Hannah McIntyre aus Auckland hat zwischen High School und Uni als Freiwillige in Deutschland gearbeitet. Wir sprachen mit ihr darüber, was es genau mit dem Bundesfreiwilligendienst in Deutschland auf sich hat, wie es ist, sich in einer ganz neuen Umgebung zurechtzufinden und dabei Menschen aus allen Teilen der Welt kennenzulernen.
Als Freiwillige in Deutschland zu arbeiten ist nicht gerade die typische Auslandserfahrung. Was genau haben Sie dort gemacht?
Also, ich wollte nach der Schule schon immer ein Auslandsjahr absolvieren. Erst wollte ich nach Afrika gehen und dort in einem Waisenhaus oder einer Schule arbeiten. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das ziemlich schwierig zu organisieren ist, weil man dort viel Geld für Versicherung und Unterkunft zahlen muss.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits vier Jahre lang Deutsch gelernt und fand die vielfältige Kultur und Geschichte Deutschlands sehr beeindruckend. Dann habe ich bei einer mündlichen Prüfung im Goethe-Institut von der Arbeit des Bundesfreiwilligendiensts erfahren. Ich wollte dann mehr über dieses Angebot wissen, das offenbar Menschen aus aller Welt offenstand und sprach daraufhin meinen Deutschlehrer auf dieses Programm an. Es schien mir die perfekte Möglichkeit, reisen und gleichzeitig meine Sprachkenntnisse verbessern zu können.
Der Bundesfreiwilligendienst ist wirklich eine tolle Sache! Es gibt eine große Auswahl an Jobs für Freiwillige, außerdem bekommt man jede Menge Hilfe bei der Organisation: Man hat sich dort komplett um meine Kranken- und Reiseversicherung gekümmert und mir sogar Tipps gegeben, wie ich am besten eine VISA Karte beantrage.
Warum haben Sie sich für die Freiwilligenarbeit entschieden?
Ich fand es spannend, weil man hier nicht nur die Möglichkeit bekommt, zu reisen, sondern richtig in eine Kultur eintauchen und Teil der Gemeinschaft werden kann. Wenn man mit den Leuten um einen herum zusammen wohnt und arbeitet, lernt man viel mehr über seine Umgebung. Als Freiwillige in Deutschland habe ich nicht nur Essen und Unterkunft frei gehabt, sondern auch noch ein wenig Taschengeld für zusätzliche Ausgaben bekommen. Dadurch konnte ich viel länger in Deutschland bleiben als der durchschnittliche Rucksack-Tourist.
Wie lebte es sich denn so in Tennental?
Also, es ist wirklich ein winzig kleines Dorf mit einem riesigen dazugehörigen Bauernhof mitten auf dem Lande.
Als jemand, der aus einem anderen Land kommt, war es toll zu sehen, wie hier die schwäbische Kultur gelebt wird. Es gab immer traditionelles, für die Region typisches Essen direkt vom Hof, und auch die ganzen Feiertage und Feste habe ich immer mit dem ganzen Dorf zusammen gefeiert – das war ein Riesenspaß. Das Dorf liegt auch sehr malerisch zwischen Feldern und Hügeln, und der wirklich wunderschöne Schwarzwald war sozusagen um die Ecke.
Das Hauptproblem für mich war wohl die doch sehr isolierte Lage. Ich bin in Auckland aufgewachsen und es daher gewohnt, immer in die Stadt zu fahren, wenn ich will. Ans Leben in Tennental musste ich mich daher erst gewöhnen. Aber ich glaube, dass es überall Dinge gibt, mit denen man nicht so gut klar kommt. Man sollte sich also auf das konzentrieren, was der Ort zu bieten hat und das Beste daraus machen.
Wie gut haben Sie bei Ihrer Ankunft Deutsch gesprochen und wieviel haben Sie durch den Job gelernt?
