Johannes Ebert am 11. Februar 2018
Interview mit der Deutschen Welle

„Quo vadis, Goethe?“ Interview mit Johannes Ebert auf dw.com zu Deutschlands künftiger Kulturarbeit
 

Was sagt der neue Koalitionsvertrag von Union und SPD zur auswärtigen Kulturpolitik? Wohin steuert das Goethe-Institut? Fragen an den Generalsekretär des Instituts, Johannes Ebert.

Große Nachfrage nach Deutschkursen, Goethe-Bibliotheken in vielen Ländern, die aus allen Nähten platzen, gewaltige Resonanz in den sozialen Netzwerken ... Ihre letzte Jahresbilanz vor gut einem Monat hatte eine klare Botschaft, Herr Ebert: Läuft bei Goethe! Legen Sie jetzt die Hände in den Schoß?

Johannes Ebert: Natürlich nicht. Die letzten fünf Jahre sind für uns in der Tat sehr gut gelaufen. Es gab eine große Nachfrage nach Sprachkursen und nach Kulturaustausch. Es gibt große Herausforderungen, die uns in der kulturellen Zusammenarbeit fordern, Themen wie Populismus, wie die Bearbeitung des kolonialen Erbes in Afrika, die Zusammenarbeit im Nahen Osten und so weiter. Solche Themen bleiben für uns auf der Tagesordnung.

Am nun ausgehandelten Koalitionsvertrag schätzen wir, dass die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als sehr wichtiges Politikfeld anerkannt wird, Erfahrungen aus unserer Arbeit aufgenommen und wiederum neue Impulse gegeben werden.

Neuer Koalitionsvertrag: Mehr Reichweite

"Dialog der Kulturen", "Krisenprävention", "Vermittlung von Werten der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte" – das alles sollen laut Koalitionsvereinbarung unter anderem Sie als Goethe-Institut leisten. Klingt wie das, was Sie sowieso schon machen...

Johannes Ebert: Natürlich beschäftigen wir uns mit diesen Themen schon seit vielen Jahren – und haben dafür gute Instrumente entwickelt. In Sao Paolo oder Johannesburg haben wir beispielsweise Projekträume als eine besonders prozessorientierte und partizipative Form des interkulturellen Dialogs erprobt. Wir haben einen Fonds zur Förderung syrischer Künstlerinnen und Künstler aufgelegt, und in Ramallah führen wir bereits seit einigen Jahren ein Goethe-Institut in sehr enger Zusammenarbeit mit dem Institut Français. Das Novum in dem Koalitionsvertrag ist aus unserer Sicht, dass Ansätze, die bislang eher als innovative Pilotprojekte gesehen wurden, nun auch von politischer Seite anerkannt werden und die entsprechenden Rahmenbedingungen erhalten sollen. Die neue Qualität und Reichweite, die dadurch möglich werden, begrüßen wir sehr.

Die Welt ist im Umbruch. Sie wird unruhiger, unsicherer. Politik wird immer egoistischer und mit immer härteren Bandagen gemacht. Was heißt das für die Goethe-Institute? Brauchen Sie heute mehr diplomatisches Fingerspitzengefühl?

Johannes Ebert: Es ist in der Tat so, dass wir in den letzten Jahren in vielen Ländern eine zunehmende Einschränkung der Zivilgesellschaft erleben. Viele Kulturakteure vor allem der freien Szene gehören zu dieser Zivilgesellschaft, auch NGOs. Das erfordert von den Goethe-Instituten ein größeres politisches Bewusstsein, unterstreicht aber auch die Bedeutung unserer Präsenz in einzelnen Ländern - weil Goethe-Institute dort immer noch Freiräume darstellen, wo man Dinge diskutieren kann, was anderswo nicht möglich ist.

Kolonialismus ist wichtiges Thema

Es gibt die Initiative des französischen Präsidenten Macron, der das Ende der kolonialen Amnesie angemahnt hat: Er verlangt, das künstlerische Erbe Afrikas zu restituieren. Was heißt das für Deutschland? Welcher - auch moralische - Druck entsteht da, auch auf das Goethe-Institut?

Johannes Ebert: Das ist im Moment ein großes Thema, auch bei deutschen Museen. Uns beschäftigt das Thema Kolonialismus schon lange, weil wir mit unseren Instituten in Afrika und anderen Ländern mit einer kolonialen Vergangenheit gegenwärtig sind. Das Erbe der Kolonisierung ist immer präsent in diesen Gesellschaften und wird auch von den Goethe-Instituten dort verhandelt.

Unsere Politik dazu ist zum einen, dass wir uns - neben dem bilateralen Kulturaustausch - als Plattform für Kulturorganisationen in Afrika anbieten, für innerafrikanischen Austausch. Wir möchten damit auch dazu beitragen, afrikanische Positionen im globalen Diskurs sichtbarer zu machen. Derzeit beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Kolonialismus in den Ländern, in denen Deutschland Kolonialmacht war. Zunächst tragen wir zusammen und analysieren, wie die koloniale Vergangenheit in Ländern wie Togo oder Tansania im Kulturbetrieb gespiegelt wird. Daran anschließend werden wir gemeinsam mit afrikanischen Partnern ein großes Projekt entwickeln. Wir führen derzeit auch ein großes Projekt zur Rolle von Nationalmuseen in Afrika durch. Viele dieser Nationalmuseen haben ihre Sammlungen mit dem Beginn der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten gestoppt und so ihre Rolle verloren.

Aber Sie gehen nicht so weit, Museen in Afrika einzurichten - mit Sammlungsbeständen deutscher Häuser, die Sie den Ursprungsländern zurückgeben?

Johannes Ebert: Nein, das werden wir nicht tun. Aber es ist natürlich schon unsere Absicht, deutsche Museen mit afrikanischen in Verbindung zu bringen. Da sehen wir unsere Rolle. Ob sich daraus einmal neue Aufgabenfelder für uns ergeben, wird sich zeigen. Solche Kontakte sind wichtig.

Aber ich glaube, das müssen die Museen erst mal selber untereinander ausmachen. Das Goethe-Institut macht - im Dialog mit den Gastländern - Angebote aus Deutschland, bringt Menschen aus Deutschland und den Gastländern zusammen, um virulente Fragen anzusprechen. Das könnte dann auch eine solche Frage sein.

Wie sehr, Herr Ebert, lässt sich auswärtige Kulturpolitik heute noch allein auf fremdem Boden machen? Sie selbst haben das syrische Goethe-Institut letztes Jahr mit Erfolg nach Berlin geholt.

Johannes Ebert: Das ist eine zentrale Frage für uns. Innen und Außen können wir in einer globalen Gesellschaft immer weniger trennen. Das spiegelt sich auch in der auswärtigen Kulturpolitik wider, die auch eine Kulturinnenpolitik ist. Und das schlägt sich nieder auch im Koalitionsvertrag. Wir wollen diese Aufgabe gerne noch stärker wahrnehmen: Wir möchten Prozesse und Diskussionen, die im Ausland passieren und die wir dort wahrnehmen, in Deutschland sichtbar machen, indem wir sie hierzulande in den Diskurs einbringen. Das ist für Deutschland, das so im internationalen Kontext steht, wichtig und hilfreich.

Johannes Ebert, Jahrgang 1963, ist Generalsekretär des Goethe-Instituts. Mit ihm sprach Stefan Dege.

 

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