28. August 2022
Mohamed Abla, Tali Nates, Nimi Ravindran und Shiva Pathak mit Goethe-Medaille 2022 geehrt

In Weimar wurden heute vier Persönlichkeiten für ihren Einsatz im internationalen Kulturaustausch mit der Goethe-Medaille geehrt: der bildende Künstler Mohamed Abla aus Ägypten, die Historikerin Tali Nates aus Südafrika sowie Nimi Ravindran und Shiva Pathak vom Sandbox Collective aus Indien. Das Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland wurde von der Präsidentin des Goethe-Instituts Carola Lentz in Anwesenheit von Außenministerin Annalena Baerbock verliehen. Carola Lentz blickte in ihrer Rede auf die Geschichte der seit 1955 vergebenen Goethe-Medaille in Weimar als Spiegel der Auswärtigen Kulturpolitik und auf deren gegenwärtige Relevanz. Außenministerin Baerbock würdigte in ihrem Grußwort das gesellschaftliche Engagement der Preisträger*innen.

Carola Lentz hob hervor: „Mohamed Abla engagiert sich seit Jahrzehnten in der ägyptischen Kulturszene für Verständigung und Meinungsfreiheit. Tali Nates hat mit dem Johannesburg Holocaust & Genocide Centre einen zentralen Ort der Erinnerung geschaffen, der nach den Wurzeln des Holocausts und des Genozids in Ruanda fragt und auslotet, was wir daraus mit Blick auf aktuelle Menschenrechtsfragen lernen können. Nimi Ravindran und Shiva Pathak setzen sich kritisch mit Konzepten von Identität, Inklusivität und Diversität auseinander und kämpfen für eine freie, mitfühlende und gleiche Gesellschaft. Alle vier Preisträgerinnen und Preisträger sind mutige Vorkämpfer in ihrer eigenen Gesellschaft, und sie stiften produktive Verbindungen mit engagierten Kulturakteuren weltweit. Sie stehen für die Hoffnung, dass internationaler Kulturaustausch auch in schwierigen Zeiten zu einer humaneren Zukunft beiträgt. Ich wünsche mir sehr, dass die Verleihung der Goethe-Medaille ihre Arbeit ermutigt und beflügelt.“

Außenministerin Annalena Baerbock betonte: „In Zeiten, in denen russische Raketen Museen und Theater in der Ukraine in Schutt und Asche legen und Autokratien weltweit gesellschaftliche Freiheiten einschränken, muss Auswärtige Kulturpolitik weiterhin fester Bestandteil unserer Außenpolitik sein. Freie Kunst und Medien sind der Herzschlag einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft. Deswegen ehren wir heute mit der Goethe-Medaille vier Kulturschaffende, die sich in ihren Ländern genau diesem Ziel verschrieben haben – unter anderem durch Erinnerungsarbeit mit Blick auf den Holocaust, durch Engagement für den Schutz von Künstlerinnen und Künstlern und durch den Einsatz für die Rechte der queeren Community.“

Der Thüringische Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Benjamin Immanuel Hoff und der Oberbürgermeister Peter Kleine sprachen ebenfalls Grußworte zum Festakt.

Der Islamwissenschaftler und Schriftsteller Stefan Weidner hielt die Laudatio auf Mohamed Abla und würdigte darin die Besonderheit seiner künstlerischen Arbeit: „Mohamed Ablas Werk ist eines, das im ständigen Dialog mit den Umständen, mit der Zeit entsteht, das Antworten sucht, Resonanzen gewährt und, gerade in seinen Brechungen ein Spiegel ist, kein Megaphon, in das ein aufgeblasenes Ego hineinbrüllt und allen seine Weltsicht unterjubeln will. Das Werk, das Mohamed Abla malt, formt und bildet, hat für mich eine epische Qualität. (…) Ich lese daraus Ägypten und das südliche Mittelmeer, Afrika, den Nahen Osten, dazu Echos und Klänge aus Europa. Ich lese daraus die Ägypterinnen und Ägypter, ihre Zeit, ihre Politik, ihren Widerstand, ihr Durchhaltevermögen, ihre Stimmungen, Ängste, Hoffnungen. Ihre Wut und ihre Liebe.“ Mohamed Abla betonte: „Geschichten sind zentral für meine Arbeit. Sie sind das, was meine Kunst ausmacht und mich dazu bewegt, zu malen. Ein Satz, eine Metapher, ein Witz – die Geschichten dahinter inspirieren mich.“

