleiteten.
Und bei Lina Meyer: Die studierte Designerin und ausgebildete Köchin hat das interaktive, spielerische Buffet entwickelt, das wir heute im Laufe des Abends genießen dürfen, uns aber zuvor erst erspielen müssen.
Ich danke auch dem engagierten Kommunikationsteam des Goethe-Instituts in München und Berlin, dem Auswärtigen Amt und nicht zuletzt gilt mein Dank den Kolleginnen und Kollegen vom Goethe-Institut Krakau, stellvertretend Ihnen, Herr Göpfert. Sie hatten die Idee zu der Ausstellung „no pain no game“, haben diese gemeinsam mit den Künstlern entwickelt und anschließend von Krakau aus auf eine Tournee durch Europa geschickt, die jetzt hier in Berlin ihren vorläufigen Abschluss findet.
Nur vorläufig deshalb, weil die Ausstellung – Frau Kugler hat es bereits erwähnt – im Anschluss noch in weiteren Städten in Deutschland zu sehen sein wird, und ab Dezember auch noch in Breslau, als Beitrag des Goethe-Instituts zur Europäischen Kulturhauptstadt 2016.
Ich freue mich jetzt mit Ihnen gemeinsam auf einen spannenden, unterhaltsamen Abend – und wünsche Ihnen viel Freude beim Ausleben Ihres Spieltriebs!
Vielen Dank.
(es gilt das gesprochene Wort)
Gehalten am 15. März 2016 in Berlin