Gudrun Gut
Ein Künstler ist nicht nur ein Künstler
Gudrun Gut ist eine Frau, die unaffektiert daher kommt. Seit über dreißig Jahren ist sie aus der Berliner Musikszene nicht wegzudenken. Im Gespräch redet sie offen über ihre kreativen Prozesse, die vielseitigen Aspekte ihrer Profession und die Rolle von Frauen in der Musikbranche.
Gudrun, du bist nun schon seit über dreißig Jahren in der Musikszene aktiv. Es ist schon eher ungewöhnlich, dass jemand nicht nur eine Bewegung stark mitbeeinflusst hat, wie du Anfang der 80er Jahre die Genialen Dilletanten, sondern auch dreißig Jahre später noch neue Sounds entwickelt und experimentiert. Wie schätzt du deine Entwicklung selbst ein und wie identifizierst du dich heute als Künstlerin?
© Gudrun Gut
Für mich war das ein ziemlich langer Weg innerhalb der Musikbranche. Ich habe mich hin und her bewegt. Es war am Anfang so, dass ich als Künstlerin ziemlich schnell gemerkt habe, dass es nicht nur die künstlerische Idee ist die da zählt, sondern auch sehr stark wie sie dann an den Mann gebracht wird. Wie also zum Beispiel das Studio funktioniert, wie die Musik dann vom Label in die Welt gesetzt wird, welche Festivals man spielt und so weiter. Ich habe mich dann auch immer mehr darum gekümmert, was dazu gehört, um die Trabanten, die um einen Künstler herum agieren. Ein Künstler ist nicht einfach nur ein Künstler, sondern es gehört immer noch mehr dazu. Das habe ich dann auch immer mehr für mich erforscht. Zum Beispiel, sagen wir mal die 80er Jahre waren stark Band-orientiert, und dann in den 90ern habe ich mich eher davon emanzipiert und bin in Richtung Solo gegangen, wo ich dann aber immer noch viel mit anderen Leuten zusammengearbeitet habe. Ende 1997 habe ich dann mein Label gegründet, Monika, und auch eine Radioshow mit Thomas Fehlmann gemacht - Oceanclub Radio. Das ging von 1997 bis ungefähr 2007, immerhin zehn Jahre meines Lebens, in denen ich dann auch ziemlich viele Festivals kuratiert und mein Netzwerk aufgebaut habe. Mir war das aber so ein bisschen egoman, dieses Künstlerdasein.
Du hast über die Jahre hinweg viel kollaboriert, in unterschiedlichen Bands gespielt. Ich finde es faszinierend, dass es doch relativ spät war, dass du deine erste Solo-Platte herausgebracht hast.
Ja, das ist eigentlich so eine Pseudo-Platte. Ich habe eben in vielen Bands gearbeitet, dann habe ich viel mit Myra Davies gemacht. Da habe ich die Musik alleine produziert, viele Hörspielmusiken gemacht, und sie die Texte. Ich war für die Produktion und die Musik zuständig. [Es gab] schon auch ein paar Solo-Sachen. Members of the Oceanclub kann man als meine Solo-Platte bezeichnen, aber eben nicht so richtig, weil doch wieder viele Gäste dabei waren. Ich spiele auch nach wie vor gerne mit anderen Leuten zusammen. Das macht mir unheimlich Spaß. Nach einer Solo-Platte kommen bei mir mindestens zwei Kollaborationsprojekte.
Von der Cassette zum Computer
In einem Interview von 1981 sprichst du von dem Prozess, wie du damals deinen Sound entwickelt hast: Krach machen, auf Cassette aufnehmen, experimentieren und weiterentwickeln. Wie laufen dagegen deine kreativen Prozesse heutzutage ab?
Das ist natürlich technisch anders. Ich war da auch immer recht offen. Es gab ja damals keine Computer und wir haben uns dann, als die ersten Atari mit Cubase, Creator, Notator rauskamen, mit Matador bereits vom Proberaum verabschiedet und angefangen zu programmieren. Das ist ein ähnlicher künstlerischer Prozess. Es geht darum, dass man irgendwie ziemlich frei die Sachen selber entwickeln kann. Das ist genauso, wie wenn man es auf Cassette aufnimmt und sich da Sachen rausfischt. Mit dem Computer konnte man es dann nur final besser bearbeiten. So hat sich das bei mir dann immer mehr zur Elektronik hin entwickelt. Von der Essenz ist es aber dasselbe.