Die Konfliktforscherin und Politologin Annette Weber hob in ihrer Laudatio auf Tali Nates hervor: „In ihrer wissenschaftlichen, persönlichen und kuratierenden Arbeit zum Holocaust und Genozid im 20. Jahrhundert bringt Tali Nates eine zentrale Perspektive ein, die diese Geschichte über Deutschland und Europa hinausdenkt, und das globale Nachwirken der Shoah aufweist. (…) Die Aufgabe, die sie und das Johannesburg Holocaust & Genocide Centre sich stellen, ist wahrzunehmen, dass Taten massiver Gewalt ihr Ende keineswegs mit der Jahrhundertwende gefunden haben, und sich genau deshalb einem lebendigen ‚Nie Wieder‘ zu widmen – um aus der Erinnerung eine Handlung für die Gegenwart zu entwickeln.“ Tali Nates unterstrich: „Sich engagieren, das war für mich persönlich wichtig, für uns alle. (…) Ich bin die Kerze der Erinnerung, halte das Gedenken an meine Familie wach. Dieses Zentrum, das Johannesburg Holocaust & Genocide Centre, ist auch eine Art Vermächtnis, darauf bin ich sehr stolz, für die Ermordeten und die Überlebenden. Es entstand aus Leidenschaft für die Geschichte und um aus der Geschichte zu lernen.“

Die Kommunikationsberaterin und Moderatorin Prasanna Oommen machte in ihrer Rede auf das Theaterkollektiv Sandbox Collective deutlich: „Verbindendes Element all ihrer Tätigkeiten ist ihre Haltung. Sie haben sich entschieden, die Erzählung über die zeitgenössische künstlerische Produktion in Indien nicht denjenigen zu überlassen, die ein zunehmend nationalistisches und hetero-normatives Narrativ verbreiten. Diese Auszeichnung ist also nicht nur eine Anerkennung der Arbeit des Sandbox Collective, sondern sendet darüber hinaus ein wichtiges Signal. Für alle Kulturschaffenden, die sich für mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Augenhöhe, nicht nur in repressiven Systemen, sondern auch in einem durch-kapitalisierten oder auch elitär-eurozentristischen Kunstmarkt einsetzen.“ Nimi Ravindran und Shiva Pathak vom Sandbox Collective stellten heraus: „Uns geht es nicht um Hierarchien, sondern um Beziehungen. Wir knüpfen Langzeitbeziehungen in unserer Stadt, unserem Land, sonstwo auf der Welt. Am besten beschreibt man unsere Projektarbeit mit dem Begriff ‚cross pollination‘, es ist eine Art ‚kreative Kreuzbestäubung‘. (…) Was wollen wir? Eine Welt, in der wir frei sind, in der Künstlerinnen und Künstler sich ausdrücken können, ohne Angst, festgenommen zu werden für das, was sie sagen, singen oder tanzen – gleichberechtigter, inklusiver, mitfühlender.“

Der Festakt zur Verleihung der Goethe-Medaille wurde begleitet von Filmporträts der Preisträger*innen, die von der Deutschen Welle in Kooperation mit dem Goethe-Institut produziert wurden. Sie sind ab sofort auf dem Youtube-Kanal des Goethe-Instituts zu sehen: www.youtube.com/goethe-institut  

Studierende des UNESCO-Lehrstuhls für Transcultural Studies der Musikschule Franz Liszt haben eigens für den Festakt komponierte Stücke aufgeführt.

