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Deutsche Serien
Sinfonie einer Großstadt in 16 Folgen: Babylon Berlin

Volker Bruch als Gereon Rath in „Babylon Berlin“
Volker Bruch als Gereon Rath in „Babylon Berlin“ | © Beta Films

Im derzeitigen Boom der deutschen Fernsehdramen hat keine Serie so viele überschwängliche Rezensionen bekommen wie Babylon Berlin. Auf der Bestseller-Krimiserie von Volker Kutscher basierend, folgt die erste Staffel einem Kommissar in das Nachtleben und die politischen Wirren Berlins während der Weimarer Republik. Das großzügige Budget ist auf dem Bildschirm deutlich erkennbar, aber die Kritik schwärmt über viel mehr als nur die aufwändige Filmproduktion.

Von Mark Thompkins

In der einzigartigen Renaissance deutschsprachiger Fernseh-Serien ist Babylon Berlin das Kronjuwel, ein absoluter Publikumshit im eigenen Land und im Ausland. Die Serie wird in mehr als 90 Ländern ausgestrahlt, inklusive Indien und Afrika – eine bisher noch nie dagewesene Reichweite einer deutschen Serie.
Obwohl Netflix in den USA keine Zuschauerzahlen veröffentlicht, wurde die Serie zum Erfolg für den Streaming-Anbieter dank eines unaufhörlichen Stroms bewundernder Rezensionen, etwa in der New York Times, Vogue, dem New Yorker, NPR und dem New York Review of Books.

Wie kann ein historischer Krimi mit Untertiteln so viele Zuschauende in seinen Bann ziehen? Die Antwort liegt darin, dass in den Händen der Autoren und Regisseure Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten ‚divine decadence‘ (um einen Ausdruck von Sally Bowles aus Cabaret zu verwenden), also „göttliche Dekadenz“ zum Binge-Watching regelrecht verleitet.

komm ins Kabarett, alter Freund

Der Vorspann zu Babylon Berlin ist wunderbar, aber auch Unheil verkündend – ein guter Ausgangspunkt für eine kluge Nachbildung der Weimarer Republik. 1929 wird Kölns bester Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) zur Sittenpolizei nach Berlin versetzt, um dort einen Pornografen ausfindig zu machen, der Politiker erpresst. Rath lernt schnell, dass es eine extrem undankbare Aufgabe ist, im Berlin der Weimarer Zeit ein Sittenpolizist zu sein: Ein Jahrzehnt wirtschaftlicher Not und politischer Unruhe hat eine Kultur schamloser Sittenlosigkeit geschürt. Tagsüber prallen linke Demonstranten in den Straßen auf die Polizei und stark bewaffnete paramilitärische Gruppen. Nachts zeigt sich die Stadt in ihrer Vielschichtigkeit, wenn Vergnügungssüchtige die Nachtklubs auf der Suche nach dem neuesten Kick bevölkern.
Das rücksichtslos moderne Berlin ist sowohl berauschend als auch ernüchternd.

„Zu Asche, Zu Staub“
Written and composed by Nikko Weidemann, Mario Kamien and Tom Tykwer,
Produced by Nikko Weidemann and Mario Kamien, Performed by Severija
Copyright: BMG Music, https://BMG.lnk.to/BabylonBerlinID

Als Rath in der Leichenhalle einen Toten als einen eindeutig gefolterten Russen erkennt, muss er feststellen, dass seine Chefs erstaunlich uninteressiert sind an dem Fall. Der Verstorbene wird sich später als das erste Opfer einer Verschwörung herausstellen, in die Stalins Botschafter, eine Geschlechtergrenzen überschreitende Nachtklub-Diva sowie ein Komplott preußischer Aristokraten und Generäle verwickelt sind.

Raths Hoffnungsschimmer in diesem urbanen Labyrinth kommt von der Polizei-Stenotypistin Charlotte Ritter, genannt Lotte (Liv Lisa Fries). Der Charme der jungen Frau verdeckt ihre wahre Ambition, die erste weibliche Mordkommissarin Berlins zu werden. Die furchtlose Lotte kommt aus der echten Arbeiterklasse. Die schreckliche Armut ihrer Familie treibt sie dazu, wie und wo sie nur kann Geld zu verdienen, auch wenn sie dafür ein Doppelleben führen muss: Freitags von neun bis fünf ist sie im Kommissariat das Mädchen für alles und nach Mitternacht übt sie dann ein weniger anständiges Gewerbe in den Szene-Sexklubs der Stadt aus. Lottes intime Kenntnis des Berliner Nachtlebens macht sie zur idealen Partnerin für Raths Nachforschungen: Sie führt ihn zu Ortsansässigen, die er allein nie finden würde.

Keine Dreigroschenoper

Im Vorfeld konzentrierte sich die Werbung für Babylon Berlin auf das Budget des Films.
Mit gemeldeten 40 Millionen Euro ist dies nicht nur die teuerste deutschsprachige Serie, die jemals gefilmt wurde, sondern angeblich sogar die teuerste nicht englischsprachige Serie. 

