Videointerviews – Vier Künstler beantworten Fragen zu unserer Zukunft
Big Data und Algorithmen, die Prognosen der Kunst und die Verspätungen der Politik

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© Goethe-Institut Italien | Grafik: Massimiliano Emili

Das Goethe-Institut Rom hat vier der renommiertesten europäischen Künstler und Experten für Technologie, Big Data und Künstliche Intelligenz zu unseren Zukunftsperspektiven befragt. Ihre Antworten wurden in vier Videos festgehalten, die ab dem 28.10.2020 jeden Mittwoch zu sehen sein werden:
https://tv.exibart.com/zukunfstfragen-goethe-institut-roma/

Von Elisa Costa

In vier Interviews beantworten der Künstler Paolo Cirio, die Gründerin der gemeinnützigen Organisation The Ethical Tech Society, Lorena Jaume-Palasì, der Künstler und Medienexperte Peter Weibel und der Künstler und Wissenschaftler Moritz Stefaner Zukunftsfragen, die ihnen von Valentino Catricalà (Kurator des Projekts), Joachim Bernauer und Antonella Perin gestellt werden. Sie werfen neue Fragen zur Zukunft der Technologie und unserer globalisierten Existenz auf und verweisen auf die moralische und soziale Verantwortung von Kunst, Philosophie und Politik im Umgang mit jenen Medien, die mittlerweile fester Bestandteil unseres täglichen Lebens sind.

Ist das Misstrauen gegenüber der Software zur Nachverfolgung der Infektionsketten gerechtfertigt? Bleibt der Schutz unserer Privatsphäre dabei gewährleistet oder riskieren wir die graduelle Einschränkung unserer individuellen Freiheit? Und vor allem: Kann der Begriff Individualismus überhaupt noch auf die Realität unserer heutigen demokratischen Gemeinwesen angewendet werden?

Die nüchternen und kritischen aber zugleich visionären und ermutigenden Antworten aus Kunst und Wissenschaft verschmelzen zu einer Prognose über die Lehren, die wie aus der Pandemie ziehen können und die Veränderungen unseres täglichen Lebens, die diese unwiderruflich herbeiführen wird.

Lorena Jaume-Palasí
Lorena Jaume-Palasí | Foto: stephan-roehl.de CC BY-SA 2.0
So ist beispielsweise Lorena Jaume-Palasì davon überzeugt, dass  Technologien und Algorithmen niemals die Oberhand über die menschlichen Entscheidungen gewinnen werden. Für die Expertin für Digitalisierung und Automatisierung „funktioniert keine Technologie – nicht einmal die Künstliche Intelligenz – ohne den manuellen Beitrag des Menschen. [...] Und dies bedeutet, dass unsere Herausforderung heute darin besteht, die Möglichkeiten der Technologie stets im Einklang mit jenen logischen Prinzipien zu nutzen, die einem demokratischen Gemeinwesens zugrunde liegen.“

Peter Weibel
Peter Weibel | Foto: © ONUK
Auch für Peter Weibel „sind die Algorithmen Freunde“, die es weder zu fürchten, noch zu dämonisieren, sondern vielmehr auf eine ethisch korrekte und egalitäre Weise zu nutzen gilt. Nach Meinung des Medienexperten können die technologischen Innovationen durchaus eine Bereicherung unserer Existenz darstellen; Voraussetzung hierzu ist jedoch, dass ihr Einsatz Hand in Hand mit adäquaten  Maßnahmen geht, die auf politischer Ebene ergriffen werden. „Und dies ist genau der Punkt,“ so Weibel, „wir brauchen neue Ansätze in der Politik. Unsere derzeitige politische Führungsklasse ist auf diese Aufgabe nicht vorbereitet, sie ist schlichtweg inkompetent.“

20.00 Patenten potentiell gefährlicher Algorithmen

Paolo Cirio
Paolo Cirio | Foto: Nicola Morittu
Hat die Politik Nutzen und Gefahr der neuen Technologien eindeutig zu spät erkannt, so reflektiert man in Wissenschaft und Kunst schon seit geraumer Zeit beispielsweise über deren Ethik.

Der Künstler Paolo Cirio, der sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit diesem Thema befasst, vertritt folgende Meinung: „Jene Algorithmen, die geschaffen wurden, um das Individuum zu manipulieren oder gar dessen Gedanken zu lesen, stellen in der Tat eine Gefahr da. Hier gilt es, auf der Grundlage statistischer Erhebungen die Art und Weise ihres Einsatzes zu analysieren. Und genau hierin liegt das ethische Postulat, das die Technologie an uns stellt.“ In seinem Beitrag stellt Cirio u. A. sein künstlerisches Projekt Sociality vor, eine Sammlung von mehr als 20.000 Patenten potentiell gefährlicher und manipulatorischer Algorithmen, Schnittstellen sozialer Medien und anderer Errungenschaften der Informationstechnologie und stellt die Frage, wem letztendlich deren Kontrolle obliegt.
  • Paolo Cirio - Interventions with the Sociality artwork at Mit and Harvard Uni 2018 © Paolo Cirio

    Paolo Cirio - Interventions with the Sociality artwork at Mit and Harvard Uni 2018

  • Paolo Cirio - Face to Facebook for Artists as Catalysts 2 - Ausstellung in Bilbao 2013 © Paolo Cirio

    Paolo Cirio - Face to Facebook for Artists as Catalysts 2 - Ausstellung in Bilbao 2013

  • Paolo Cirio - Mostra Systems of Systems - Galerie Giorgio Persano, Turin 2019 © Paolo Cirio

    Paolo Cirio - Mostra Systems of Systems - Galerie Giorgio Persano, Turin 2019

Moritz Stefaner
Foto: © Moritz Stefaner
Für Moritz Stefaner, der sich seit Jahren mit Datenvisualisierung und Informationsästhetik beschäftigt, bieten die einschneidenden Veränderungen der vergangenen Monate nicht nur Gelegenheit zur Vertiefung dieser beiden Disziplinen, sondern auch zur Erörterung weiterer Themen wie etwa der sozialen Ungerechtigkeit und des Klimawandels. Ein positiver Aspekt der Pandemie besteht für ihn u. A. in der Reflexion über die Auswertung und Interpretation der erhobenen Daten: „Plötzlich verfolgen wir alle mit Bangen den Verlauf der Kurven (der Infektion, A. d. R.) und fragen uns, ob und wie bestimmte mathematische Modelle imstande sind, die Ausbreitung der Pandemie zu beeinflussen, ob gewisse Daten Fehler oder Lücken aufweisen, wie sie ausgewertet werden und ob sie dem Vergleich auf internationaler Ebene standhalten. Ich glaube, in den vergangenen Monaten haben wir uns alle, in einer Art Intensivkurs, ein fundiertes Grundwissen auf dem Gebiet der Interpretation von Daten angeeignet, und wenn wir den so eingeschlagenen Weg weiter verfolgen, werden wir gerüstet sein, den Herausforderungen der Zukunft entgegenzutreten.”
 
Ein Projekt in Zusammenarbeit mit Exibart.

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