11. Februar 2017
Berlinale 2017: Goethe-Frühstück
Begrüßungsrede des Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann
Anrede,
ich freue mich, Sie in diesem Jahr wieder zu unserem traditionellen Goethe-Frühstück anlässlich der Berlinale begrüßen zu dürfen.
Wieder liegt ein erfolgreiches Jahr der Filmarbeit des Goethe-Instituts in fast 100 Ländern der Welt hinter uns, zu dem viele vom Ihnen in beträchtlichem Maße beigetragen haben. Dafür möchte ich mich heute im Namen der ganzen Institution herzlich bedanken.
Um Ihnen einige Zahlen vor Augen zu führen: An den Goethe-Instituten im Ausland und bei unseren Kooperationspartnern laufen täglich ca. 70 deutsche Filme! Damit erreichen wir weltweit knapp 5 Millionen Zuschauer im Jahr, und damit ein breites und junges Publikum. Das bietet ein großes Potenzial, Gastländer auf aktuelle Entwicklungen, Diskurse und Realitäten in Deutschland aufmerksam zu machen. Neben der zentralen Disposition in München gibt es weltweit rund 40 dezentrale Goethe Filmarchive, die flächendeckend in ihren Ländern und Regionen arbeiten. Das Gesamtangebot umfasst circa 900 Spiel- und Dokumentarfilme, die Kulturvermittler außerhalb Deutschlands über die Filmarchive ausleihen können.
Doch auch persönliche und nachhaltige Begegnungen fördert das Goethe-Institut mit seiner Filmarbeit.
Das gilt für die Förderung von Nachwuchsfilmemachern:
Neu ist beispielsweise in der Region Südosteuropa die Akademie FIRST FILMS FIRST für junge Regisseure: ein innovatives, intensives professionelles Ausbildungsprogramm mit dem Ziel, junge Filmschaffende aus Südost-Europa dabei zu unterstützen, ihren ersten langen Spielfilm zu entwickeln. FIRST FILMS FIRST hilft acht Nachwuchsregisseurinnen und -regisseuren aus Südosteuropa dabei, ihren Traum als Filmemacher zu realisieren. Erfahrene Tutoren wie der Szenenbildner und Oscar-Preisträger Allan Starski, der deutsche Filmregisseur Andreas Dresen oder der serbische Regisseur und Scriptwriter Srdjan Kojevic begleiten die Filmschaffenden. Es gliedert sich in vier Module, die über zehn Monate hinweg auf Festivals in der ganzen Region stattfinden. In Cluj (RO), Bitola (Mazedonien) und Belgrad (Serbien) können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren ersten Langfilm schrittweise konzipieren und realisieren, 2017, auf dem Internationalen Filmfestival in Sofia ihre fertigen Konzepte „pitchen“ – also für Produzenten, Filmförderer in ganz Europa vorstellen.Im ersten Akademiejahr wurde Derya Durmaz mit ihrem FFF-Projekt „Bus nach Amerika“ ausgewählt und zum Co-Produzentenmarkt der Berlinale eingeladen.
Das ist ein wunderbarer Erfolg für die junge Regisseurin, einer türkischen Filmemacherin und FFF-Teilnehmerin, aber auch für das Goethe-Projekt FIRST FILMS FIRST!
Ein weiterer Fokus unserer Filmarbeit liegt aktuell auf Residenz-Programmen. Heute möchte ich Ihnen drei aktuelle vorstellen.
Zwei davon in Deutschland:
Harun Farocki-Residency
Die Stiftung Harun Farocki Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Werk des verstorbenen Künstlers Harun Farocki zu pflegen und seine einzigartige Praxis der Untersuchung und Kommentierung zeitgenössischer und historischer Bilder fortzusetzen, zu erweitern und neue künstlerische und theoretische Produktionen anzustoßen und zu fördern. Im Zentrum der Harun Farocki-Residency steht insbesondere die Förderung visueller Kompetenz in Hinblick auf die Produktion und Rezeption von analogen wie digitalen Bildern sowie der Fähigkeit, die Wirklichkeit der Arbeitswelten vergangener, heutiger und zukünftiger Gesellschaften künstlerisch reflektierend zu untersuchen. Aktueller Stipendiat ist der Videokünstler Kevin B. Lee aus den USA.
