Sweating for Europe
Diskussion im Bademantel

Teilnehmer des Projekts in Brüssel
Teilnehmer des Projekts in Brüssel | Foto: Caroline Lessire

Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie Bürgerinnen und Bürger kommen sich in und um eine mobile Sauna näher. In entspannter Atmosphäre debattieren sie über Politik und Kultur. Ein Event, das Brüssel noch nicht erlebt hat – zum 100. Geburtstag Finnlands.
 

00:01
00:00
Progressive stream type not supported or the stream has an error (SOURCE_PROGRESSIVE_STREAM_ERROR)
Einladung zu „Sweating for Europe“


Es ist früher Abend und der Arbeitstag für die meisten der 751 Europa-Abgeordneten in Brüssel noch nicht zu Ende. Der Geruch von verbranntem Holz weht um die Ecken der Bürogebäude vor der Place du Luxembourg. Sicherheitsleute und Soldaten stehen bereit. Doch noch beobachten sie aus der Distanz die Vorbereitungen, die rund um das rote Feuerwehrauto des Berliner Künstlers Dida Zende im Gange sind. Bäume in Pflanzenkübeln werden aufgestellt, Umkleidekabinen installiert, ebenso eine Wasserleitung für eine Dusche. Farbige Liegen stehen dekorativ auf dem grauen Steinboden und einige Plakate mit dem Aufdruck „Sweating for Europe“ werden aufgehängt. So lautet der Titel des Projekts des Goethe-Instituts Finnland. Manch langwierige Debatte bringt ihre Teilnehmer im europäischen Parlament zum Schwitzen; aber zu Diskussionen in und um ein altes Feuerwehrauto, das zu einer mobilen Sauna umgebaut ist, dazu hatte bislang in der belgischen Hauptstadt noch niemand geladen.

Ein unerwarteter Kontext tut gut

Bei der Fülle der Kulturtermine, die im Brüsseler Kalender stehen, muss man sich als Veranstalter schon etwas einfallen lassen, um Interesse zu wecken. Die Diskussionsreihe „Sweating for Europe“, die das Finnische Kulturinstitut zusammen mit dem Goethe-Institut Brüssel, der Alliance Francaise, Eunic Brüssel, dem portugiesischen Instituto Camões, der finnischen Sauna Society, Bozar und Visit.Brussels von 24. bis 27. April 2017 organisiert hatte, versprach ein ungewohntes Setting. „Europa steht in diesen Tagen vor vielen Herausforderungen, denken wir nur an die Wahlen in Frankreich“, sagt Susanne Höhn, Leiterin des Goethe-Instituts in der Region Südwesteuropa, die von der Idee dieser Reihe von Anfang an begeistert war. „Um einen frischen Blick auf die Probleme zu entwickeln, tut ein unerwarteter Kontext gut. Warum also nicht die EU-Parlamentarier in die Sauna schicken?“

Bis zur letzten Sekunde für Europa

„Die Sauna ist in unserem Land beinahe etwas Heiliges“, sagt Aleksi Malmberg, Leiter des finnischen Kulturinstituts in Brüssel. Das nordische Land feiert in diesem Jahr den 100. Jahrestag seiner Gründung. Da lag es für Malmberg nahe, die Sauna zum Jubiläums-Thema zu machen: „Die Sauna bringt Menschen zusammen und lässt sie einander besser verstehen“, sagt er. Darauf setzte wohl auch Lucy Anderson, britische Parlamentarierin (Labour), die nicht lange überzeugt werden musste, mitzumachen. Mit ihren deutlichen Worten gegen den Brexit und für die EU rührte sie die Zuhörer. Nach einer Schwitzrunde saß sie mit anderen Parlamentarieren im weißen Frotteemantel vor Publikum im Parlamentsgebäude und sagte: „Wir haben verstanden, dass es eine Wahl gab. Trotzdem hoffe ich, dass es ein Überdenken der Situation geben wird.“ Und sie versprach, bis zur letzten Sekunde für Europa zu arbeiten.

Brüssel ist nicht an allem schuld

Mikko Fritze, neuer Goethe-Institutsleiter in Amsterdam und Finnisch sprechender Moderator des ersten Abends, fragte nach dem „heißesten“ Thema, das die Parlamentarierinnen und Parlamentarier momentan beschäftige. „Frankreich und die Türkei“, war man sich einig, aber auch die drohende Hungersnot in einigen afrikanischen Ländern. Die finnische Grünen-Politikerin Heidi Hautala mahnte, die Situation dort sei ein Wettlauf mit der Zeit. „Was läuft falsch in Europa?“, fragte ein Mann aus dem Publikum. Merja Kyllönen (NGL) bekannte, dass sie sich zu sehr von dem „normalen Leben der Menschen“ entfernt fühle und mahnte, nicht länger auf die Regeln der Märkte zu hören. Heide Hautala konterte: „Schaut doch mal, was Europa alles erreicht hat. Manche Länder geben Brüssel die Schuld für ihre eigenen Probleme.“

Wie sexy ist Europa?

Wie sie denn Europa beschreiben würden, wenn es eine Person wäre, fragte die Autorin Katja Kullmann als Moderatorin die Abgeordneten am zweiten Sauna-Abend. „Schön“, antwortete Jo Leinen (SPD) aus Deutschland, obwohl ihm Persönlichkeiten wie Mitterrand oder Kohl fehlten. Nicht mehr ganz so sexy wie am Anfang, meinte der tschechische Liberale Pavel Telicka. Er verglich Europa mit einer alternden Dame. Letztendlich waren sich aber alle Abgeordneten, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, einig, dass man für den Zusammenhalt kämpfen werde. Die Arbeit am europäischen Projekt wird noch viel Schweiß kosten.
  • Teilnehmer beim Interview Foto: Caroline Lessire
    Teilnehmer beim Interview
  • Merja Kyllönen, Mitglied der Confederal Group of the European United Left - Nordic Green Left Foto: Caroline Lessire
    Merja Kyllönen, Mitglied der Confederal Group of the European United Left - Nordic Green Left
  • Teilnehmer nach dem Saunagang Foto: Caroline Lessire
    Teilnehmer nach dem Saunagang
  • Jo Leinen: Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament Foto: Caroline Lessire
    Jo Leinen: Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament
  • Aleksi Malmberg, Mikko Fritze und Merja Kyllönen Foto: Caroline Lessire
    Aleksi Malmberg, Mikko Fritze und Merja Kyllönen
  1. 1
  2. 2
  3. 3
  4. 4
  5. 5