20. Mai 2015
50 Jahre Goethe-Institut Schwäbisch Hall

Begrüßung der Gäste der Jubiläumsfeier durch Klaus-Dieter Lehmann
 
 

Als Präsident des Goethe-Instituts ist es mir eine Ehre und Freude zugleich, Sie zu unserem festlichen Beisammensein zu begrüßen. Wir feiern heute Abend ein besonderes, ein rundes Jubiläum: 50 Jahre Goethe-Institut Schwäbisch Hall. Das ist eine stolze Zahl! Das Institut in Schwäbisch Hall ist eines der ältesten Institute in Deutschland und das älteste in Süddeutschland und ist zugleich jung, lebendig und einfallsreich geblieben.

Seit 50 Jahren lernen hier Menschen aus der ganzen Welt Deutsch, lernen zugleich Deutschland kennen und erleben unsere Kultur. Das Goethe-Institut Schwäbisch Hall unterstützt nicht nur die Menschen bei ihrer Berufs- und Lebensplanung, es schafft auch langfristige Bindungen und Verbindungen, häufig ist es auch der Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“, in jedem Fall aber die Chance für Verstehen und Verständigen. Damit ist das Goethe-Institut Schwäbisch Hall ein wichtiger Knotenpunkt in unserem weltweiten Netzwerk mit seinen 160 Goethe-Instituten in fast hundert Ländern.

Innen und außen sind heute keine getrennten Welten mehr, deshalb ist es wichtig, Kenntnisse und Erfahrungen zum gegenseitigen Austausch zu nutzen und die Lebenswelten zu öffnen und nicht abzuschotten. Heimat und Internationalität können gut zusammengehen. Das praktiziert nicht nur das Goethe-Institut sondern es ist ein Markenzeichen für das Hohenloher Land mit seinen Menschen, seinen Wirtschaftsunternehmen und seiner Aufgeschlossenheit für Kunst und Kultur.

Das Goethe-Institut in Schwäbisch Hall ist das einzig verbliebene Institut in einer kleineren Stadt. In der Gründungsphase der 50er und 60er Jahre waren touristisch attraktive Orte der Regelfall - Prien, Rothenburg, Murnau, usw. Dazu gehörte auch Schwäbisch Hall mit seinem beeindruckenden Stadtbild, das noch heute in seiner Geschlossenheit der Altstadt die große historische Dimension widerspiegelt, aber eben keineswegs musealisiert ist sondern mit seinen wichtigen Baudenkmälern eine lebendig ausstrahlende Atmosphäre vermittelt.

Später wandelte sich die Nachfrage der ausländischen Deutschlerner. Der Trend ging zu den international bekannten Großstädten – München, Berlin, Hamburg, Düsseldorf. In einer Phase der wirtschaftlichen Krise und einem Nachfragerückgang mussten einige der Institute in kleinen Orten geschlossen werden. Auch das Institut in Schwäbisch Hall schien damals gefährdet, hat sich aber gut behaupten können und wird heute nicht mehr in Frage gestellt.

Es gab in dieser kritischen Zeit eine eindrucksvolle Allianz zwischen dem Institut und den Bürger, Unternehmen und Einrichtungen der Stadt, die das Goethe-Institut als das ihre ansahen und sich dafür nachhaltig einsetzten und es gab immer sehr befähigte Leiter und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit einem erstaunlichen Geschick und betriebswirtschaftlichem Gespür das Potential stärkten und neue zukunftsfähige Arbeitsfelder entwickelten.

Ich will nur einige nennen, die beispielhaft waren und sind, darunter nicht wenige, die als Modellanwendungen ihren Weg von Schwäbisch Hall in die Welt angetreten haben.

  • „Deutsch und Berufspraktikum“ ist derzeit besonders nachgefragt. Fachkräfte, häufig aus Südeuropa, erhalten gute Deutschkenntnisse, kombiniert mit berufsorientierten Modulen; die Praktika vermitteln die regionalen Firmen.
  • Schwerpunkt Kinder- und Jugendkurse.
  • Ausbau des Goethe-Instituts zum Fortbildungszentrum für Deutschlehrer und Vernetzung mit Firmen der Stadt und der Region
  • Kooperation mit Hochschulen (Ansbach, Schwäbisch Hall, Hohenheim)
  • Projekte im Kontext Integration
  • Sprachliche Ausbildung von Imamen, inzwischen landesweit eingesetzt
  • Ausbildung von kommunalen Akteuren aus dem Bereich muslimischer Zuwanderer
  • Irak-Horizonte, Fachkräfte aus dem Irak mit Sprach- und Landeskundeunterricht und Hospitation in deutschen Firmen als Verbindungspersonen zu deutschen Exportfirmen im Irak.
Inzwischen wissen wir, dass es wichtig ist, den Interessenten aus aller Welt ein gemischtes Portfolio anzubieten, und dazu gehört unverzichtbar das Institut in Schwäbisch Hall. Vielen unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus aller Welt ist es sehr zu empfehlen, in der persönlicheren Atmosphäre einer attraktiven kleineren Stadt Deutsch zu lernen, zumal wenn diese so lebendig ist und so viel zu bieten hat wie Schwäbisch Hall.

