Johannes Ebert am 26. November 2019
Auftakt des Museumsforums „Vielfalt und Potenziale des deutschen und chinesischen Museumsaustauschs“
Grußwort von Johannes Ebert zum Auftakt des Museumsforums „Vielfalt und Potenziale des deutschen und chinesischen Museumsaustauschs“
Sehr geehrter Herr Abteilungsleiter Zheng, sehr geehrter Herr Direktor Wang, sehr geehrter Herr Görgen, liebe Museumsexpertinnen und -experten.
Die Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Museen und den gesellschaftlichen Dialog über die Rolle und Funktion von Museen zu fördern und zu gestalten, ist seit vielen Jahren eine wichtige Aufgabe des Goethe-Instituts. Als weltweit tätiges Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland fördern und gestalten wir Diskurse zur internationalen Verständigung und zur Selbstreflexion von Gesellschaften.
So auch im Bereich der Museumskooperationen. Seit 2018 hatte das Goethe-Institut sogenannte „Museumsgespräche“ an sieben verschiedenen Standorten in Afrika veranstaltet: In Ruanda, Namibia, Burkina Faso, der Demokratischen Republik Kongo, Ghana, Tansania und Nigeria. Im Zentrum standen dabei Fragen wie: Wie könnte ein postkoloniales Museum aussehen? Oder ist die Idee des Museums nicht in sich schon europäisch? Und falls ja: Welche Formen von Ausstellung braucht es dann auf dem afrikanischen Kontinent? Die Museumsgespräche waren Plattformen für einen verstärkten inhaltlichen Austausch, etwa zur Nutzung digitaler Medien in den Museen oder zur aktiveren Einbindung von Museen in Schulbildung. Die große und sehr erfolgreiche Abschlusskonferenz fand dann im September 2019 in Namibia statt.
Auch im Bereich Capacity Building ist das Goethe-Institut bereits seit langem aktiv: So zum Beispiel bei der „Museumsakademie“ in Belarus: Die „Museumsakademie“ ist für regionale Museen konzipiert und will eine nachhaltige, interaktive Plattform nicht nur für Museumsfachleute, sondern auch für andere Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft etablieren. Gerade bei der Förderung eines individuellen Engagements und der Konsolidierung von good governance können Museen, gemäß der Definition des Internationalen Museumsrates ICOM verstanden als „Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung,“ eine wichtige Rolle als Forum für Diskussionen über aktuelle Herausforderungen spielen.
Das Museum wird als ein Ort des Dialogs und als Mitgestalter sozialer Veränderungen betrachtet, mit dessen spezifischen Methoden konkrete Herausforderungen in der Gesellschaft benannt und verhandelt werden können. Um dieser Rolle innerhalb der Gesellschaft gerecht zu werden, müssen die Museen sich weiter öffnen und professionalisieren. Durch Projekte wie die „Museumsakademie“ fördern wir unter anderem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die so erworbene Kenntnisse und Erfahrungen nachhaltig weitergeben können.
Blicken wir nach China. Hier war das Goethe-Institut in den letzten Jahren im Museumsbereich mit verschiedenen Projekten aktiv. So wurde beispielsweise gemeinsam mit der Stiftung Mercator das Kulturmanagementprogramm HuTan (2013-2015) aufgesetzt. Der Fokus lag dabei nicht ausschließlich auf Museen, sondern auf allen Sparten der Künste. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern fanden sich aber auch zahlreiche Beschäftigte größerer und kleinerer (Kunst)museen. Im Zentrum des Programms standen dabei die Vernetzung und das Kennenlernen der Rahmen- und Arbeitsbedingungen im Partnerland. Bis jetzt arbeiten eine Reihe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Projekten im Bereich des deutsch-chinesischen Kulturaustausches, mit oder ohne Unterstützung des Goethe-Instituts.
Ein weiteres Projekt war, von 2014 bis 2016, das Museum Experts Exchange Program (MEEP). Beteiligt waren hier die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, das National Museum of China, das National Art Museum of China, das Shanghai Museum, das Guangdong Museum of Art und das Goethe-Institut China.vMEEP bot Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit, im Rahmen eines ca. dreiwöchigen Weiterbildungsaufenthalts die Kultur- und Museumsszene des anderen Landes fundiert kennenzulernen.
