Ein Gespräch mit dem Künstler
Peter Welz in Mailand

Reaching
Reaching | Image courtesy Peter Welz & Douglas Gordon

Peter Welz war einer der ersten Residenzkünstler in dem neu eröffneten Casa degli Artisti. Am 17. Februar 2020 eröffnete er seine Videoinstallation „Portrait #4“, aber nur wenige Tage später wurde das Casa degli Artisti aufgrund der Covid-19-Pandemie geschlossen. Der Wunsch, das Begonnene zu Ende zu führen, blieb stets lebendig. Nun ist endlich seine Ausstellung „Reaching“ mit „Portrait #5“ zu sehen. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.

Von Karin Varga

„Reaching“ ist nicht die erste Ausstellung, die von dir in Mailand zu sehen ist. Am 17. Februar 2020 wurde Portrait#4 in der Casa degli Artisti in Zusammenarbeit mit der Galleria Fumagalli und unter der Schirmherrschaft des Goethe-Instituts Mailand eröffnet. Gleichzeitig startete deine Residenz in Mailand, die bis Juli desselben Jahres dauern sollte. Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie führte jedoch dazu, dass die Ausstellung nach nur einer Woche wieder geschlossen werden musste. Nun ist endlich deine Ausstellung „Reaching“ mit Portrait#5 zu sehen. Du bist der erste Künstler, der für das Residenzprogramm der Casa degli Artisti ausgesucht wurde. Welche Bedeutung hatte die Residenz in der Casa degli Artisti für dich?

Es war eine spannende Herausforderung meine Arbeit im Kontext von Milano zu präsentieren, zudem sind die Räumlichkeiten wunderschön und bestens für Installationen geeignet. Mit dem Werkblock zu AA Bronson habe ich auch eine Serie von Billboards bzw. Werbetafeln im öffentlichen Raum entwickelt, eine Art contemporary „Pieta“, welche hier kunsthistorisch an Michelangelos Pietà Rondanini anknüpft. Leider ist die Pandemie uns hier wiederum ungünstig dazwischen gekommen und konnte somit nicht realisiert werden. Ich konnte jedoch während meiner Residenz zwei Portraits hier in der Stadt präsentieren, AA Bronson und Douglas Gordon (im Dialog mit Vito Acconci), eine sehr großzügige Möglichkeit Dank dem Casa degli Artisti, denen ich hiermit auch meine große Dankbarkeit für all ihre Unterstützung, ihren Glauben und Vertrauen in meine Arbeit aussprechen möchte.

Sowohl Porträt #5 von Douglas Gorden als auch Porträt #4 von AA Bronson gehören zu der Portraitserie, die 2005 mit #1 begann, einer Arbeit, die Francis Bacon gewidmet ist und in Zusammenarbeit mit William Forsythe entstanden ist. In Protrait #2 hast du zwei architektonische Ikonen - den Barcelona-Pavillon und das Casa Malaparte – in einen Dialog gesetzt. Protrait #3 ist einem der bedeutendsten Filmregisseure gewidmet: Michelangelo Antonioni. Welche Bedeutung haben die Menschen für dich, die du portraitiert hast und mit denen du zusammen die Portraits geschaffen hast? Gibt es einen roten Faden? Etwas das sie alle aus deiner Sicht verbindet?

Foto di Peter Welz
Peter Welz | Foto: © Courtesy Casa degli Artisti
Rückblickend scheint das Werk von Samuel Beckett ein Element deren Arbeit zu sein, um einen gemeinsamen roten Faden zu definieren. Das Unfinished Portrait von Francis Bacon ist tatsächlich der Auslöser, die darauffolgenden Werkblöcke sind kontinuierliche Fortsetzungen bzw. experimentelle Versuchsanordnungen. Wie bei allen anderen, auch klassischen Portraits kann die dargestellte Person für den jeweiligen Betrachter*in völlig unbekannt sein, oder aber eben gegenteilig ein eigenes Universum eröffnen, das bleibt jedem selber überlassen.

Die Portraits scheinen Skulpturen in Bewegung zu sein, die für verschiedene Medien geschaffen wurden, großformatig, sie stehen im Raum mit großer Präsenz. Inwieweit hat die Bildhauerei und die Architektur Einfluss auf dein bildnerisches Arbeiten?

Die Präsenz eines Objektes im Raum ist der Schlüsselmoment in der Bildhauerei bzw. Installation. Die elementare Reduktion auf das Wesentliche kreiert eine gewisse „Rawness“, der Moment der Bewegung erschwert und intensiviert diese Problematik enorm auf spannendste Weise.

Die Werke von dir strahlen auf der einen Seite eine große Ruhe aus, auf der anderen Seite wird man plötzlich durch laute Geräusche irritiert, fast erschreckt. Welche Rolle spielen Geräusche, Akkustik?

Der Sound bzw. Akustik sind elementar bei Film bzw. Videoarbeiten. Ohne Ton hat die Arbeit weniger Präsenz bzw. Existenz. Bei den Dreharbeiten mit William Forsythe hat er stets betont, wie wichtig Atmen bei der Choreographie ist. Das teils rhythmische Atmen, Schürfen, Ziehen, Schieben und Schlagen auf den Boden sind ein elementarer Teil der Partitur mit drastischer Auswirkung auf die Atmosphäre einer Installation. Sobald Douglas Gordon den „Frame“ bei den Aufnahmen mit seinen Händen verlässt, klatscht er in der Luft, was allerdings für den Betrachter nicht sichtbar ist. Dies passiert wiederholend, sehr überraschend, laut und brutal, oder wie Bruce Nauman sagte: „ … or better, like getting hit in the back of the neck“.

Du sagst, dir geht es in deinen Arbeiten um Aspekte des Figürlichen im Gegensatz zum Körperlichen. Was ist für dich der Unterschied zwischen Figur und Körper?

Der Diskurs zum Körper ist meines Erachtens eher auf das emotionale und organische gehaftet, welches wiederum die Figur auch teils in sich birgt. Die Fragmentierung der Figur im Portrait von Douglas Gordon generiert eine Poesie der Dekonstruktion. Das Fragment erscheint mir stärker als die Figur im Ganzen, der Betrachter ergänzt das Fehlende.

Du hast einen Lehrauftrag an der Hochschule für Architektur und Film in Venedig. Zu einem Lehrauftrag gehört auch die Bewertung von jungen Künstler*innen bzw. ihrer Arbeiten. Was macht für dich gute Kunst aus? Was zeichnet einen guten Künstler aus?

Da kann ich eigentlich Samuel Beckett zitieren: „Ever tired. Ever failed. Try again. Fail again. Fail better“.

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