Film-Feld-Forschung-Stipendium
Filmgeschichte und die zeitgenössische künstlerische Arbeit mit digitalen und analogen Filmtechniken sind seit vielen Jahren eng miteinander verflochten. Die nahezu ins unendlich gewachsene ästhetische Vielfalt des Films hat die Entwicklung narrativer, aber vor allem auch dokumentarischer Formen im Kino wie in der Bildenden Kunst revolutioniert. Dennoch gibt es bis heute keine Institution, die diese Entwicklung in Theorie und Praxis aufarbeitet, sammelt und zeigt: Die Ausstellungskultur trennt bis heute zwischen Film und Kunst. Das Projekt „Film, Feld, Forschung“ setzt hier an: Entstehen soll ein Zentrum für den künstlerischen Film. Geplant sind Aktivitäten wie die bereits jährlich am Arsenal stattfindende Summer School, Workshops, Seminare, Tagungen, sowie ganzjährige Ausstellungsprojekte und Veranstaltungen. Derzeitige Stipendiatin ist Maha Maamoun, Ägypten, Künstlerin und Kuratorin.
Auch im Ausland bieten wir Residenzprogramme im Filmbereich. So auch im Libanon:
Das Beirut Film Hub, das das das Goethe-Institut Libanon gemeinsam mit der Beirut Art Residency (BAR) und der Metropolis Art Cinema Association durchführt. Es fördert einen nachhaltigen gegenseitigen Kulturaustausch und die Begegnung von Filmemachern aus Nordafrika/ Nahost und aus Deutschland mit der libanesischen Szene und bietet Weiterbildungsprogramme an.
Ich sage immer wieder: Nichts ersetzt persönliche Begegnungen, wie sie beispielsweise Residenzprogramme ermöglichen. Aber physische und digitale Formate ergänzen sich. Aktuell besonders im Fokus: Virtual Reality. Meine Virtual Reality-Brille habe ich heute nicht dabei, aber ich möchte Ihnen ein beeindruckendes Projekt der Region Subsahara-Afrika vorstellen, die dem Thema ein Großprojekt widmet:
„New Dimensions – Virtual Reality Africa“. Es wird hier bei der Berlinale vorgestellt. Hier präsentieren das Goethe-Institut Südafrika und Electric South afrikanische Zukunftsperspektiven im VR-Format aus den drei Metropolen Dakar, Accra und Nairobi. Die filmischen Arbeiten afrikanischer Künstlerinnen und Storyteller werfen dabei einen Blick auf die vielfältigen Realitäten und Kulturszenen verschiedener Schauplätze in Afrika. So produzierte die Modedesignerin Selly Raby Kane aus dem Senegal eine magische 360-Grad-Arbeit, in der ein kleines Mädchen auserwählt wird, um die unsichtbare Seite Dakars zu erkunden. Eine exklusive Vorschau der „works in progress“ findet auf dem Berlinale Africa Hub, das im Rahmen der Berlinale stattfindet. Die Arbeiten sind täglich zwischen 10.00 und 17.00 in der VR Lounge des European Film Market (EFM) zu sehen.
Der Bereich intensiviert weiterhin seine Bemühungen hinsichtlich der digitalen Distribution und dem Streaming von Filmen (Video on Demand). Das über www.alleskino.de gestartete Pilotprojekt „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk“ begann Anfang 2016 mit der digitalen Distribution des Films in SD- und HD-Qualität. Im Oktober 2016 ist das parallel dazu laufende Streaming-Angebot für Bibliotheksnutzer des Goethe-Instituts angelaufen. Weitere Filme werden voraussichtlich ab Frühjahr 2017 zur Verfügung gestellt.
Zurück nach Deutschland: Hier hält die Herausforderung der Flüchtlingssituation weiter an. Bereits im letzten Jahr hatte ich Ihnen von den Cinemanya-Filmkoffern berichtet, die in Kooperation mit dem Bundesverband Jugend und Film (BJF) entstanden sind. In den CINEMANYA-Koffern befinden sich 18 deutsche Spielfilme mit arabischen und deutschen Untertiteln/Sprachfassungen sowie zwei nonverbale Kurzfilmprogramme. Die Auswahl wurde von Michael Harbauer, dem Leiter des Internationalen Filmfestivals für Kinder und junges Publikum „Schlingel“, kuratiert.