Pressefotos von den Preisträger*innen und von der Verleihung finden Sie unter: www.goethe.de/bilderservice
 
Die Pressemappe mit näheren Infos zu den Preisträger*innen sowie den vollständigen Laudationes unter: www.goethe.de/pressemappe
 
Nähere Infos zur Goethe-Medaille: www.goethe.de/goethe-medaille


Kontakt:

Susanne Meierhenrich
Pressebeauftragte Goethe-Medaille
Tel.: 0171 742 1717
meierhenrich@mh-kk.de 

Viola Noll
Stellv. Pressesprecherin
Goethe-Institut Hauptstadtbüro
Tel.: 0160 96 99 09 95
noll@goethe.de 


Über die Goethe-Medaille
Seit 1955 verleiht das Goethe-Institut einmal im Jahr die Goethe-Medaille als offizielles Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Goethe-Medaille werden Persönlichkeiten aus aller Welt – seit einiger Zeit drei Kulturakteur*innen pro Jahr aus unterschiedlichen Regionen – geehrt, die sich in besonderer Weise um die Vermittlung der deutschen Sprache sowie den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben. Die Goethe-Medaille ist der wichtigste Preis der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Zu den insgesamt weit über dreihundert Preisträger*innen gehören, unter anderem: Daniel Barenboim, David Cornwell alias John le Carré, Ágnes Heller, Petros Markaris, Jorge Semprún, Robert Wilson, Neil MacGregor, Helen Wolff, Juri Andruchowytsch, Irina Scherbakowa, Shirin Neshat, Ariane Mnouchkine, Yoko Tawada, Sofia Gubaidulina, Dogan Akhanli, Zukiswa Wanner und Princess Marilyn Douala Manga Bell.
 
Die Kandidat*innen für die Goethe-Medaille werden von den Goethe-Instituten in aller Welt in Abstimmung mit den deutschen Auslandsvertretungen nominiert. Aus diesen Vorschlägen entwickelt die Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille eine Auswahl von Preisträger*innen, die das Präsidium des Goethe-Instituts bestätigen muss. Die Goethe-Medaille basiert auf dem engen Austausch der Mitarbeiter*innen des Goethe-Instituts in aller Welt mit den unterschiedlichen lokalen Kulturszenen und ihrer Beobachtung zeitgenössischer kultureller und zivilgesellschaftlicher Entwicklungen. Die Verleihung der Goethe-Medaille macht dem Publikum in Deutschland weltweit relevante kulturelle Themen, Akteur*innen und zukunftsweisende Strömungen bekannt und unterstützt die Internationalisierung der deutschen Kulturlandschaft. Seit 1992 findet die Verleihung der Medaille in Weimar statt, seit 2009 am 28. August, Goethes Geburtstag. Gemeinsam mit dem Kunstfest Weimar richtet das Goethe-Institut ein Begleitprogramm aus, das Möglichkeiten zur Begegnung mit den Preisträger*innen bietet. Seit 2022 können die Preisträger*innen im Rahmen einer Netzwerkreise nach Deutschland ihre Beziehungen zu in Deutschland arbeitenden Institutionen und Personen stärken oder neu knüpfen.

Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille
Franziska Augstein (Journalistin), Christina von Braun (Vertreterin des Präsidiums und Vorsitzende der Kommission bis 23.11.2021, Kulturwissenschaftlerin), Meret Forster (Redaktionsleiterin Musik, BR-Klassik), Olga Grjasnowa (Schriftstellerin), Matthias Lilienthal (Dramaturg und Intendant), Moritz Müller-Wirth (Journalist, Die Zeit), Cristina Nord (Berlinale Forum, Sektionsleiterin Berlin), Thomas Oberender (Vertreter des Präsidiums und Vorsitzender der Kommission seit 24.11.2021, Autor und Dramaturg), Insa Wilke (Literaturkritikerin); in Vertretung des Auswärtigen Amts: Ralf Beste (Leiter der Abteilung Kultur und Gesellschaft); in Vertretung des Goethe-Instituts: Carola Lentz (Präsidentin des Goethe-Instituts) und Johannes Ebert (Generalsekretär des Goethe-Instituts).


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