Bicultural Urbanite Luke
Hafenleben
Berlin hat sich im Laufe der Jahre mehr und mehr zu einem gehypten internationalen Zentrum für globalisiertes Leben entwickelt, ein cooler Faktor der jedoch oft den Charme des restlichen Deutschlands überschatten kann. Ich begab mich daher auf einen Kurztrip Richtung Norden, um die zweitgrößte Stadt des Landes besser kennenzulernen.
Von Luke Troynar
Nicht umsonst ist Berlin eine so attraktive Stadt für Auswanderer. Die aufstrebende Startup-Szene bietet Englischsprachigen zahlreiche Karrieremöglichkeiten, die Mieten sind ist im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten wie London und Paris immer noch relativ günstig, und die liberale Kultur und das Nachtleben sind weltweit nach wie vor schwer zu übertreffen. Aus diesem Grund können Expats wie ich leicht in die Falle geraten, zu vergessen, was der Rest Deutschlands zu bieten hat.
Es hilft natürlich nicht, dass Berliner mit denen man sich hier anfreundet, etwas hochnäsig gegenüber anderen deutschen Städten sind. Wobei diese Haltung einem Melbournianer wie mir, der in all meinen dreiundzwanzig Jahren in Down Under kaum einen Fleck von Australiens sonnenverbranntem Land außerhalb von Victoria gesehen hat, nur allzu vertraut ist. Und wenn es um Konkurrenzbereitschaft und Heimatstadt-Stolz geht, hören die Ähnlichkeiten auch hier nicht auf. Je näher ich die Berliner im Laufe der Jahre kennenlernte, desto mehr wurde mir klar, dass insbesondere Berlins Beziehung zu Hamburg die jahrhundertealte Rivalität zwischen Melbourne und Sydney widerspiegelt.
Zu Hause ist Melbourne so etwas wie das Berlin von Australien, das dafür bekannt ist, exzentrisch, unkonventionell und kulturell unnahbar zu sein - eine Stadt mit mühelos angesagten Backstreet-Partys und Mode die kultiviert, doch absolut on-point ist. Sydney hingegen scheint in diesem Szenario wie Hamburg zu sein, das sich durch einen eher bürgerlichen und malerischen Charme auszeichnet: eine Stadt, umgeben von idyllischen Uferpromenaden und mit dem Opernhaus als funkelndem Juwel in der Krone, ähnlich wie Hamburgs eigene glamouröse postmoderne Konzerthalle, die Elbphilharmonie.
Besser spät als nie
Letztes Wochenende machte ich mich endlich auf, Berlins am Wasser gelegenen Cousin zu erkunden, und fragte mich, warum ich das nicht längst schon früher mal getan hatte. Nach bloß zwei Stunden Fahrt mit der deutschen Bundesbahn habe ich Fischbrötchen am Hamburger Hafen geschlemmt und einen Vorgeschmack auf das dortige Hafenleben bekommen.Das erste was mir an Hamburg auffiel, war die etwas wärmere Art der Einheimischen, insbesondere im Kundenservice. Jeder, der als Ausländer in Berlin gelebt hat - vor dem Aufschwung der von Expats geführten Restaurants in all ihrer einschmeichelnden Pracht -, wird mit der notorisch schroffen Berliner Haltung zur öffentlichen Gastfreundschaft gut vertraut sein. Die Hamburger scheinen unterdessen weniger mürrisch und daran interessiert zu sein, euch so schnell wie möglich rein und wieder raus aus dem Café zu bekommen, als vielmehr daran, mit eurem Kaffee auch ein freundliches Lächeln zu servieren.
Dies ist ein Unterschied, der sich im allgemeinen Fluss beider Städte widerzuspiegeln scheint, wobei das Leben Hamburgs in einem weniger aggressiven, wenn auch weniger aufregenden Tempo fließt. Ein deutscher Geschäftsinhaber in einem stilvollen Kaffeehaus scherzte sogar, dass Berlin „nicht wirklich seine Art von Stadt“ sei, als er fragte, woher wir denn kämen. Er erzählte uns, wie auch er der deutschen Hauptstadt einmal eine Chance gegeben hatte, bevor er dann jedoch wieder nach Norden zurückkehrte, ein unaufgefordertes Schäkern, das in einem vergleichbaren Café in Berlin eher unwahrscheinlich wäre.
Kleines Theater, großer Klang
Nach ein paar Stunden hatten sich meine Gefährten und ich dann bereits in diesen Rhythmus eingelebt. Wir schlenderten durch die Straßen, die sich oft ein bisschen wie Berlin mit einem nordischen Touch anfühlen, und stöberten neugierig durch St. Pauli, ein Stadtteil der für sein Rotlichtmilieu berüchtigt ist.Auf den Rat, dass keine Reise nach Hamburg ohne einen Besuch in der Elbphilharmonie vollständig sein würde, besuchten wir abends den grandiosen Konzertsaal am Wasser, um den ukrainischen Pianisten Lubomyr Melnyk spielen zu hören. In dem glasbedachten Gebäude fühlte sich die Gesellschaft anders an als bei einer Melnyk-Show in Berlin - ein bisschen älter, ein bisschen posher. Die lange, steile Fahrt mit der Rolltreppe durch einen futuristischen weißen Tunnel zu den Kammerhallen war fast genauso beeindruckend wie der Kleine Saal selbst, mit seinen hölzernen wirbelartigen Wänden, eine moderne Leistung des akustischen Sounddesigns.
Alles in allem war die Elbphilharmonie wahrscheinlich der Höhepunkt meines kurzen Besuchs im Norden. Zwar gibt es einiges für den Hamburger Flair zu sagen, jedoch vermisste ich bereits nach kurzer Zeit die fieberhafte Stimmung und spitzbübische Atmosphäre die in der Berliner Luft hängt - das schroffe Stadtbild und die voller Energie und Eigenartigkeit pulsierenden Straßen; Diese dekadenten Post-Punk Ecken der Stadt, die trotz der sich schnell gentrifizierenden Metropole immer noch vereinzelt in Berlin zu finden sind, und wo absolut alles und jedes möglich ist. Kurz gesagt, sollte wirklich etwas Wahres an dem Vergleich zwischen Melbourne - Sydney und Berlin - Hamburg sein, dann hat diese Reise nur bewiesen, dass ich immer noch durch und durch ein Melbourne-Boy bin.