3. Juni 2016
Eröffnung „African Futures“
Rede von Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann zur Eröffnung von „African Futures“ im Savvy Contemporary, Berlin
Lieber Bonaventure Ndikung,
liebe Kirsten Haß,
liebe Künstlerinnen und Künstler,
sehr geehrte Damen und Herren,
einer der ganz großen Maler und Bildhauer Südafrikas, Ernest Mancoba – 2002 ist er in Paris gestorben – äußerte sich mehrfach über das Wagnis in der Kunst und deren Einengung durch den Konformismus. Ein Zitat von ihm möchte ich an den Anfang meiner Begrüßung stellen: „Die Zukunft ist ein Geheimnis. Trotz unserer Wissenschaft, mit allem was wir glauben zu wissen, kennen wir die Zukunft nicht, kennen wir nicht das Morgen“. Die Ungewissheit der Zukunft, fügte er hinzu, sei die Quelle „ständiger Ängste“. Mancoba lieferte jedoch einen Nachtrag. „Künstler und Poeten – „diese Leute, die nicht nur mathematisch denken“ – könnten uns die Zukunft näher bringen.“
Der Beweis dafür ist das Projekt African Futures. Das Ziel: Überkommenen eurozentrischen Perspektiven auf Afrika etwas entgegenzusetzen. Die am Projekt beteiligten Künstlerinnen und Künstler, Literaten, Musikerinnen- und Musiker, Tänzerinnen und Intellektuelle geben mit ihren Arbeiten Einblicke in neue Zukunftsvisionen für Afrika – ohne Bevormundung.
Afrika steht im Zentrum weltweiter Aufmerksamkeit - aufgrund des rasanten Wachstums von Städten und Gesellschaften, durch politische Umwälzungen – und als Quelle für Innovation und kulturelle Trends. Wie sieht dabei der Blick in die Zukunft des Kontinents aus?
Diese Frage hat das Goethe-Institut in den letzten Jahren beschäftigt – und eine spannende und herausfordernde Aufgabe. Denn Kreativität ist zugleich Motor und Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen. Zeitgenössische Literatur, Film, Performance, bildende Kunst oder Musik geben uns einen Eindruck von Utopien und Dystopien, Hoffnungen und Ängsten, politischen, sozialen und kulturellen Zukunftsentwürfen, gleichzeitig wird damit auch die gestohlene Erinnerung zugänglich.
Das Nachdenken über die Welt von morgen ist ein zentraler Teil unseres Engagements für internationale kulturelle Zusammenarbeit: in verschiedenen Projekten setzt sich das Goethe-Institut global mit dem Thema Zukunft auseinander. Und natürlich lebt diese Auseinandersetzung von der Vielzahl der Perspektiven, vom Austausch über Landesgrenzen und Sprachbarrieren hinweg.
Mit dem interdisziplinären Festival African Futures, das in Lagos, Nairobi und Johannesburg im Oktober 2015 stattfand und nun seine Fortsetzung hier in Berlin findet, hat das Goethe-Institut Kulturschaffende des ganzen Kontinents zusammengebracht, um gemeinsam unterschiedliche Positionen zu diskutieren. Sie – die Künstlerinnen und Künstler, Denkerinnen und Denker – schaffen dabei nicht zuletzt Gegenentwürfe zu gängigen westlichen Perspektiven.
Zukunftsentwürfe für Afrika müssen in Afrika entstehen. African Futures ermöglicht den Beteiligten, Utopien zu entwickeln - unabhängig von ihrer Machbarkeit. Darin liegt ein immenser künstlerischer Reiz. Wie können solche Zukunftsentwürfe aussehen? Welche Visionen haben Künstlerinnen und Akademiker für diese Zukunft? Wer generiert Wissen über Afrika? Diese Fragen gestalteten das Programm der African Futures Festivals in Johannesburg, Lagos und Nairobi.
Diese Fragen werden auch wieder in der Publikation African Futures aufgenommen, die im Kerber Verlag erschienen ist und heute hier zusammen mit der Eröffnung von African Futures Berlin gelauncht wird. Das Buch vereint Essays, Kurzgeschichten, Ausschnitte aus Graphic Novels, künstlerische Arbeiten und Zitate von Autoren und Künstlern, von denen viele an den African Futures Festivals in Afrika teilnahmen. Es spiegelt den Geist des Festivals wider und führt dort angestoßene Dialoge fort: Wie schreiben wir über die Zukunft? Wie wird der technische Fortschritt die Zukunft Afrikas beeinflussen? Wohin führt uns die gemeinsame Reise in die afrikanische Zukunft, ausgehend von heute, von unserem Jetzt?
Achille Mbembe, der herausragende Autor und Kritiker, der in Deutschland zuletzt mit seinem viel besprochenen Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ auf sich aufmerksam gemacht hat wird auf Einladung des Goethe-Instituts und SAVVY Contemporary am 9. Juni eine Keynote Lecture halten. Er beschreibt in dem Buch die „sich herausbildende, stillschweigende Zustimmung, dass das Schicksal unseres Planeten auf dem afrikanischen Kontinent umgesetzt wird. Diese planetarische Wende der afrikanischen Zwangslage, wird das wichtigste kulturelle und philosophische Ereignis des 21. Jahrhunderts sein.“
African Futures trägt die kreativen Denkansätze führender afrikanischer und in der Diaspora lebender Künstler, Autorinnen und Denker zusammen. Es will damit das Spektrum der aktuellen künstlerischen Praxis und des intellektuellen Diskurses aufzeigen, das sich mit der Zukunft des afrikanischen Kontinents befasst. Diskursfähigkeit erlaubt einen gleichwertigen Zugang. Es sind gerade Künstlerinnen und Künstler, die die afrikanische Zukunft imaginieren oder gar konstruieren.
Künstler sehen den afrikanischen Kontinent zunehmend in einem globalen Kontext. Nicht als Opfer, sondern als Ideengeber. Dies ist er auch. Afrika hat nicht nur eine Zukunft, es wird sie auch maßgeblich mitgestalten.
Ich danke den vielen Partnern des Goethe-Instituts bei der Realisierung dieses Projekts. Ein besonderer Dank geht dabei natürlich an SAVVY Contemporary und die Kulturstiftung des Bundes, mit denen wir African Futures Berlin gemeinsam ausrichten. Auch der Projektleiterin, Lien Heidenreich, gilt mein herzlicher Dank. Ich wünsche Ihnen und uns allen inspirierende Tage, mit der Ausstellung, den Performances und dem Diskursprogramm und natürlich heute Abend bei der Eröffnungsparty.
Es gilt das gesprochene Wort.