Kulinarische Hafenstädte
„Es geht uns um die Menschen.“

Cold drip-Kaffee (pro Sekunde ein Tropfen)
Cold drip-Kaffee (pro Sekunde ein Tropfen) | © Benjamin Cordes

Sie gelten als die Vorreiter einer modernen Kaffeekultur in Hamburg, Europas zweitgrößtem Umschlagplatz für Kaffee. Die frühere PR-Beraterin Annika Taschinski und ihr Partner Thomas Kliefoth haben 2004 die Rösterei „elbgold“ gegründet. Mittlerweile betreiben sie insgesamt fünf Filialen, in denen sie ausschließlich eigenen Kaffee ausschenken und verkaufen. Die Besonderheit: Ihren Rohkaffee beziehen sie direkt von den Farmern im Ursprung, ohne Zwischenhändler. Aus guten Gründen.
 
Wie schwer war es, eine anspruchsvollere Kaffeekultur in Hamburg zu etablieren?

Anfangs ziemlich schwer. Die Idee hatten wir schon 1995. Damals sagte unsere Bank „wozu das Ganze, es gibt doch schon Tchibo!?“ Diese Industrie-Kaffees bezeichnet man auch als „erste Welle“. Dann kamen irgendwann Ketten wie Starbucks, wo man Latte Macchiato mit diversen Sirups und andere Spielereien trinken kann. Sie gelten als „zweite Welle“. Dieser Trend hat auch uns die Tür bei der Bank geöffnet, sodass wir einen Kredit bekamen und starten konnten. Heute bezeichnen uns viele als Pioniere der sogenannten dritten Welle, bei der Spezialitäten-Kaffees mit ausgewählter Herkunft und besonders hohen Qualitätsstandards im Mittelpunkt stehen.
 
Man könnte es sich auch einfach machen und den Rohkaffee bei Händlern kaufen. Warum kauft ihr bei den Farmern direkt vor Ort?

Unser größter Antrieb ist es, dass es den Menschen gut geht. Und das gilt für alle, mit denen wir zu tun haben: unsere Mitarbeiter, unsere Kunden und vor allem die Farmer. Und das bedeutet konkret, dass wir einerseits exzellenten Kaffee einkaufen, den wir bei uns veredeln und verkaufen. Und andererseits, dass wir den Farmern einen deutlich besseren Preis zahlen als den Weltmarktpreis. Der liegt aktuell bei rund einem Dollar pro amerikanischem Pfund (0,454g Anm. d. Red.) und das ist viel zu wenig, um davon leben zu können. Wir zahlen dagegen ab 3 bis zu 50 USD$ / lib für den Rohkaffee im Ursprung. Mir ist es auch wichtig, dass die Kunden erkennen, dass ein gerecht bezahlter, hochwertiger Kaffee auch etwas kosten muss.
 
Warum hat der Kaffee dann kein Nachhaltigkeitssiegel?


Unser Weg ist ein anderer. Wir besuchen alle Farmer vor Ort, uns geht es um das persönliche Verhältnis. Und es ist sehr hilfreich, wenn man mal seine Wohlstands-Blase verlässt. Die Farmen sind oft wie kleine Familienbauernhöfe, liegen zum Teil sehr abgelegen und sind schlecht erreichbar. Vor Ort ist manchmal alles sehr einfach, eine simple Hütte ohne richtigen Fußboden, es gibt nur ein Plumpsklo.

Diese Farmer produzieren winzige Mengen. Zum Teil nur 10 Säcke pro Jahr á 60 bis 69 Kilo. Zum Vergleich: in einen Schiffscontainer passen 275 bis 320 davon. Indem wir mit den Farmern direkt zusammenarbeiten, zeigen wir ihnen, wie sie die Qualität ihres Kaffees weiter verbessern können und damit höhere Preise erzielen.

Dieser Weg ist für uns besser, glaubwürdiger und greifbarer als jedes Nachhaltigkeitssiegel. Das sagt im übrigen auch nichts über die Kaffeequalität aus. Und wenn die nicht stimmt, ist auch den Bauern nicht geholfen. Der Direktbezug ist daher die für uns beste Form der Nachhaltigkeit.
 

  • Nitro-Kaffee (gezapfter Coldbrew-Kaffee mit Stickstoff angereichert) © Benjamin Cordes
    Nitro-Kaffee (gezapfter Coldbrew-Kaffee mit Stickstoff angereichert)
  • Flat White © Benjamin Cordes
    Flat White
  • Cold drip-Kaffee (pro Sekunde ein Tropfen) © Benjamin Cordes
    Cold drip-Kaffee (pro Sekunde ein Tropfen)
  • Kaffee brühen © Benjamin Cordes
    Kaffee brühen
  • Das Kaffee-„Labor“ © Benjamin Cordes
    Das Kaffee-„Labor“
  • Annika Taschinski mit Röster Sebastian Kohrs © Benjamin Cordes
    Annika Taschinski mit Röster Sebastian Kohrs
  • Die Tanks mit dem fertig gerösteten Kaffee im Verkaufsraum © Benjamin Cordes
    Die Tanks mit dem fertig gerösteten Kaffee im Verkaufsraum

Wie erfahren denn die Gäste von eurem Engagement?

Eigentlich reden wir gar nicht so gerne über uns und unsere Arbeit. Etwas anders ist das in unserer neuesten Filiale. Sie ist kein klassisches Café sondern eher ein „Labor“. Hier können wir den Kaffee einerseits auf neun verschiedene Arten zubereiten und mit ihm experimentieren (u.a. Siebträger, Syphon, Aeropress, Cold Drip, Filtermaschine, Nitro, Anm. d. Red). Andererseits können die Kunden hier mit uns ins Gespräch kommen, viel über den Kaffee und die Farmer lernen.
 
Mit Kaffee, gerade dem zum mitnehmen, geht ja auch viel Müll einher. Was tut ihr da?

Unsere Kaffeetüten sind aus einem biologisch abbaubaren Material und kompostierbar. Und unsere To go-Becher, Strohhalme und viele andere Verpackungsmaterialien sind aus Maisstärke und ebenso kompostierbar. Um den Müll noch weiter zu reduzieren, gibt es Rabatte beim Kaffeebohnenkauf für mitgebrachte Dosen, Tupperboxen etc. und bei den Getränken auf selbst mitgebrachte Mehrwegbecher. Ein Mehrwegsystem gibt es auch beim Röstkaffee: Innerhalb Hamburgs beliefern wir Restaurants, Hotels, Cafes, Büros und Agenturen mit Mehrweg-Tonnen und bald mit einem E-Lieferwagen.
 
Warum ist bio-zertifizierter Kaffee noch vergleichsweise selten?

Derzeit gibt es nur wenige Länder, in denen Bio-Kaffees wirtschaftlich und qualitativ hochwertig produziert werden können. Das liegt einmal an der weltweiten Kaffee-Rost-Verbreitung (ein Pilzbefall, Anm. d. Red.), zum anderen daran, dass der erzielbare Mehrpreis für Rohkaffees in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zur produzierten Menge steht. Anders ausgedrückt: Ein Kaffeebauer bekommt in der Regel für Biokaffee 0,3 USD$/lib mehr, hat aber in der Regel eine 30 bis 50% geringere Erntemenge. Erzielt ein Farmer auf Grund von guter Qualität hohe Preise, rechnet sich für ihn eine Bio-Zertifizierung nicht. Aus diesem Grund gibt es zum Beispiel in Kenia, wo derzeit sehr hohe Preise erzielt werden, nahezu keine Biokaffees.