1980er-Jahre
Ein wildes Jahrzehnt meldet sich zurück
Oversize-Mäntel, Glitzerbroschen, Minirock und Gürteltasche – die Achtzigerjahre sind wieder da. Zumindest einige Schlüsselelemente zeigen sich wieder auf Laufstegen und vor allem auf deutschen Großstadt-Bürgersteigen.
An die 1980er-Jahre könne man sich nicht erinnern, wenn man sie erlebt habe, sagte der Superpopstar dieser Dekade, der Österreicher Falco. Für die meisten aber gilt wohl, dass sie sich an die Mode der Zeit nicht erinnern wollen, vor allem wenn sie selbst dabei waren – zu grell und bunt waren die meisten Sachen, zumindest in der Jugendkultur, zum Beispiel Stichwort Tigerleggings, Spitzenhandschuhe und neonfarbene Stulpen. Und was in der Zeit nicht bunt war, war zumindest ziemlich kurz, wie die Lederröcke, oder ziemlich groß, wie die meisten Oberteile. Es wurde wild und nicht immer stilsicher kombiniert, alles schien erlaubt. Die Einflüsse kamen oft ungefiltert direkt aus den Fitnesscentern oder aus den US-amerikanischen Ghettos auf die Laufstege. Anderseits bestimmten aber auch elegante Modemacher wie Giorgio Armani den Look dieser Jahre, und die puristische Deutsche Designerin Jil Sander sollte sich in den 1980er-Jahren mit ihrem hohem Anspruch an Schnitt und Qualität für immer als Queen of Less in der Modegeschichte verewigen.
Das 1980er-Jahre-Revival ist auch ein deutsches Street-Style-Phänomen
Im Moment scheint es allerdings so zu sein, dass sich nicht diese elegante Gediegenheit, sondern eher die bunte, spaßige Seite der Achtzigerjahre mit Macht ihren Weg aus der Versenkung bahnt. Nicht in allen Details, und in Deutschland nicht so bestimmend auf den Laufstegen wie in England, wo J. W. Anderson und Gareth Pugh mit kompromisslosem 80er-Style begeisterten.Aber auf der Straße werden mehr und mehr Plastikohrringe, Dauerwellen-Haar-Tuffs und Oversize-Mäntel gesichtet. In den Berliner Galerienvierteln, wo in Deutschland zuverlässig die Trends für die nächsten Jahre gesetzt werden, sieht man junge Frauen in Mom-Jeans, bis zur Taille hochgezogenen Karottenform-Hosen, die dazu oben auf dem Kopf eine auftoupierte Lockenpracht tragen – und nicht mehr länger Skinny-Jeans und den legendären Berliner Dutt, der es von hier als Trend-Frisur in die ganze Welt geschafft hat. Dazu wird noch ein Riesen-Blazer übergeworfen – fertig ist der aktuelle Berliner Boheme-Look. Zunehmend knoten sich Trägerinnen auch noch einen Scrunchie, ein großes Samtgummiband, dazu in die Haare, und tragen in einer bedruckten Gürteltasche runde Sonnenbrillen aus der Mykita-/Damir-Doma–Kollektion durch die Gegend.
Auf den offiziellen Laufstegen in Berlin dominieren dagegen mit Bobby Kolade, Michael Sonntag und Malaika Raiss zurzeit drei Modemacher, die sich vor allem den frühen Nullerjahren widmen. Aber die farbenfrohen Kollektionen des Shooting-Stars Kolade zeigen durchaus auch Anleihen an die Achtziger. Und auch bei Kaviar Gauche, einem Label, das mit Fransentaschen seit einiger Zeit sehr erfolgreich ist, präsentiert sich zwar nicht unbedingt die bunte, aber sicher eine dunkel-rockige Variante dieser Zeit.
Der Deutsch-Georgier Demna Gvasalia zeigt die anarchistische Seite der 1980er-Jahre-Mode
Auch international wirken die Deutschen beim Achtzigerjahre-Revival mit, angefangen bei Karl Lagerfeld, der für Chanel gerade einen Two-Tone-Slingpumps aufgelegt hat, der direkt aus dieser Zeit kommen könnte, bis zum Label Jil Sander, das ja einst das Power-Dressing mit-erfunden hat, und das mit dem neuen Kreativdirektor Rodolfo Paglialunga durchaus zu dieser Formensprache zurückfindet. Die erste deutsche Ausgabe der französischen Zeitschrift L’Officiel wartet entsprechend mit einer Achtzigerjahre-Strecke unter dem Titel Born to be wild auf, in der Jil Sander und Chanel starke Akzente setzen.Am spannendsten könnte aber die Entwicklung bei Demna Gvasalia sein. Der in der Modeszene gefeierte Deutsch-Georgier gehört dem Designkollektiv Vetements an und ist der neue Kreativchef bei Balenciaga. Seine Verweise auf die 1980er-Jahre sind deutlich zu sehen: Oversize-Schnitte, überlange Ärmel und dekonstruierte Kleider verwiesen auf den avantgardistischen Teil dieser Dekade und nehmen Bezug auf Martin Margiela sowie die Antwerpener Schule. Denn auch das ist ein wichtiger Bestandteil dieser als Bling-Bling-Jahrzehnt verrufen Zeit: Wo viel Glamour ist, entstehen auch immer Gegenbewegungen. In den Achtzigerjahren kamen auch intellektuell sehr anspruchsvolle, raue Kollektionen auf die Laufstege, die tendenziell alltagsuntauglich waren.