Gastbloggerin Madeleine
Ein Rundgang durch Berlins englischsprachige Buchläden
Seit sie unlängst in der deutschen Hauptstadt eintraf, findet die australische Autorin und Buchhändlerin Madeleine Watts in Berlins Vielfalt an englischsprachigen Buchläden Zuflucht und Gemeinschaft.
Von Madeleine Watts
Seit ich erwachsen geworden bin und begonnen habe, allein in die Welt hinauszugehen, habe ich mich an einem neuen Ort stets anhand eines Besuchs der dortigen Buchläden orientiert. Buchläden sind ruhige, besinnliche Zufluchtsorte, die eine Verschnaufpause von allen Alltagssorgen bieten. Sie sind zudem wichtige Gemeinschaftszentren, und an ihnen lassen sich Charakter und Persönlichkeit eines Viertels bestens ablesen. Mit ihrer Hilfe lässt sich ausmachen, wo in einer Stadt die Künstler*innen und Anarchist*innen ebenso wie die jungen Mütter leben. Da ich selbst Autorin und Buchhändlerin bin, habe ich ein mehr als nur beiläufiges Interesse an Buchläden.
Ich wuchs in Sydney und Melbourne auf und habe den Großteil des vergangenen Jahrzehnts in den USA verbracht. In englischsprachigen Ländern ist ein Buchladen für mich eine relativ unkomplizierte Angelegenheit. In Berlin ist das anders.
Abgesehen von einem Danke oder Entschuldigung im Supermarkt spreche ich kein Deutsch, und so sind Berlins wunderschöne deutschsprachige Buchläden keine Orte, an denen ich mich bei einem Besuch zuhause fühlen kann. Es gibt in Berlin jedoch eine ganze Reihe englischsprachiger Buchläden, die die stetig zunehmende englischsprachige Bevölkerung der Stadt bedienen, und in meinen ersten Wochen in der Stadt machte ich mich mit so vielen von ihnen vertraut wie nur möglich.
Eine eklektische Mischung
Berlins englischsprachige Buchläden sind über die ganze Stadt verstreut, konzentrieren sich jedoch in einem Korridor südlich von Friedrichshain Richtung Neukölln. Shakespeare and Sons an der Warschauer Straße ist einer der neuesten, wobei ein auf Bagels im New Yorker Stil spezialisiertes Café ein gutes Drittel der Nutzfläche einnimmt. Der Buchladen ist gefüllt mit Tischen voller Menschen, die auf ihren Laptops vor sich hin tippen, und Gruppen von Freund*innen, die sich in einer Mischung aus englischen, schottischen und neuseeländischen Akzenten unterhalten. Für mein Empfinden ähnelte die Atmosphäre angenehm der des Buchladens McNally Jackson in Manhattan, in dem ich sechs Jahre lang gearbeitet habe. Der Großteil des Inventars von Shakespeare and Sons ist neu, aber fast alle englischsprachigen Buchläden in Berlin führen eine Mischung aus neuen und gebrauchten Büchern. So lässt sich die Geschichte der englischsprachigen Community bestens nachzeichnen, die in den letzten dreißig oder vierzig Jahren in dieser Stadt Halt gemacht hat. Another Country in Kreuzberg ist einer der ältesten englischsprachigen Buchläden Berlins und vereint das heillose Durcheinander einer Leihbibliothek mit der Bereitstellung einer ausgezeichneten Sammlung gebrauchter Bücher, die zum Verkauf stehen. Hier findet man Werke wie Andrew McGahans Praise (Deutscher Titel: Die Geschichte mit Cynthia), ein ‚Grunge’-Roman aus Brisbane aus dem Jahr 1992, neben australischen Klassikern von Elizabeth Jolley und Beverley Farmer, die die lange Tradition von Australier*innen widerspiegeln, die nach Berlin zogen (und ihre Bücher mitbrachten). Das Book Nook in Neukölln reflektiert in ähnlicher Weise die lange australische Präsenz; hier finden sich dunkelgrüne Virago-Classics-Romanausgaben von Christina Stead und Katharine Susannah Pritchard in den Regalen, deren Vorsatzblätter Inschriften aus den 1980er Jahren aufweisen.
Die anglophone Community
Aufgrund meiner Erfahrungen als Buchhändlerin in Amerika ist mir nur allzu vertraut, wie schwierig es sein kann, Kund*innen einen nie in Amerika veröffentlichten britischen Titel oder ein seit langem vergriffenes australisches Buch zu besorgen. Der englischsprachige Buchmarkt teilt sich in eine amerikanische und eine britische oder Commonwealth-Zone auf. Bücher haben in ihren jeweiligen Märkten unterschiedliche Einbände und Erscheinungsdaten und weisen sogar Änderungen bei Rechtschreibung und Grammatik auf, um das jeweilige Publikum zufriedenzustellen (was meinen Roman betrifft, sträubte sich meine UK-Lektorin gegen meine Verwendung des Wortes „bobby pins“ [„Haarklammern“] und mein US-Lektor entfernte alle u’s aus „colour“ [„Farbe“] und änderte das britische „boot“ zu amerikanisch „trunk“ [„Kofferraum“]). So ist es für mich ebenso seltsam wie wunderbar, in den Berliner Buchläden beide Märkte vereint zu finden.
Diesen Monat findet man in den Regalen der meisten englischsprachigen Berliner Buchläden die amerikanische Ausgabe von Elena Ferrantes neuem Roman neben Fitzcarraldo-Ausgaben, die in den USA unerhältlich sind. Bei Shakespeare and Sons steht die Lyrik von amerikanischem Urgestein wie Ariana Reines und Jericho Brown neben Linton Kwesi Johnson und Carol Ann Duffy, britischen Lyriker*innen, die in Amerika nur schwer oder gar nicht zu finden sind. Saint George’s im Prenzlauer Berg (mein persönlicher Lieblingsbuchladen in Berlin, mit der interessantesten Auswahl an Büchern und absolut ruhiger Atmosphäre) führt die kanadische Coach House Press neben einer qualitativ hochwertigen Philosophie-Abteilung mit Werken aus Verlagen wie Verso, Semiotext(e), Repeater und einer Reihe von Universitätsverlagen. Curious Fox in Neukölln wird von irischen Buchhändler*innen betrieben und weist ganz vorne im Laden eine ausgezeichnete Abteilung auf, die ausschließlich zeitgenössischen irischen Autor*innen gewidmet ist, darunter Bücher von Wendy Erskine, Doireann Ní Ghríofa und Niamh Campbell, die ich in den USA schon seit langem kaufen wollte, aber nicht konnte. Hier in Berlin hingegen findet sich der gesamte englischsprachige Buchmarkt, alles bunt gemischt.
Die englischsprachige Community in Berlin ist ein Schmelztiegel aus Amerikaner*innen, Australier*innen, Kanadier*innen, Ir*innen, Brit*innen und Neuseeländer*innen, die sich zu einer einzigen Gemeinschaft zusammenschließen. Alle, deren Muttersprache Englisch ist, sitzen im selben Boot, und die Buchläden in Berlin reflektieren dies und löschen so die anglophonen Grenzen aus, die sonst außerhalb dieser Stadt existieren.