Leben mit den Jahreszeiten
Laue Sommerabende, Kastanien in den Herbstwäldern, Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt und eine Party-Nacht, um den Frühling zu begrüßen: Masterstudentin Lara erlebt bei ihrem DAAD-Stipendium, wie sich das Gesicht Deutschlands mit den Jahreszeiten wandelt.
Nach Heidelberg zu gehen und dort meinen Masterabschluss in Molekularbiologie zu machen, war wohl die beste Entscheidung meines Lebens. Nicht nur, dass ich vollends zufrieden mit dem Studieninhalt bin, ich hatte darüber hinaus auch die Möglichkeit, ganz in eine neue Kultur einzutauchen: Ich habe komplett bei null angefangen, und inzwischen kann ich mich problemlos in dieser schwierigen Sprache verständigen. Ich bin durch 14 europäische Länder gereist und habe dort überall beeindruckende Menschen getroffen. Dabei sind auch viele tiefe Freundschaften entstanden, und ich habe in dieser Zeit viel über mich selbst und darüber, was mir im Leben eigentlich wichtig ist, gelernt. Während der zwei Jahre in Deutschland hatte ich immer das positive Gefühl, mich weiterzuentwickeln. Dieses Gefühl verbinde ich mit dem Wechsel der Jahreszeiten, aber es ist auch noch viel mehr als das: Es geht darum, zu wachsen, Aufregung zu verspüren und in die richtige Richtung zu gehen. Diese Erfahrung möchte ich hier mit ein paar Worten und Bildern näher beschreiben.
Hochsommer in Heidelberg
Entgegen der gängigen Meinung ist es in Deutschland nicht immer nasskalt und grau. Von Juli bis September scheint hier viel die Sonne; man sieht gebräunte Haut, üppig mit Sommerblumen bepflanzte Töpfe und das Thermometer klettert oft bis auf 39 °C. Die Abende sind traumhaft, weil es sich nur so viel abkühlt, dass man herrlich mit einem Eis in der Hand über die alte Brücke schlendern und dabei den Geräuschen der Hang Drum spielenden Straßenmusiker lauschen kann.
HerbsTzeit - Erntezeit
Im Oktober zieht der Lernstoff an der Uni ordentlich an. Zeitgleich verwandelt sich die Sommerlandschaft in ein rot-gelb-braunes Farbspiel. In meiner studienfreien Zeit bin ich, wie hier üblich, gerne in den Wald gegangen, um Kastanien und Walnüsse zu sammeln, die es hier reichlich gibt und die, wenn man sie röstet, einfach köstlich schmecken. Auf den Märkten gibt es die faszinierendsten Kürbisvariationen, und in jedem Café stehen Kürbissuppe und Zwiebelkuchen auf der Karte.
Wenn der Schnee fällt
Wenn in Heidelberg Schnee fällt, verwandelt sich die Stadt wie von Zauberhand. Es liegt dann ein stiller Schleier über ihr, die Bäume tragen einen wunderbar weißen Mantel. Anders als bei uns geht es hier im Winter einfach ruhiger zu.
Weihnachtsplätzchen und Glühwein
Klar, auch in Deutschland geht es Weihnachten um Kommerz. Aber es gibt eben auch ein bisschen mehr Tradition, mehr Musik und Gesang, in der Küche werden Weihnachtsplätzchen gebacken und auf den Straßen sind keine Horden emsiger Weihnachtseinkäufer unterwegs, sondern man trifft sich gemütlich mit Freunden auf einen leckeren Glühwein.
Walpurgisnacht: Willkommen, Frühling
Am ersten Mai wird in Heidelberg auf ganz besondere Weise der Winter verabschiedet und der Frühling begrüßt: Offenbar die ganze Stadt ist dann auf den Beinen und marschiert auf einen Berg zu einem Amphitheater aus Stein. Hier werden Lagerfeuer angezündet, es erklingen Trommeln und alle versammeln sich ums Feuer, um zu tanzen, Tricks vorzuführen oder einfach nur ein Bier zu trinken und die Stimmung zu genießen.
Frühlingsboten
In Heidelberg kann man einen wunderbar reinen und unverdorbenen Frühling erleben. Zarte lilafarbene Wildblumen erblicken dann auf den Wiesen büschelweise das Licht der Erde. Blasse Blüten recken sich keck den noch nackten Ästen entgegen, und durch die kalte Luft zieht der süße Geruch nach Krokussen. Studierende legen mutig ihre oberste Klamottenschicht ab und genießen am Flussufer die ersten Sonnenstrahlen. Man muss allerdings aufpassen, denn ich habe erfahren müssen, dass das Sprichwort „Der April macht, was er will“ wahr ist. Jetzt weiß ich auch, warum viele Deutsche in dieser Zeit immer eine regenfeste Jacke anhaben. Diese Angewohnheit habe ich mir abgeschaut und für sehr praktisch befunden.