Dabei stand vor allem der Austausch auf fachlicher Ebene im Vordergrund. Im ersten Jahr lag der Fokus auf Restaurierung und Konservierung des kulturellen Erbes, im zweiten Jahr auf den Feldern „Kuratieren, Präsentieren, Vermitteln“, im dritten Jahr stand dann die Verwaltung im Blickpunkt. MEEP war darauf angelegt, den kontinuierlichen Austausch zwischen chinesischen und deutschen Museumsfachleuten langfristig zu intensivieren und die Entwicklung von Kooperationsprojekten zu fördern.
Deutlich wurden aber zunächst auch einmal die sehr unterschiedlichen Strukturen und Planungsabläufe, so dass eine direkte Umsetzung der neu geknüpften Kontakte in beispielsweise Ausstellungsprojekte zunächst nicht erfolgt ist.
Klar wurde auch, dass gemeinsame Projekte intensiv begleitet werden müssen – es bedarf an vielen Stellen der Übersetzung, im praktischen, wie im übertragenen Sinn. Diese Begleitung und Beratung kann auch eine zukünftige Aufgabe des Goethe-Instituts sein.
Das Goethe-Institut war zudem an der Konferenz „Heritate deferred? Colonialism’s past and present“ in Berlin beteiligt, bei der 2018 zum ersten Mal auch ein Panel zu China durchgeführt wurde und bei dem die komplexe Frage nach der Restitution von Kulturgütern diskutiert wurde. Für 2020 ist eine Beteiligung des Goethe-Instituts an einem Folgeworkshop in China geplant.
Im Kontext des großen Projekts der „Museumsgespräche“ in Namibia haben wir von Seiten des Goethe-Instituts vor kurzem festgehalten: „Museen sind geeignet, den kulturellen Dialog in und mit der Gesellschaft zu ermöglichen, Vergangenheit und Zukunft zu verbinden, als Bildungs- und Lernorte zu wirken, generationenübergreifend zu vermitteln und soziale Funktionen zu erfüllen. Ihre Prägung muss jedoch immer spezifisch das gesellschaftliche und historische Umfeld berücksichtigen und sie müssen unabhängig in ihrer inhaltlichen Arbeit sein. Nur dann sind sie Teil der Gesellschaft und glaubwürdig.“ Dies umzusetzen, ist für alle Beteiligten oft eine große Herausforderung. Museen werden vielfach als besonders exponierte Träger der nationalen Repräsentation begriffen und sind daher manchmal in diesem Sinne „zweckgebunden“. Gleichzeitig betreuen, bewahren und präsentieren sie natürlich einen ungeheuren Reichtum an Kulturgütern – diesen Reichtum den Menschen im eigenen Land, aber auch Menschen aus anderen Kulturen zugänglich zu machen und zu erklären, ist eine große Aufgabe.
Unterschiede zwischen Deutschland und China bestehen im Verständnis der sozialen Funktion von Museen. Wenn beide Länder im Museumsbereich erfolgreich kooperieren wollen, ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen und auch darüber zu sprechen, auch wenn wir der jeweils anderen Position vielleicht kritisch oder zumindest fragend gegenüber stehen.
Einen Dialog über die gesellschaftliche Rolle von Museen unter den unterschiedlichen sozialen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland und China zu organisieren und zu begleiten, könnte somit in Zukunft eine Aufgabe des Goethe-Instituts sein. Wo sinnvoll und möglich, können wir auch wieder in das Aufsetzen und die Betreuung längerfristiger, themengebundener Austauschprogramme, die über die ersten Ansätze im Programm MEEP hinausgehen einsteigen. Nicht zuletzt stehen wir auch bereit, das Gespräch über Dekolonialisierung und Restitution und den Umgang mit Kulturgutverlusten zu begleiten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf anregende Gespräche im Rahmen des heutigen Forums.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.