Du warst in den 80ern bei den Einstürzenden Neubauten, Mania D, Malaria!
Erst war Mania D. Wir haben dann bei Blixa [Bargeld] unten in seiner Wohnung geprobt. Wir waren die erste Band. Und dann hat Blixa mit Andrew [N.U. Unruh] die Neubauten gegründet, und mich und Beate [Bartel] gefragt, ob wir da mitspielen. Wir waren nur im ersten Jahr dabei. Mania D war für mich eigentlich die wichtigere Band. Da konnten wir mehr unsere eigenen Sachen machen. Und danach kam Malaria! Wir hatten tatsächlich alle sehr viele Bands.
Eine Berliner Sache
Hatte man damals ein Verständnis dafür, wie diese Geniale Dilletanten Bewegung später wahrgenommen werden könnte? Macht man sich darüber Gedanken?
Wir finden das alle übrigens etwas komisch, dass es so bundesweit wahrgenommen wird mit den Genialen Dilletanten. Das war ganz klar eine Berliner Sache. Das ist Berliner Statement gewesen. Wenn du damals in der 80ern in Köln einem gesagt hättest, ihr seid ja Geniale Dilletanten, der hätte das bestimmt nicht unterstützt. Es war ein Festival in Berlin und das Buch von Wolfgang Müller wickelt eigentlich so ein bisschen die Berliner Szene auf. Da wurde zu dem was wir gemacht haben eine Art Überbau geschaffen.
Während du hier in Australien sein wirst, nimmst du zusammen mit Jasmine Guffond und Gail Priest an einer Podiumsdiskussion in der Ambush Gallerie in Sydney, zum Thema ‚Starke Frauen in der Kunst‘ teil. Hat sich zum Thema Frauen in der Musikszene etwas getan?
Ich finde da hat sich nicht viel getan. In den 80er Jahren in Berlin, als ich angefangen habe, gab es viele Frauen, die etwas gemacht haben. Das war ziemlich bunt gemischt. Und für mich war das eine Zeit, gerade wenn man um die zwanzig ist, in der man denkt, dass die Welt sich irgendwie verändert und jetzt alles ganz anders wird. Es war dann aber doch nicht so. Am Ende waren dann quasi nur noch Jungs übrig in der Musikszene.
Ich bin auch aktives Mitglied von female:pressure. Wir haben da vor ein paar Jahren eine Erzählung gemacht, und auch immer wieder Aktionen, wo man einfach mal guckt. [female:pressure] ist ein weltweites Netzwerk von ganz vielen Musikerinnen im Elektronikbereich. Wir haben uns natürlich auch aufgeregt; warum werden wir nie auf die Festivals eingeladen. Und wenn ich auf den Festivals spiele, bin ich meistens die einzige Frau. Es ist tatsächlich so, dass weltweit die Quote der Produzentinnen unter zehn Prozent liegt. Das ist wirklich eine Katastrophe, finde ich. Das wird auch total unterschätzt. Da gibt es die ein, zwei Sängerinnen, die in den Charts sind und dann meinen alle es ist doch alles gleichwertig. Es ist aber nicht alles gleichwertig.
Heimatlieder aus Deutschland
Kannst du uns abschließend noch etwas über deine aktuellen Projekte erzählen? Was steht in nächster Zeit bei dir an?
© Gudrun Gut
Das aktuellste Projekt ist gerade HAU [Hebbel am Ufer, Berlin]. Wir haben alle einen Heiner Müller Text in Musik umgesetzt. Da wurde ein Videoclip zu gemacht, und das führen wir jetzt auf. Und dann habe ich gerade zwei Albumprojekte, die fast abgeschlossen sind. Das eine ist besonders interessant, ein Remix-Projekt: Heimatlieder aus Deutschland. Das sind Musiker aus allen Herren Ländern, die in Deutschland wohnen, also aus Marokko, Bulgarien, Rumänien, Kuba und so weiter, die so ein bisschen ihre Wurzeln pflegen, auch so alte Lieder ausgraben, das ist ganz toll. Da habe ich jetzt acht Stücke geremixt, also quasi meinen Senf dazu gegeben. Wirklich ein wahnsinnig interessantes Projekt.
Vielen Dank für das Gespräch Gudrun.