Kirsten Boie schildert die Ereignisse chronologisch und stringent auf den Willkür-Akt zulaufend. Dabei flicht sie geschickt Hintergrundinformationen zum Zeitgeschehen ein und erläutert diese im Anhang mit Nachwort, Glossar und einer Liste der Opfer. Im Zentrum ihrer Erzählung stehen indes drei fiktive Jugendliche: Schorsch und Marie, zum ersten Mal verliebt; außerdem Gustl, der entschlossen ist, sein Leben für den Sieg zu geben. Deren durchaus gegensätzliches Erleben wird in reduzierter Sprache und erlebter Rede geschildert, wodurch eine – nie voyeuristische – Spannung entsteht. Die Lesenden fiebern mit, hoffen wider besseren Wissens doch noch auf einen anderen Ausgang, bleiben fassungslos zurück. Denn verurteilt wurde bis heute keiner der Täter.
Dunkelnacht
Kirsten Boie
Hamburg: Oetinger, 2021
Leseprobe (unten als PDF zum Herunterladen verfügbar): www.oetinger.de
Wir befinden uns im Jahr 1946 und am 2. Juni steht Italien vor der Entscheidung zwischen Monarchie oder Republik. Zum ersten Mal können auch Frauen mit abstimmen. Fredo weiß, wie wichtig dieses Referendum gerade nach den dunklen Zeiten des faschistischen Regimes ohne jede Mitbestimmung ist. Und er will mit dafür Sorge tragen, dass wirklich alle abstimmen können. Die Handvoll Wähler, die er einbeziehen will, wird den Wahlausgang, sicherlich nicht beeinflussen, der alles andere als eindeutig ist, aber Fredo fühlt sich geradezu verpflichtet, weiter zu machen.
Die schlichte, einschneidende Sprache macht die Qualität dieses Romans aus, der in seiner abenteuerlichen Handlung grundlegende Fragestellungen zu Bürgerrechten und zum Wahlrecht aufwirft.