Desinformation
Auf der Jagd nach Falschmeldungen

Installation anlässlich der US-Präsidenschaftswahl im Januar 2021
So viel gelogen wie Donald Trump hat wohl keiner seiner Vorgänger im präsididalen Amt. Trump ist daher für viele zum Sinnbild von Falschmeldungen geworden, wie hier bei einer Installation anlässlich der US-Präsidenschaftswahl im Januar 2021. | Foto (Detail): © picture alliance/Goldmann

Gezielte Falschinformation kann sich im schlimmsten Fall zu einer konkreten Bedrohung unserer Demokratie entwickeln. Deshalb setzen zahlreiche Initiativen in Deutschland auf den Faktencheck im Netz. 
 

Von Petra Schönhöfer

Von Petra Schönhöfer

Rotten schwarze Eichhörnchen tatsächlich rote Eichhörnchen aus? So möchte es zumindest eine klassische Falschmeldung wissen, die seit Jahren im Zusammenhang mit xenophoben Theorien in den sozialen Medien kursiert. Fake News, alternative Fakten oder gezielte Desinformationen erzielen hier schnell eine enorme Reichweite und breite öffentliche Aufmerksamkeit. Das mag zunächst verhältnismäßig harmlos aussehen, wie im widerlegten Fall der angeblich eingewanderten aggressiven schwarzen Eichhörnchen. Doch Falschmeldungen können gravierende Folgen haben: Sie können Teil eines politisch motivierten Kampfes gegen die Demokratie sein, Wahlergebnisse beeinflussen, rechte Hetzkampagnen anzetteln, die Gesellschaft spalten.

Possierlich oder Bedrohung? Lange Zeit kursierte die (falsche) Behauptung, die eingewanderten schwarzen Einchhörnchen könnten die heimischen roten ausrotten.
Possierlich oder Bedrohung? Lange Zeit kursierte die (falsche) Behauptung, die eingewanderten schwarzen Einchhörnchen könnten die heimischen roten ausrotten. | Foto (Detail): © Picture alliance/Karin Schwan

Mit Faktencheck gegen Vertrauensverlust

Die Verunsicherung unter User*innen im Netz wächst: Wem können wir überhaupt noch Glauben schenken? Nach einer Untersuchung der Europäischen Kommission denken mehr als die Hälfte aller Deutschen, wenigstens einmal in der Woche mit irreführenden oder falschen Informationen konfrontiert zu werden. Vor allem die etablierten Medien müssen ihre Position im Kampf gegen Desinformation immer wieder behaupten. Zwar gehören Faktenchecks und die Überprüfung der Datenlage schon immer zu ihrem täglichen Handwerk, aber aufgrund der oft gezielten Desinformationskampagnen, die durch Soziale Medien noch befeuert werden, begannen viele Medienhäuser, Faktenchecks auch öffentlich zugänglich zu machen. 
 
So unterhalten in Deutschland mehrere Rundfunkanstalten eigene Faktencheck-Redaktionen. Der ARD Faktenfinder ist eine im Frühjahr 2017 gegründete Rechercheabteilung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkverbundes ARD. Sie ist der Tagesschau, der zuschauerstärksten Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen, zugeordnet. Das Faktenfinder-Team durchsucht das Internet nach Geschichten, die falsch erscheinen, aber das Potenzial haben, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen. Diese werden nachrecherchiert und die Ergebnisse veröffentlicht. Ein ähnliches Prinzip verfolgt der BR24 Faktenfuchs: Rund um Wahltermine und große öffentliche Debatten, aber auch für ganz alltägliche, wiederkehrende Falschinformationen, wird im Bayerischen Rundfunk das Team Faktenfuchs aktiv.

Mit investigativem Journalismus Veränderungen erzielen

„Gezielte Desinformation wird genutzt, um unsere Gesellschaft zu spalten, Hass zu verbreiten oder Geschäfte zu betreiben. […] Das erzeugt Unsicherheit und kann teilweise sogar gefährlich werden“, bestätigt das Redaktionsteam der mehrfach ausgezeichneten Initiative Correctiv aus Essen, die als Recherchezentrum für investigativen Journalismus in Deutschland gilt. Die Reporter*innen gehen systematisch Missständen, Korruption und unethischem Verhalten auf den Grund. Der CORRECTIV.Faktencheck deckt tagtäglich Falschinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten auf. „Mit unserer Arbeit stehen wir für eine offene und demokratische Gesellschaft ein. Wir recherchieren und berichten nicht nur, sondern wollen Veränderungen anstoßen“, so das Rechercheteam. Große Wirkung erzielten etwa die Recherchen zum CumEx-Steuerskandal, zu steigenden Mieten und die Aufdeckung der AfD-Spendenaffäre. 
 
In Österreich ist vor allem Mimikama Falschmeldungen auf der Spur: Der gemeinnützige „Verein mit dem Ziel der Aufklärung über Internetmissbrauch“ wurde 2011 von Thomas Wannenmacher gegründet, der sich selbst „fake hunter“ nennt und vor allem durch seinen Facebook-Account „Zuerst denken, dann klicken“ (ZDDK) bekannt wurde. Auf seinem populären Blog macht er aufmerksam auf Betrug, Abofallen, Spam, falsche Gewinnspiele, Falschmeldungen und schädliche Internet-Links. 
 
Andere Organisationen widerlegen Falschmeldung zu einem einzigen Thema, wie die Webseite Hoaxmap: Jedes Fähnchen auf dieser interaktiven Deutschlandkarte steht für eine Falschmeldung, die mit Flüchtlingen in Zusammenhang steht. Die Webseite EU vs. Disinfo wiederum dient dem Europäischen Auswärtigen Dienst zur Berichtigung von russischen Desinformationskampagnen.  

Eine Querdenker-Demo im Herbst 2019: Viele der Teilnehmer*innen verlassen sich mehr auf Facebook und Youtube als auf die etablierten Medien.
Eine Querdenker-Demo im Herbst 2019: Viele der Teilnehmer*innen verlassen sich mehr auf Facebook und Youtube als auf die etablierten Medien. | Foto (Detail): © picture alliance/dpa/Markus Scholz

Falschmeldungen identifizieren, Medienkompetenz stärken

Dennoch: 40 Prozent der Deutschen fühlen sich einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge beim Identifizieren von Fake News überfordert. Sie fragen sich immer noch: Woran erkenne ich eine Falschmeldung? Im Internet gibt es dazu Ratschläge und Tutorials, unter anderem auch bei der Aktion Tu Was der Polizei.

Falschmeldungen haben keine Chance, wenn Nutzer*innen die Mechanismen und Methoden gezielter Falschinformation durchschauen. Deshalb ist das Ziel vieler Initiativen, die Medienkompetenz vor allem jugendlicher Internetnutzer*innen zu stärken. Zeigt doch eine Forsa-Umfrage zum Safer Internet Day aus dem Januar 2021, dass 71 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren Social-Media-Kanäle als Quellen zur Information über Nachrichten heranziehen – allen voran Instagram (42 Prozent) und YouTube (41 Prozent). Auch deshalb unterhält Correctiv eine Online-Akademie, die in mehr als 1100 Tutorials in Form von Lernvideos und Übungsaufgaben Medienwissen und journalistisches Handwerk vermittelt. Das Team von Digitale Helden.de lehrt an Schulen den Umgang mit persönlichen Daten in sozialen Netzwerken. Außerdem machen sich Sensibilisierungskampagnen wie Klicksafe im Auftrag der Europäischen Kommission oder der Videowettbewerb Klickwinkel unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stark für einen aufgeklärten Umgang mit Informationen aus dem Netz.

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