Gespräch mit der Künstlerin Monika Czyżyk
Zwischen Ton und Tönen
Die polnische bildende Künstlerin Monika Czyżyk ist die diesjährige Auswahl der Akademie Schloss Solitude für den traditionellen Residenzaustausch zwischen Deutschland und Bulgarien. Im Gespräch mit ihr zeichnen wir die Linie ihrer künstlerischen Interessen nach, die ihren dreimonatigen Aufenthalt in Plovdiv inspiriert haben.
Von Sophia Ohly
Im Herzen von Plovdiv, in einem lichtdurchfluteten Raum eines ehemaligen Krankenhauses, hat die Künstlerin Monika Czyżyk ihren Arbeitsplatz eingerichtet. Hier, wo die Vergangenheit in jeder Ecke spürbar ist, zeugen Tütchen mit grauem, braunem und gelbem Ton von ihrem kreativen Schaffen. Die polnische bildende Künstlerin verweilt bis Ende November als Residenzkünstlerin in der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Diese Residenz wird in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und dem kreativen Kollektiv hinter den Atelietata und Galeriata realisiert.
Czyżyk ist bekannt für ihre Arbeiten mit digitalen Medien und VR im Rahmen experimenteller Dokumentarfilme, aber ebenso für ihre spirituell geprägten Fensterbilder aus Ton. Doch ihr Werdegang in der bildenden Kunst war nicht von Anfang an bestimmt. „Es gab den Plan, mehr in Richtung Architektur und Design zu gehen. Aber eigentlich bin ich zum Kunststudium gekommen, weil ich Schlagzeug gespielt habe. Mein Vater sagte damals zu mir: Warum lernst du nicht, wie man es entwirft?“
Czyżyks jetzige Methodik umfasst reisebezogene und ortsspezifische Recherchen sowie Studioarbeit auf der Insel Vartiosaari, wo sie als Leiterin der Vartiosaari Island Association tätig ist. Eines ihrer letzten Projekte, der „Mycelium Orgasm Report“, entstand in Zusammenarbeit mit Neil Luck und Gabriel de la Cruz. Es nutzt virtuelle Realität, um einen 16-minütigen Spaziergang durch eine traumähnliche Topografie zu schaffen, die von einem Wald aus Riesenpilzen geprägt ist. Derzeit arbeitet Czyżyk an einem neuen VR-Projekt, bei dem sie Scans von thrakischen Stätten sammelt, um diese faszinierenden historischen Orte in einer immersiven Erfahrung zum Leben zu erwecken.
Ihre künstlerischen Kreationen sind vielfältig: Sie kombiniert Visuelles mit Klang und Virtuelles mit Natürlichem. Gerade deshalb ist Plovdiv für die in Finnland lebende Reisebegeisterte so gut gelegen. Die Stadt, die zu den ältesten Europas zählt, bietet mit ihrer antiken Architektur, einer pulsierenden Kunstszene, beeindruckender Natur unweit der Rhodopen sowie einer nahtlosen Verbindung von Tradition und Moderne fruchtbaren Boden für neue Inspirationen. „Wir sind von so vielen verschiedenen Kunstspuren aus der Menschheitsgeschichte umgeben. Ich freue mich darauf, in diese Geschichte einzutauchen.“
Ihre künstlerischen Erfahrungen in zahlreichen Ländern wie China, Finnland und Nigeria haben Czyżyk geprägt. Bulgarien birgt jedoch einen besonderen Bezug für sie, da es ein slawischsprachiges Land ist. „Es gibt vielleicht eine gewisse Geschichte oder einige Wurzeln, mit denen ich als Polin vertrauter bin. Das gibt mir auch einen anderen Zugang und ein anderes Verständnis.“
Inmitten dieser Kulisse plant die Künstlerin, mit der lokalen Kulturszene in Dialog zu treten und eine neue Serie von Fresken aus Ton zu entwickeln. Dafür wird sie sich auf die Suche nach neuen Tonproben begeben, um sie später von Hand zu bearbeiten und Pigmente daraus herzustellen. „Ich würde gerne in die Rhodopen und ans Meer reisen und dann in verschiedene Nationalparks, um zu sehen, was ich dort finden kann.“ Die bulgarischen Tonproben werden sich in ihre Sammlung aus verschiedenen Ursprüngen – wie Island, Rumänien oder Deutschland – einreihen. So verbindet sie auch physisch verschiedene Orte mit ihrer Kunst.
Darüber hinaus möchte Czyżyk sich von der bulgarischen Volksmusik inspirieren lassen und ihrer Kunst Klänge aus selbstgebauten organischen Instrumenten einhauchen und dafür mit lokalen Musikern zusammenarbeiten. „Es gibt eine andere Logik beim Betrachten von visuellen Dingen, wenn man darüber nachdenkt, wie sie klingen. Durch den Klang sehe ich anders und durch das andere Sehen höre ich anders.“
Während ihres Aufenthalts wird Czyżyk auch frühere Arbeiten in einem neuen Licht betrachten. „Ich hoffe, dass ich diese Residenz nutzen kann, um ein bisschen zu reflektieren. Denn dieses ständige Produzieren führt dazu, dass sich meine Werke vielleicht irgendwann wiederholen.“
Reflektieren kann sie zudem ihre Zeit in Stuttgart. Im vergangenen Jahr nahm Czyżyk dort am Residenzprogramm an der Akademie Schloss Solitude teil. Ihre aktuelle Residenz unterscheidet sich davon jedoch in einigen Aspekten. „Schloss Solitude ist ein Ort, an dem es eine Gemeinschaft von Bewohnern aus aller Welt gibt. Hier in Bulgarien bin ich auf mich allein gestellt, was im Moment sehr gut für mich ist. Ich bin wirklich begeistert von der Freiheit, das Land zu entdecken, von der Leitung und der Hilfe der Menschen, die ich in Solitude kennen gelernt habe, sowie vom Austausch mit den Menschen vor Ort.“
Am Ende ihrer Residenz in Plovdiv wird Czyżyk nicht nur mit neuen künstlerischen Einsichten zurückkehren. Ihre Erfahrungen und Interaktionen mit der lokalen Gemeinschaft könnten den Grundstein für künftige Projekte legen, die über die Grenzen Bulgariens hinausstrahlen und den Dialog zwischen Tradition und Innovation weiterführen.
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Monika Czyżyk ist eine polnische bildende Künstlerin, die in Helsinki, Finnland, lebt. Im September 2024 kam sie nach Bulgarien, um drei Monate als Residenzkünstlerin in Plovdiv zu verbringen, wo das Goethe-Institut für das erste Jahr mit dem kreativen Kollektiv hinter den Atelietata und der Galeriata zusammenarbeitet.
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Vom 22. bis 26. November zeigte Czyżyk in der Galerie Cu29 in Plovdiv Werke, die sie im Rahmen ihres Aufenthalts in Bulgarien geschaffen hatte. Am letzten Tag ihres Aufenthalts erwarten wir sie auch in Sofia, in der Galerie Octopus (im Largo, Unterführung von Dondukov), wo zwei ihrer Filme - Almanach (Echoes) und BOdyssey Interlude - gezeigt werden, gefolgt von einem Gespräch mit ihr.