Über das Netzwerk des BJF wurden bundesländerübergreifend Kofferpatinnen- und paten gefunden, die nach einer traumatherapeutischen Schulung seit Anfang 2016 sehr erfolgreich Filmvorführungen mit dem Kofferkino durchführen. Bisher fanden mehr als 150 nichtgewerbliche Filmvorführungen statt, bei denen mehr als 5.000 Menschen erreicht wurden, 80 Prozent davon geflüchtete Kinder und Jugendliche. Die Resonanz ist durchweg positiv.
Erfreulich ist, dass aufgrund einer weiteren Zuteilung von Geldern aus der Spende der Japan Art Association im August 2016 eine dreiteilige Erweiterung des Filmprogramms auf den Weg gebracht werden konnte. Diese umfasst weitere Untertitelungen bzw. Voice-Over-Fassungen von ausgewählten Filmen des Filmkoffers in Dari sowie die Ergänzung um „Heidi" (Regie: Alain Gsponer, Deutschland/Schweiz 2014/2015) und „Pettersson und Findus – Kleiner Quälgeist, große Freundschaft" (Regie: Ali Samadi Ahadi, Deutschland 2012-2014) sowie eine Neuauflage von weiteren 20 Filmkoffern.
Lassen Sie mich darüber hinaus noch die intensive und wunderbare Kooperation, die das Goethe-Institut mit der Berlinale pflegt, hervorheben. Durch den WCF (World Cinema Fund), die Berlinale Talents, unsere Fortbildungs-Seminare, das Besucherprogramm, und natürlich durch das Festival selbst, ist die Berlinale einer unserer wichtigsten Kooperationspartner im Filmbereich.
Ein Highlight unserer Zusammenarbeit im vergangenen Jahr entstand anlässlich des Deutschlandjahres in Mexiko 2016/2017: Das 14. Morelia International Film Festival in Mexiko widmete mit Unterstützung des Goethe-Instituts im Oktober 2016 eine ganze Programmreihe den Internationalen Filmfestspielen Berlin. Die gemeinsam kuratierte Auswahl zeigte unter dem Titel „Berlinale Spotlight” ein umfangreiches Programm mit Spielfilmen, Dokumentarfilmen und Kurzfilmen, darunter der Gewinner des Goldenen Bären 2016 „Seefeuer” von Gianfranco Rosi und eine Retrospektive zu Reinhold Schünzel. Sebastian Schipper stellte als „Special Guest” drei seiner Filme vor.
Abschließend möchte ich Ihnen noch etwas ans Herz legen und vielleicht haben Sie auch schon die Flyer gesehen, die hier überall ausliegen: Das Goethe-Institut hat auch dieses Jahr wieder ein internationales Redaktionsteam auf der Berlinale: Die Berlinale-Blogger. Filmjournalistinnen und -journalisten aus der ganzen Welt berichten im Auftrag des Goethe-Instituts über das Festival. Die Berlinale-Blogger 2017 kommen aus 5 Kontinenten, genauer gesagt: aus Ägypten, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Italien, Kanada, Japan, Norwegen, Polen, Spanien und dem Vereinigten Königreich.
Als „Berlinale-Blogger“ schildern sie auf und unter dem Hashtag #Berlinaleblogger auf Instagram und Twitter die besten Berlinale-Momente, schreiben Filmkritiken und interviewen Filmschaffende. Die Berlinale-Blogger gibt es bereits zum vierten Mal. Das multinationale Team ist rund um den Potsdamer Platz und in ganz Berlin unterwegs auf der Suche nach spannenden Geschichten im Kino und hinter den Kulissen.
Nun wünsche ich Ihnen allen viel Vergnügen, jetzt beim Goethe-Frühstück, aber vor allem in den nächsten Tagen beim Filmeschauen, damit Sie wieder neue und überraschende Impulse mit in die Goethe-Welt hinausnehmen können.
Herzlichen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.