Neue Kompetenzen für alte Kunst
Ein Blick in die Zukunft der Uffizien
Wie bewahrt man Botticellis „Geburt der Venus“ und eine 500 Jahre alte Zitrusfrüchtesammlung für die Zukunft? Und wie bringt man dieses Weltkulturerbe dem Publikum des 21. Jahrhunderts näher, zur Not auch auf Distanz?
Das Goethe Magazin spricht mit dem Direktor der Uffizien Eike Schmidt, und Gianni Simonti, Gärtner im zugehörigen Boboli Garten über alte und neue Fachkompetenzen im wichtigsten Renaissancemuseums der Welt, Leidenschaft bei der Arbeit und ein Bäumchen, das verschieden Fruchtsorten trägt.
Von Christine Pawlata
Etwa 800 Personen arbeiten in den Uffizien, zu denen nicht nur die berühmte Kunstsammlung am Ufer des Arnos gehört, sondern auch die ehemalige Medici-Residenz Palazzo Pitti mit dem Boboli-Garten.
Vom Allrounder zum Spezialisten
„Nachdem ich hier eintraf, war alles noch von fast einer Monokultur an Berufsbildern geprägt,“ erzählt Schmidt. Seit seiner Übernahme der Leitung des florentinischen Museums 2015 habe aber eine Spezialisierung der Berufsbilder in allen Bereichen des Museums stattgefunden. „Ein Textilrestaurator hat beispielsweise gar nichts mehr mit einem Restaurator von Wandmalereien oder anderen Bildträgern zu tun,“ so der deutsche Kunsthistoriker.Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und Social-Media machen auch vor den alterwürdigen Mauern des Museums nicht halt. „Wir haben die Aufgabe unsere Kunstwerke und die damit verbundene Kultur zu kommunizieren, nicht nur über traditionelle Kanäle, sondern auch über neue Medien. Wir haben hier ein eigenes Social-Media-Team, das auch die Webseite mitbetreut,“ erklärt Schmidt. „Früher betreute die Web-Abteilung die Social-Media-Leute, inzwischen ist es schon umgekehrt.“
Seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie im März 2020, in der die Tore der Uffizien geschlossen bleiben müssen, ist die Online-Präsenz des Museums noch aktiver geworden. Unter dem Hashtag #UffiziDecameron publizieren die Uffizien über ihre Social-Media-Kanäle jeden Tag Videos, in denen die Mitarbeiter das Publikum auf virtuelle Führungen durch die Säle des Museums mitnehmen.
Alte Berufe, neue Aufgaben
Vielleicht am grundlegendsten hat sich die Arbeit der Kunsthistoriker verändert. Museen müssen in ihren Ausstellungen und Forschungstätigkeiten auf Notwendigkeiten der Gesellschaft reagieren, findet Schmidt. „Wir haben zum Beispiel 2016 angefangen, Ausstellungen Künstlerinnen der Vergangenheit und der Gegenwart zu widmen. Das lag in der Luft. Dass Künstlerinnen in Museen viel weniger repräsentiert sind als Künstler, ist leider ein Faktum.” Die mittlerweile neun Ausstellungen haben zu zahlreichen Forschungsergebnissen geführt. „Schon nach vier Jahren müssen wir eigentlich die Kunstgeschichte umschreiben,“ so Schmidt.Trotz der Tendenz zur Spezialisierung in den Museumsberufen, rät Schmidt Schülern, die einmal in einem Museum wie den Uffizien arbeiten möchten, zu einer breiten Grundausbildung: „Oft werde ich gefragt: 'Lohnt es sich überhaupt ein traditionelles Fach zu studieren, sollte ich nicht lieber gleich Social-Media-Manager werden?' Das kann zwar zu einem schnellen Beruf führen, es kann aber auch sein, dass dieser Beruf in einigen Jahren nicht mehr gebraucht wird.“
Vergangenheit und Zukunft im Garten der Medicis
Über die Ponte Vecchio gelangt man in den Boboli-Garten. Hier kümmert sich Gianni Simonti seit 2014 um den ehemaligen Privatgarten des florentinischen Adelsgeschlecht der Medici.„Würde mir ein Kollege aus dem 16. Jahrhundert bei der Arbeit zusehen, würde er feststellen, dass ich mir einen Teil der Arbeitsweisen von ihm abgeschaut habe, aber einige neue Methoden auf Grund fachlicher Neuentwicklungen und neuem Wissen eingeführt habe,“ erzählt der Gärtner.
Eines der Schatzkistchens des Renaissansgartens und Simontis Leidenschaft ist die Zitrusfruchtsammlung der Medici. Unter Simontis Aufsicht gedeihen hier über 60 verschiedenen Sorten. Viele davon wurden erstmals von den Medici gezüchtet, wie die einzigartige Bizzarria-Zitruspflanze, ein Bäumchen auf dem sowohl Zedratzitronen als auch Bitterorangen wachsen.
Simonti versucht die Arbeitsweise seiner Vorgänger aus der Renaissance so weit wie möglich unverändert fortzusetzen. Die Entscheidung über die Anwendung von alten und neuen Methoden ist oft ein Balanceakt.
„Beispielsweise sind moderne Sorten für die Veredlung von Zitrusfrüchten viel besser als alte Sorten. Da jedoch die Ursorte der Zitrusfrüchte im Boboli-Garten die Bitterorange ist, werde ich diese weiterhin für die Veredlung produzieren. Gleichzeitig verwende ich aber moderne Methoden, damit das Ganze schneller geht.“
Der Gärtner ist ein wandelndes Lexikon zur Geschichte des Boboli-Gartens. Während er seinen Mitarbeiter Anweisungen über den bevorstehenden Tansport der mehr als 500 Zitrusfrucht-Pflanzen aus dem Winterquartier gibt, erzählt er von der ausgeklügelten Anlage zur Vogeljagd im Garten der Medici und dem ursprünglichen Grundriß der Brunnen.
Sein umfassendes Wissen über den geschichtsträchtigen Garten hat er sich aber nicht bei seinem Studium der Agrawissenschaften angeeignet. „Anfangs vermittelten mir meine Kollegen hier die ersten notwendinge Kentnisse für die Arbeit in einem historischen Garten. Ich wollte aber mein Wissen vertiefen, und so ging ich auf die Suche nach Zeitdokumenten aus dem 16. und 17. Jahrhundert.“
Alttoskanisch und Online-Recherche
Laut Simonti brauche es dazu etwa die Fähigkeit alte Handschriften und Alttoskanisch lesen und verstehen zu können, es gehe aber auch nicht ohne Computerkenntnisse, die Archiv-Recherchen ungemein erleichtern. Ein auf historische Gärten spezialisiertes Studium findet Simonti für das Erlernen seines Berufs nicht wichtig. „Die einzige wirklich unabkömmliche Vorraussetzung für diesen Beruf ist Leidenschaft.“Mit leuchtenden Augen zeigt er auf eine handballgroße Zedernzitrone: „Wenn man diese Frucht hier sieht und sagen kann: 'Die habe ich großgezogen,' wie kann man da nicht von seiner Arbeit begeistert sein?“
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