Johannes Ebert am 28. April 2022 in Berlin
Eröffnung der Ausstellung "Villa Kamogawa" am 28.04.2022 im CLB

Grußwort von Johannes Ebert zur Eröffnung der Ausstellung "Villa Kamogawa" am 28.04.2022 im CLB in Berlin

Sehr geehrter Herr Grundl, sehr geehrte Frau Dr. Eckstein, sehr geehrte Frau Behrens, sehr geehrte Frau El Ahl, sehr geehrter Herr Ishii, sehr geehrten Damen und Herren, liebe Ausstellungsbesucherinnen, liebe Künstlerinnen, liebe Freunde, Partner und Kolleginnen des Goethe-Instituts,

ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu können.

Wir leben ja in wirklich turbulenten Zeiten. Die Ereignisse überschlagen sich, gerade auch hier in Berlin ist das zu erleben. Man kann schwer sagen, wie sich die nächsten Tage und Wochen entwickeln werden. Angesichts von so vieler drängender Fragen im Alltag, für die aus der Ukraine Geflüchteten wie auch für die, die sie in Berlin und anderswo in Deutschland und Europa aufgenommen haben, angesichts der laufenden kriegerischen Auseinandersetzungen stellt sich die Frage, ob man überhaupt noch an andere Dinge denken darf oder nicht. Ich meine: ja. Und weil Sie hier sind, kann ich daraus ablesen, dass Sie auch meiner Meinung sind. Ja, gerade jetzt kann man auch zu einer Ausstellungseröffnung kommen. Herzlich willkommen!

Lassen Sie mich eingangs aus dem Mailverkehr der letzten Tage von Lea Letzel, Stipendiatin der Villa Kamogawa kurz vor dem Beginn der Pandemie, zitieren: „Am 11.04. kam es zur ersten Aufführung von „Hanabi-Fu“  (Letzels Stück, deren Erfindung in Japan begonnen hatte) vor echtem Publikum im Rahmen des Spark - Festivals Köln. Am Tag vor der Aufführung kam meine Freundin Julia Gonchar aus Kiew zu uns nach Köln und nach den Informationen erster Hand zum Krieg, dachte ich kurz, wir können das nicht machen, eine Arbeit mit Pyrotechnik. Wir haben uns dann dafür entschieden, es doch zu machen, (…) und es war dann eine tatsächlich wirklich bewegende Aufführung." 

Hier frage ich mich: Wie also kommt man als Künstlerin, als Künstler zu einem Werk, das die Menschen bewegt? Auf welchen zuweilen verschlungenen Pfaden gedeiht eine Idee zu einem Projektvorhaben und wie wird das Projekt dann sichtbar, anfassbar, erlebbar? Und wie passt es dann in die Umgebung, die sich ja auch ständig verändert hat während der Entwicklung des Projekts?

Die Ausstellung „Tsunagu Mono Gatari“ – „Verbindungsstücke“ handelt genau von solchen Fragen. Die Verbindungsstücke stehen für die verbindenden Elemente, begegneten Personen, Stationen, Geschichten und Landschaften, die die Genese und Gestaltung eines Werks begleiten. Genau nach diesen künstlerischen Prozessen hatten wir gefragt.

Im Auftrag des Goethe-Instituts Villa Kamogawa hat der Kurator Michael Hirschbichler – auch er ein Stipendiat kurz vor dem Ausbruch der Pandemie –  alle Künstlerinnen und Künstler der Villa Kamogawa seit ihrer Gründung gefragt, ob sie uns ein „Verbindungsstück“ schicken wollen und einen kleinen Text dazu.

Tsunagu Mono ist etwas Verbindendes, Mono Gatari ist eine Geschichte. Es ist ein Wortspiel im Japanischen, es sind also Fundstücke aus dem persönlichen Fundus jeder Künstlerin oder jedes Künstlers, begleitet von einer verbindenden Geschichte. Nun ist alles auf einem langen Tisch ausgebreitet, wie eine archäologische Bestandsaufnahme, und die Beschriftung an der Wand dahinter zeigt die begleitenden Geschichten auf deutsch und japanisch. Die Beschriftung ist zugleich der Katalog, der zur Eröffnung heute im Verlag Wasmut und Zohlen erschienen ist.

Warum findet das aber ausgerechnet jetzt statt? Der Anlass der Ausstellung sind zehn, eigentlich inzwischen elf Jahre Villa Kamogawa, Künstlerinnen- und Künstlerresidenz in Kyoto in Japan. Und so ist heute der Jubilar eigentlich das Haus in Kyoto, eine so genannte „bundeseigene Liegenschaft“, die im Oktober 2011 vom damaligen Bundespräsident Wulff nach einem einjährigen Umbau eingeweiht wurde.
Damals war die Villa Kamogawa eine von nur drei Künstlerresidenzen des Goethe-Instituts weltweit. Die anderen beiden sind die Villa Sul in Salvador da Bahia in Brasilien und die Kulturakademie Tarabya in Istanbul. Tarabya hatte im letzten Jahr im Künstlerhaus Bethanien ebenfalls in Berlin ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert.

In diesen zehn Jahren haben sich die Herausforderungen an die Kultur enorm verändert und verstärkt, ich verweise nur auf die Klimaproteste, die Pandemie, den Krieg in der Ukraine. Wir meinen, dass auch 10 Jahre später, auch angesichts von vielen weiteren Residenzgründungen an den Goethe-Instituten und natürlich noch viel mehr in den Kulturszenen weltweit, dieses Format der länger andauernden Begegnung wichtig ist und möglicherweise noch wichtiger werden kann. Wir wollen das im Anschluss an die Eröffnung ein Stockwerk über uns im Saal diskutieren.

Nur ein Argument hier vorab: Während einer Residenz werden persönliche Arbeitsbeziehungen begründet und Produktionsbedingungen geschaffen für Koproduktionen oder für Romane, Filme, Performances.

Lucy Fricke, die erste und wegen Fukushima die damals einzige Stipendiatin der Villa Kamogawa im Jahr 2011 hat hier ihren Roman „Takeshis Haut“ geschrieben, Marion Poschmann später „die Kieferninseln“, Doris Dörrie für ihren Film „Kirschblüten - Hanami“ Eindrücke gesammelt, Rainer Komers die Grundlage für seinen Dokumentarfilm im Folgejahr in Arizona gelegt. André Otto seinen elektronischen Cellobogen entwickelt, Stefan Goldmann elektronische Musik im Honen-in-Tempel aufgeführt.

Über all diese Begegnungen, Bezüge und Projekte kann man nicht eine einzige Geschichte erzählen. Aber eine Ausstellung über die „Verbindungen“, die es braucht, die entstehen und zu verlässlichen Arbeitsbeziehungen und schließlich zu Werken führen.

Frau Letzels Performance können Sie in Köln sehen. In diese Ausstellung hat sie das Verbindungsstück geschickt, das ihr als gelernte Pyrotechnikerin gleich ins Auge fiel: den feuerroten Wassereimer da drüben auf dem Tisch. Auch wenn dieser Eimer nicht mehr in seiner Funktion zum Feuerlöschen hier steht, stellt dieses „Verbindungsstück“ Beziehungen zwischen Japan und der Aufführung in Köln her.

Ich danke dem Kurator Michael Hirschbichler, der selbst Stipendiat der Villa Kamogawa war, allen japanischen Partnerinstitutionen und persönlichen Partnern unserer Künstlerinnen und Künstlern und Ihnen für Ihr Kommen.

Die Ausstellung ist eröffnet.

Vielen Dank.

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