Winds of Change
Berlin

Plattenspieler. Neue Saiten aufziehen © Imogen Thirlwall

Interkontinentalreisen und Neuanfänge: erste Eindrücke zum Leben mit einer neuen Sprache, in einer neuen Stadt auf der anderen Seite der Erde

Die Freiheiten des Ungewissens Umarmen

Bach aufgelegt:  Eine Synthese aus Klassik und experimenteller elektronischer Musik © Imogen Thirlwall Mit dem Traum Opernsängerin in Europa zu werden, landete ich in Berlin. All mein Hab und Gut war in einem einzigen Rucksack verstaut, ich hatte keine Wohnung und lediglich für die nächsten acht Wochen einen Plan. Es war an der Zeit, die Freiheiten des Ungewissen zu umarmen – „go hard or go home“ (mach‘ es richtig, oder lass‘ es) lautet das Kiwi-Motto.

Sich das erste Mal in einer europäischen Stadt orientieren zu müssen war eine Erfahrung, die von kleinen Vorsichtsmaßnahmen geprägt war. Ich musste es mir abgewöhnen, immer auf der linken Seite des Bürgersteigs gehen zu wollen. Zusätzlich erwies es sich als sinnvoll, beim Überqueren der Straße immer in beide Richtungen zu schauen. Im Umgang mit anderen habe ich gleich als Erstes darauf hingewiesen, dass ich noch dabei bin, Deutsch zu lernen. 

„Schalalala Hertha” mit Berliner Fußballfans © Imogen Thirlwall Ich hatte auch schon Gelegenheit das gemeinschaftliche Musizieren von fröhlichen Menschenmengen zu erleben, wenn tausende Stimmen zu einem Jubelgesang verschmelzen: sei es das „Schalalala Hertha” beim Bundesligaspiel im Olympiastadion oder „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ beim Oktoberfest in München. „Gemütlichkeit“, mit diesem einzigartigen deutschen Wort, für welches es keine wörtliche Übersetzung ins Englische gibt, verbindet man Gemächlichkeit, Ungezwungenheit und Geselligkeit. 

NEUE SAITEN AUFZIEHEN

Bereits bestehende Beziehungen können das Ankommen in einem neuen Land, Kultur und Sprache erleichtern. Zwei gute Freunde von mir aus Wellington, Laurel und Tom, leben seit zwei Jahren in Deutschland. Berlin hatte sie sowohl auf persönlicher Ebene als auch lebensphilosophisch gereizt: eine nachhaltige Mietkultur, ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz, eine angemessene Fahrradinfrastruktur und viele Grünflächen innerhalb des Stadtzentrums, die ein gutes Gleichgewicht aus urbaner Dichte und freiem öffentlichen Raum garantieren.

Laurel und Tom kuratieren ein musikalisches Erlebnis in der Kreuzberger Repeat Bar © Imogen Thirlwall Der Plattenladen Sound Metaphors hat eine wichtige Rolle in ihrem Berliner Leben übernommen, weil er ihnen die Möglichkeit bietet, mit einer bunten Gemeinschaft Kreativer in Kontakt zu kommen. Für Laurel ein Highlight der Musikszene: „Die Musiklocations sind sich durchaus bewusst, dass die gesamte Atmosphäre den Abend ihrer Besucher beeinflussen kann. Statt die Gäste bloß dazu bewegen zu wollen, in der Bar Geld auszugeben oder den Eindruck von Glamour zu erwecken, kreieren sie deshalb ein Raumerlebnis, das für ihre Besucher wesentlich vielschichtiger ist.“

Mein erster Konzertbesuch war in einer kleinen Bar in Kreuzberg, in welcher Laurel und Tom eine abwechslungsreiche Mischung von Platten auflegten.

Der Plattenspieler: das Herz des Hauses © Imogen Thirlwall „In einer Stadt, wo die Menschen oftmals mit sehr hohen Erwartungen und Energie auf eine Party gehen, gefällt es mir umso mehr dem Wunsch nach makellosen tanzbaren DJ Sets zu widersprechen. Anstatt die ganze Nacht den gleichen Beat aufzulegen, ist es mir wichtiger eine Vielzahl an Musik zu spielen, das kann von Jazz und Disko bis hin zu Leftfield House reichen.“

Das Zusammenbringen zweier Platten mit ihren jeweils eigenen Rhythmen und Klanglandschaften und der Ungewissheit wie sie sich aneinander anpassen – ein für mich sehr treffendes Bild.