Natürlich ist Berlin ein Hauptanziehungspunkt für viele Besucher aus dem Ausland. Auch ich bin gerne Berliner. Doch eigentlich ist Deutschland kein Land der großen Metropolen. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lebt in Orten unter 50.000 Einwohner, und es ist kennzeichnend für Deutschland und sein föderales System, dass hier nicht nur wenige Zentren entwickelt sind. Auch kleinere Orte haben kulturell viel, ja manchmal sogar Herausragendes zu bieten. Das macht unseren kulturellen Reichtum aus. Für Schwäbisch Hall gilt das in besonderer Weise mit der Kunsthalle Würth für moderne Kunst und den alten Meistern in der Johanniterkirche. Aber auch viele andere kulturelle Angebote wie die Freilichtspiele oder das JazzArtFestival sind von überregionaler Bedeutung. Von der Dichterin Ricarda Huch stammt der Satz: „Natur hat diese Stadt gewiegt, Kunst hat sie gebildet“.

Ich freue mich, dass ich dazu beitragen konnte, den nationalen und internationalen Kunstaustausch mit Schwäbisch Hall in meiner früheren Position als Herr der Berliner Staatlichen Museen zu beleben. 2007 eröffnete ich die Ausstellung der Berliner Museen „Kreis Kugel Kosmos“ in der Kunsthalle und erst vor wenigen Tagen ging die Ausstellung „Moderne Zeiten“ der Berliner Nationalgalerie zu Ende. Diese Beziehung wird in beiden Richtungen bespielt. Und Reinhold Würth soll mehrfach geäußert haben, dass ein wesentlicher Faktor bei seiner Entscheidung, die Kunsthalle in Schwäbisch Hall zu planen, die Existenz des Goethe-Instituts in Schwäbisch Hall war, das für Kultur, Offenheit und Internationalität stehe. Der enge und freundschaftliche Kontakt zu den Museen ist uns sehr hilfreich, für Kooperationen, aber auch für die Angebote für unsere Deutschlerner.

Schwäbisch Hall ist keineswegs auf Idylle, Geschichte und Kultur zu reduzieren. Die Stadt liegt in einer wirtschaftlich prosperierenden Region, die geprägt ist durch innovative mittelständische Unternehmen, von denen nicht wenige auf ihrem Gebiet Weltmarktführer sind. Die Arbeitslosenquote liegt hier niedrig und qualifizierte Arbeitskräfte werden gesucht. So ist die Region inzwischen auch zunehmend attraktiv für Fachkräfte, die aus beruflichen Gründen an eine Migration nach Deutschland denken.
Was auch immer die Motive für Deutschlernen in Schwäbisch Hall sind – das hiesige Institut kann den Lernenden aus aller Welt sehr gute Bedingungen bieten. Schon das Institutsgebäude zählt – dank sehr günstiger Konditionen und Unterstützung durch die Stadt – sicher zu den schönsten und großzügigsten Instituten in Deutschland, und auch die Unterbringung der Kursteilnehmer in den Wohnheimen ist sehr angemessen.

Große Unterstützung erfährt das Institut durch die Haller Bürgerschaft. Besonders hervorzuheben ist hier der sehr aktive Freundeskreis mit zahlreichen attraktiven Angeboten für die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer wie etwa Ausflüge und Städtereisen, Einladungen und Kontaktangebote. Aber auch die großzügige Unterstützung der Haller Service-Clubs für die heutige Jubiläumsveranstaltung ist Ausdruck der engen Verbindung des Instituts zur Bürgerschaft. So viel ehrenamtliches Engagement ist außergewöhnlich und wohl in der Tradition der selbstbewussten und weltoffenen Freien Reichsstadt zu sehen. Gäste aus aller Welt sind in Schwäbisch Hall willkommen. Man interessiert sich für sie und sucht den Kontakt zu ihnen. Das eröffnet viele Chancen zur Anwendung des Gelernten, für sprachliches wie interkulturell-landeskundliches Lernen über den Unterricht hinaus, und darin liegt gerade der große Vorteil des Lernens im Zielsprachenland.

Natürlich muss zunächst das Angebot des Instituts stimmen, und das ist in Schwäbisch Hall offensichtlich der Fall, wie viele positive Rückmeldungen bestätigen. Bei den Befragungen am Kursende äußern sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr zufrieden mit dem Angebot des Instituts, die Beurteilungen fallen in vielen Punkten sogar überdurchschnittlich aus. Besonders gute Noten erhalten die Lehrenden und das Servicepersonal in puncto 'Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft', aber auch das Kultur- und Freizeitprogramm wird sehr positiv bewertet. 97,5 % der Befragten geben an, dass sie das Goethe-Institut weiterempfehlen werden, ein Spitzenwert! Zu solchen Ergebnissen kann ich dem Team des Goethe-Instituts Schwäbisch Hall nur gratulieren und allen Beschäftigten meinen herzlichen Dank aussprechen.