Es ist gut zu wissen, dass 40 Millionen Euro sich noch auszahlen. Babylon Berlin ist spektakulär – die Produzenten haben eindeutig keine Kosten und Mühen gescheut, das Berlin von 1929 für das Fernsehpublikum lebendig zu machen, wie die großzügigen Kulissen und Kostüme eindrucksvoll beweisen. Von den Kulissen begeistert besonders ein riesiger Nachtklub im Stil des Art déco: das Moka Efti (das auf einer tatsächlichen Einrichtung basiert, einem Berghain seiner Zeit) voll mit Komparsen in eleganter Verkleidung.

Außerdem bemerkenswert sind die Außenaufnahmen, die ganze Stadtteile ohne erkennbare computergenerierte Bilder zeigen. Rund 70 Prozent der Serie wurden innerhalb von 185 Tagen vor Ort gedreht, und es fühlt sich alles authentisch an. Die Stimmung der damaligen Zeit ist genauso stark wie der örtliche Akzent. Kein Wunder also, dass die Berliner Zeitung eine Besprechung mit der denkwürdigen Überschrift „Die große Hure in Bestform“ abdruckte. Die Urheber der Serie wissen, wie man dieses Berlin lebendig und nicht wie ein Museum der Vergangenheit gestaltet. 
 

  • Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter, Standbild aus der Serie „Babylon Berlin“, Foto: X Filme / Frédéric Batier © Frédéric Batier/X Filme
    Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter / Standbild aus der Serie Babylon Berlin
  • Tänzerinnen im Moka Efti, Standbild aus der Serie „Babylon Berlin“, Photo: X Filme / Frédéric Batier © Frédéric Batier/X Filme
    Tänzerinnen im Moka Efti /Standbild aus der Serie Babylon Berlin
  • Charlotte findet Gereon in der Strasse, Szene aus „Babylon Berlin“, Foto:  X Filme / Frédéric Batier © Frédéric Batier/X Filme
    Charlotte findet Gereon Rath bewusstlos in der Strasse / Szene aus Babylon Berlin
  • Das legendäre Moka Efti / Szene aus „Babylon Berlin“ / Bild: X Filme / Frédéric Batier © Frédéric Batier/X Filme
    Das legendäre Moka Efti /Szene aus Babylon Berlin
  • Volker Bruch als Inspektor Gereon Rath in der Serie Babylon Berlin. Photo by Frédéric Batier / X Filme © Frédéric Batier/X Filme
    Volker Bruch als Inspektor Gereon Rath in der Serie Babylon Berlin.

Irgendwo SCHMUNZELT Fritz Lang

Babylon Berlin platziert das Publikum mitten in den Strudel kultureller und politischer Unruhen. Es ist ein Portrait Deutschlands in den späten 1920er-Jahren mit einigen frappierend aktuellen Tönen. Aber die Serie beschränkt sich nicht auf die Genüsse der Groschenliteratur: Steigende Spannung, Cliffhanger und ein Höhepunkt mit Schießerei in einem piekfeinen Art-déco-Restaurant würden Michael Mann stolz machen.
Die ganze Serie hindurch ist die Filmkunst, die hier am Werk ist, origineller als in den meisten Spielfilmen. Eine gewisse Kenntnis deutscher Geschichte zwischen den Weltkriegen ist hilfreich, aber nicht wesentlich. Zu wissen, dass der Nationalsozialismus Deutschland bald überrennen wird, verleiht der Serie zwar erhebliche Spannung, aber die Autoren hüten sich davor, eine Beurteilung der Geschichte vorzunehmen.
Im Frühjahr 1929 sind die Nazis nur eine Fraktion von vielen, die in einer politisch-kulturellen Landschaft voll von Extremisten und Verrückten um Aufmerksamkeit buhlen. Im „Roten Berlin“ kämpfte der Nationalsozialismus während der Wahlen 1928 um Stimmen. Dementsprechend bleiben die Nazis für den größten Teil der 16 Folgen außen vor. Als die Braunhemden schließlich doch auftauchen, stellt dies einen beunruhigenden Moment dar und erhöht den Einsatz für die Fortsetzung von Babylon Berlin.

Für die dritte Staffel haben den Angaben zufolge im Oktober 2018 die Dreharbeiten begonnen. 
Alle Hauptdarsteller/-innen und das kreative Trio Tykwer, von Borries und Handloegten kehren wieder – eine Nachricht, auf die wir eine Berliner Weiße heben.

auf den Spuren der Serie und der Zwanziger Jahre in BERLIN

Auf visitBerlin.de können sich Berlin-Besucher über die Serie informieren und in das Lebensgefühl der Goldenen Zwanziger eintauchen. Wer die Stadt auf den Spuren dieser Zeit erleben möchte, findet auf der Themen-Webseite zahlreiche Tipps: unter anderem Touren, architektonische Highlights wie die Berliner Siedlungen der Moderne und das Bauhaus Archiv, Termine für Zwanziger-Jahre-Partys wie die Bohème Sauvage, für Swing-Abende in Clärchens Ballhaus  und für das Berlin Burlesque Festival im November.
Quelle: visitberlin.de

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