Gastbloggerin Jane
Lockdown in Berlin: Die Perspektive einer Musikerin

Musikerin Jane Arnison in ihrem Heimstudio in Berlin
© Jane Arnison

Deutschlands Hauptstadt befindet sich mitten im Lockdown 2.0. Die in Berlin lebende Musikerin Jane Arnison reflektiert das Jahr, in dem alles zum Stillstand kam, und erkennt wie schwierig es ist, alles richtig zusammenzufassen.

Von Jane Arnison

Ich habe dieses Jahr viel gelernt. Ich habe mich auch sehr verändert. Ich habe gelernt die Grenzen meines Körpers zu respektieren. Wir sahen uns auch alle gezwungen, uns mit den Begrenzungen unserer kollektiven Gesellschaft und damit auch unserer Erde auseinanderzusetzen.

Es ist sehr leicht, eine Leidensgeschichte zu erzählen, und es hat definitiv auch wirklich schwere Zeiten gegeben. Wenn ich jedoch auf das letzte Jahr zurückblicke, kommen mir bestimmte Stichworte in den Sinn: Gemeinschaft, Mitgefühl, Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit. Konzepte, die wirklich versinnbildlichen, was es heißt, ein Mensch zu sein. All diese wunderbaren Eigenschaften haben sich in einem der herausforderndsten Jahre unseres Lebens auch in der Berliner Kunstszene gezeigt.

Es stimmt, dass das Nachtleben in Berlin sich nahezu aufgelöst hat. Das Summen, der pulsierende Vibe der Stadt ist nicht mehr da. Er ist zum Schweigen gebracht worden. Der Club- und Livemusiksektor wurde sehr hart getroffen. Dennoch haben sich aufgrund der menschlichen Anpassungsfähigkeit so viele Künstler und kreative Menschen nicht unterkriegen lassen.

Evvol auf der Bühne: Die Band besteht aus Jane Arnison und ihrer Partnerin Julie
Evvol auf der Bühne: Die Band besteht aus Jane Arnison und ihrer Partnerin Julie | © Jane Arnison
Wenn man nicht auftreten kann, dann ist es eben Zeit zum Schaffen, und genau das haben die Menschen auch gemacht; es wird eine Vielzahl an schöner Musik und Kunst aus diesen schrecklichen Zeiten hervorkommen. Es ist eine Zeit des Lernens und des Wachstums, der Heilung und der Verbesserung. Ich hatte in dieser Zeit die Gelegenheit, mich persönlichen Projekten zu widmen, wofür mir sonst die Zeit gefehlt hätte. So hatte ich auch die Gelegenheit, die Entwicklung aufstrebender Produzenten durch meine Pathwaves-Initiative zu unterstützen. Überall um mich herum gibt es so viele Beispiele für unsere individuelle Anpassungsfähigkeit sowie auch für den Aufbau und die Unterstützung unserer Gemeinschaft. Heilen wir uns vielleicht in dieser Zeit selbst? Ruhen wir uns aus und erholen uns von dem stürmischen Kreislauf des Lebens, in den wir alle verwickelt waren? Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass ich das tue.

Ich bin ein Aussie in Berlin. Ich kam vor Jahren hierher, um Musik zu machen. Ich begann als Gastmusikerin, wurde Plattenproduzentin und Toningenieurin und verwandle mich nun wieder in eine Komponistin zurück, zu meinen Wurzeln und zu dem, was ich vor meiner Abreise in Australien gemacht habe.

In Anbetracht der Zukunft unserer Branche und unserer Gemeinde sehe ich diese Zeit als eine große Chance. Im Großen und Ganzen sind die populären Künste nicht reguliert. Musiker und Künstler werden regelmäßig ausgenutzt. Dinge wie Spotify und die Unterbezahlung von Künstlern rücken endlich ins Rampenlicht, was die EINZIGE Hoffnung für Musiker ist, diese Zeit der Pandemie überleben zu können. In Großbritannien gab es Aufruhr, als ein Politiker vorschlug, dass Musiker nach einer alternativen Arbeit suchen sollten. Als ob die Jahre der Ausbildung, in die die meisten von uns investiert haben, nichts wären und wir keine ernsthaften Profis wären. Ich frage hiermit alle Menschen auf der Welt - was würdet ihr tun, wenn ihr morgen nicht mehr eure Lieblings-Spotify-Liste abspielen könntet? Wenn Radios keine Musik mehr spielen? Schätzen wir wirklich den Wert, den die Musik uns allen gibt? Wie zeigen wir diese Wertschätzung für die Menschen, die die Musik, die wir alle konsumieren, schaffen?
 


Ich habe vorhin Gemeinschaft und Einfallsreichtum gesagt – weil dies eine Antwort auf die Fragen gibt, die ich stelle. Es besteht jedoch die Möglichkeit, einen anderen Weg zu wählen. Denn während der Pandemie wurde uns allen eines klar - wir können tatsächlich einen anderen Weg wählen. Menschen wenden sich von Spotify ab, zahlen für Musik im Bandcamp und erkennen, wie wichtig finanzielle Unterstützung für das Leben von Musikern und Interpreten sein kann.

Am Tag des ersten Lockdowns ging ich mit meinen Hunden spazieren und war wirklich überwältigt von dem postapokalyptischen Gefühl der dunklen und leeren Berliner Straßen. Interessanterweise habe ich die gegenteilige Erfahrung gemacht, als wir in den Winter und in einen anderen Lockdown gingen. Normalerweise sind zu dieser Zeit die Straßen tot und leer, da viele sich lieber in den Häusern ihrer Freunde oder in Pubs und Restaurants bis in die frühen Morgenstunden hinein vergnügen, aber jetzt sehen wir endlich wieder Menschen auf der Straße. Ein Glühwein und ein sozial distanziertes Gespräch ist die neue soziale Interaktion. Es fühlt sich schön und hoffnungsvoll an. Aber vielleicht versuche ich auch nur verzweifelt, das Gute in dieser Situation zu sehen.

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