Ich freue mich auch über die große Wertschätzung der Arbeit des Instituts von außen, wie sie in der regen Teilnahme an der heutigen Veranstaltung, aber auch in der prominenten Gästeliste und den Grußworten zum Ausdruck kommt. Besonders hervorzuheben ist die Teilnahme der Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg, eine besondere Ehre für uns. Im Namen des Instituts möchte ich mich bei Ihnen, Frau Ministerin Öney, herzlich für Ihr Kommen bedanken. Auch wenn unsere Lernenden in der Regel nur für eine bestimmte Zeit nach Deutschland kommen, so ist das Goethe-Institut für das Integrationsministerium doch von zentraler Bedeutung, wissen wir doch, dass der Wunsch nach zeitweisen oder längeren Aufenthalten in Deutschland auch unter unseren Kursteilnehmern in Zeiten von Freizügigkeit in Europa, wirtschaftlichen Ungleichgewichten mit Arbeitslosigkeit einerseits und Fachkräftemangel andererseits immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Die weltweiten Migrationsströme sind für das Goethe-Institut eine Herausforderung und zugleich eine gesellschaftliche Verantwortung. Mit unserer Arbeit an den Goethe-Instituten versuchen wir die Menschen zu unterstützen, die zum Arbeiten und Leben nach Deutschland kommen möchten. Wir möchten sie mit berufsbezogenen Angeboten und spezifischen Initiativen auf ein Leben in Deutschland und auf den Arbeitsmarkt bestmöglich vorbereiten. So wollen wir ihnen ein Gefühl des Willkommens vermitteln. Das Goethe-Institut hat sich von Anfang an nicht als Arbeitsvermittler gesehen, sondern als Moderator, der alle Akteure aus der Berufswelt, der Politik aber auch der Zivilgesellschaft an einen Tisch bringen kann und sich mit seiner Glaubwürdigkeit als ehrlicher Makler versteht. Das Goethe-Institut gibt wiederum denjenigen, die sich für kurze oder längere Zeit für den deutschsprachigen Raum entscheiden, alle Unterstützung für sprachliche Kompetenz, jeweils bezogen auf die Fachdisziplin und für die Information zur Arbeitswelt und zum Land, um den Weg chancenreich zu gehen und das Gefühl zu haben, willkommen zu sein. Es ist uns ein Anliegen, dass sich kein Europäer in einem europäischen Land als Fremder fühlt. Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend. Das ist für mich die „Kultur der Teilhabe“, für die das Goethe-Institut steht – auch hier in Schwäbisch Hall.

Deutschland ist jedoch nicht nur ein Zuwanderungsland von qualifizierten Fachkräften für die Industrie. 20 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln leben in Deutschland: Gastarbeiter und deren Kinder, Spätaussiedler, freiwillige und unfreiwillige Migranten – darunter Asylbewerber und Flüchtlinge. Gerade in Schwäbisch Hall wurde es zunächst durch eine private Initiative, den Freundeskreis und inzwischen auch durch die Initiative eines hiesigen Unternehmens (RECARO) möglich, dass Asylbewerberinnen und -bewerber qualifizierten Deutschunterricht am Goethe-Institut bekommen.

Im Grußwort von Herrn Oberbürgermeister Pelgrim ist deutlich geworden, wie sehr die Stadt 'ihr' Goethe-Institut schätzt und unterstützt. Stellvertretend für die Haller Bürgerschaft bringt das auch der Vorsitzende des Freundeskreises, Herr Dr. Walter Döring, zum Ausdruck. Er ist zugleich der Präsident eines der Service-Clubs, die die heutige Veranstaltung großzügig fördern. Dies alles macht die gelungene Symbiose deutlich: Schwäbisch Hall ist ein sehr guter Standort für das Goethe-Institut und das Goethe-Institut ist gut für Schwäbisch Hall.

Viele Abgeordneten des Bundestages und des Europäischen Parlaments waren bereits im Goethe-Institut Schwäbisch Hall zu Gast und haben der Arbeit des Instituts große Anerkennung gezollt und ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Wegen der derzeitigen Sitzungswoche können sie heute nicht persönlich dabei sein. Umso mehr freuen wir uns, dass zahlreiche Mitglieder des Landtags trotz ihrer Termine in Stuttgart zur Jubiläumsveranstaltung gekommen sind.

Abschließend möchte ich unseren zahlreichen Partnern in Schwäbisch Hall und allen Kolleginnen und Kollegen herzlich für die erfolgreichen gemeinsamen Initiativen der letzten Jahre danken und bin gespannt, welche Ideen und Initiativen in der Zukunft entstehen. Ich bin sicher, an guten Einfällen wird es nicht fehlen! Vielen Dank.
 
Es gilt das gesprochene Wort.
 
 

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