29. Oktober 2015
Eröffnung des Goethe-Instituts Peking in 798

Grußwort des Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann

Fast auf den Tag genau, am 1. November 1988 vor 27 Jahren, wurde das Goethe-Institut In Peking eröffnet – als erstes und einziges ausländisches Kulturinstitut überhaupt und so sollte es auch bis Ende der 1990er Jahre bleiben. Zunächst ging es ausschließlich um die Sprache Deutsch, ab 1996 kam die Kulturarbeit dazu, von Anfang an gemeinsam mit chinesischen Institutionen und mit kooperativen Programmen. Nicht umsonst hieß das Motto zum 25-jährigen Jubiläum „Verbinden, Verstehen, Vertrauen“.

Und heute, am 29. Oktober 2015, eröffnen wir im Künstlerviertel 798 unser neues Haus. Damit erfüllt sich für uns ein lang gehegter Wunsch, teil zu haben an der pulsierenden Nachbarschaft von Kunst und Kultur, mit zu gestalten am kulturellen Austausch, einen öffentlichen Raum zu bieten für Diskurse, Veranstaltungen und Begegnungen, offen zu sein für die vielen chinesischen und internationalen Besucherinnen und Besucher. Es ist der Ort!

Dabei hat er für uns Deutsche noch einen besonderen Bezug. Der Bau der Industriehallen wurde 1957 im Rahmen eines groß angelegten Kooperationsprojektes ausgeführt vom Entwurfsbüro für Industriebau in Dessau, weshalb sich hier für uns alle weithin sichtbar ausgeprägte Elemente der Bauhausarchitektur wiederfinden. Ursprünglich wurden hier Funktelekommunikationsteile produziert. Ist es nicht von symbolischer Bedeutung, dass ein solcher Ort umgewidmet wird zu einem realen Ort des chinesisch-deutschen Kulturdialogs? Als 1988 das Goethe-Institut seine Arbeit begann, kannten zwar viele Chinesen den Namen Goethe, kaum jemand aber das Goethe-Institut. Das hat sich erheblich geändert. Es wurde eine Erfolgsgeschichte der Kulturaußenpolitik. Nicht zuletzt deshalb, weil man eine chinesische Verhaltensform lebte, Beziehungen nicht nur herzustellen sondern sie auch zu pflegen. So ist zwar der Hauptsitz des Goethe-Instituts Peking, aber es verfügt dezentral über viele lebendige Kontakte in Sprachlernzentren, Schulen, Universitäten, zu den Theatern, Museen und Kultureinrichtungen in den vielen Metropolen dieses Landes. Das Goethe-Institut ist nicht auf das Klischeebild Chinas angewiesen, es hört auf die verschiedenen innerchinesischen Stimmen und es ist nahe an den Lebenswirklichkeiten.

Der Ort im Künstlerviertel 798 ist deshalb so wichtig, weil er uns erstmals auch räumlich Gelegenheit gibt, unsere Funktion als Frei- und Dialograum mit unseren chinesischen Partnern voll zu nutzen, ein differenzierteres und ein klügeres Wahrnehmen des Eigenen und des Anderen zu erkunden. Wang Hui, einer der herausragenden chinesischen Intellektuellen, Professor für Literatur und Geschichte an der Tsinghua Universität Peking, hat das am Rande einer vom Goethe-Institut veranstalteten Dialogkonferenz im Frühjahr 2015 in Berlin so ausgedrückt: „Ich wünsche mir einen neuen öffentlichen Raum, in dem Intellektuelle aus China und Deutschland zusammenarbeiten können, um Projekte und Veranstaltungen vorantreiben zu können. Dazu brauchen wir ein gemeinsames Wissen. Wir müssen durch die Debatten einen gemeinsamen Grund finden, was nicht bedeutet, ohne Differenzen.“

Einen solchen Raum zu verwirklichen und anzubieten ist unser Ziel. Kann es dabei eine bessere Standortwahl geben?

Sie gibt uns die Chance, nicht nur für den kulturellen Austausch, sondern auch für einen stärkeren Dialog zwischen Wissenschaft und Kultur und sie erlaubt uns auch die Verknüpfung mit Künstlerresidenzen, die wir seit einigen Jahren im Land für verschiedene Disziplinen realisiert haben.

Gemeint ist ein Dialog, der wirkliche Antworten geben soll und damit Verantwortung eingeht und übernimmt, es soll ein Dialog des praktischen Handelns sein, ein Dialog der Offenheit und ein Dialog der Nachhaltigkeit. Meinungsfreiheit ist für uns ein hohes Gut. Alexander von Humboldt sagte kurz und bündig: „Alles ist Wechselwirkung.“ Die Chancen liegen in der langjährigen Kenntnis und den gegenseitigen Erfahrungen, die für ein gegenseitiges Verständnis Voraussetzung sind.

Dank an alle, die sich für dieses wunderbare Projekt engagiert und es realisiert haben. Dank an die politischen Entscheidungsträger, auf chinesischer Seite besonders das Kulturministerium, auf deutscher Seite besonders die Botschaft. Mit viel Geduld und großem Verständnis haben unsere Partner von 798, allen voran Präsident Wang und - stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - der Verwaltungsleiter Herr Han dieses neue Nutzungskonzept mit getragen. Und da sind vor allem die Teams der Architekten und Bauunternehmen, insbesondere Albert Speer und sein Büro in China mit Frau Sun und Herrn Dell. Sie haben sich über alle Maßen eingesetzt. Wir sind im Kosten- und Zeitrahmen geblieben. Das ist eine besondere Leistung und zeugt von dem Teamgeist, der Expertise und der Leidenschaft aller Beteiligter.

Dank an Peter Anders, den nie verzagenden Institutsleiter, an die Verwaltungsleiterin Frau Schlenker, und alle beteiligte Kolleginnen und Kollegen des Goethe-Instituts Peking. Und natürlich an Frau Ridder mit ihrem Team in der Zentrale in München, der administrativen Übersetzerin zur Steuerung zwischen Deutschland und China.

Zugleich setzen wir an bewährtem Ort und in bester Kooperation mit dem Bildungsministerium unsere Spracharbeit im Cyber Tower fort. Für diese nachhaltige Unterstützung bedanke ich mich ebenfalls sehr herzlich.

In Deutschland kennen wir ganz aktuell den Begriff der „Willkommenskultur“. Wir heißen sie alle an diesem Ort des Austausches herzlich willkommen, wir wollen dabei aber nicht stehen bleiben, sondern sie teilhaben lassen, an dem, was wir gemeinsam in einer kreativen Lerngemeinschaft verwirklichen können.

Heute schlagen wir ein neues, hoffnungsvolles Kapitel in den kulturellen Beziehungen zwischen China und Deutschland auf. Wir werden es zu nutzen wissen. Allen, die den Raum für dieses neue Kapitel geschaffen haben, gilt meine besondere Wertschätzung und mein herzlicher Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.
 
 

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