Ich hatte in der High School schon lange Deutsch gehabt und damit eine solide Sprachbasis mitgebracht. Trotzdem war es am Anfang schon heftig, rund um die Uhr Deutsch sprechen zu müssen. Ich war anfangs noch etwas zurückhaltend, konnte aber zumindest fast alles verstehen, was andere sagten. Beim Arbeiten Deutsch zu sprechen, hat mir am meisten gebracht. Das ist einfach die effektivste Art, eine Sprache zu lernen, weil man hier wirklich in die Sprache eintauchen kann. Irgendwann habe ich sogar auf Deutsch gedacht und geträumt.
Bei der Arbeit in einem Heim mit Erwachsenen mit geistiger Behinderung habe ich außerdem viele kuriose Ausdrücke, Spitznamen und Wortspiele aufgeschnappt, die wohl in keinem Deutschbuch stehen. Bevor ich in Tennental anfing, hatte ich die Befürchtung, dass ich mich nicht ausreichend mit den Patienten verständigen würde können – einige hatten ja Sprachbehinderungen, die, so dachte ich, die ohnehin schwierige Sprachsituation noch verschlimmern würden. Die Sorge war jedoch unbegründet, die Menschen konnten sich sehr gut mitteilen, wenn sie etwas wollten oder brauchten.
Was hat Ihnen an Ihrem Auslandsjahr insgesamt am besten gefallen?
Ganz klar der Austausch mit den ganzen anderen Freiwilligen, die ich hier kennengelernt habe. Sie kamen aus den verschiedensten Winkeln der Welt nach Tennental und wurden so etwas wie meine Ersatzfamilie. Es war total faszinierend, mit Menschen der verschiedensten Nationalitäten zu reden, die alle jeweils einen ganz unterschiedlichen Hintergrund hatten. Das Ganze hat meinen Horizont wirklich erweitert, und es war toll, so viele Erlebnisse mit diesen Menschen zu teilen.
Wir waren alle sehr traurig, als es schließlich zurück in die Heimat ging. Wir sind aber alle noch miteinander in Kontakt und sehen uns hoffentlich eines Tages auch wieder.
Was würden Sie jemandem raten, der auch in Deutschland einen Freiwilligendienst absolvieren möchte?
Also, ich würde in jedem Fall unbedingt dazu raten, die Freiwilligenstelle wirklich sorgsam auszuwählen. Es gibt Hunderte von Organisationen in ganz Deutschland, da dürfte wirklich jeder etwas Passendes finden. Man sollte auch ruhig viele Fragen stellen, wenn man mehr über die Anbieterinstitution oder die genauen Inhalte der Arbeit wissen möchte. So weiß man von Anfang an, was genau auf einen zukommt.
Es ist auch unbedingt ratsam, dass man sich zumindest schon ein bisschen auf Deutsch verständigen kann. Viele Freiwillige, die ich kennengelernt habe, kamen praktisch ohne Sprachkenntnisse hierher, was den Alltag für sie deutlich erschwerte. Man sollte schon gewisse Grundkenntnisse mitbringen, sonst entgeht einem einfach zu viel.
Mir ist allerdings auch klar geworden, dass es eine Weile braucht, bis man sich an das Leben in einem anderen Land fernab der Heimat und an die neue Arbeitssituation gewöhnt hat. Man sollte sich Zeit nehmen und langsam auf die neue Umgebung einlassen und sich vor allem nicht entmutigen lassen, wenn man am Anfang großes Heimweh hat und sich einfach hundeelend fühlt. Ich brauchte einfach einige Zeit, bis ich mich an das Wesen der Deutschen gewöhnt hatte – sie sind einfach viel zurückhaltender als die Menschen in Neuseeland. Aber nachdem das Eis einmal gebrochen war, waren alle wirklich sehr nett zu mir und ich habe mich mit allen gut verstanden.
Sie sind inzwischen wieder in Neuseeland. Was steht nun als nächstes an?
Also, ich habe noch keine konkreten Pläne gemacht, wie es jetzt weitergehen soll. Aber ich bin ja nun schon eine ganze Weile wieder zuhause und konnte in Ruhe darüber nachdenken, was ich eigentlich aus meinem Leben machen möchte. Am Anfang war ich hin- und hergerissen zwischen Studium und einer weiteren Auslandserfahrung, aber jetzt bin ich doch ganz froh, nächstes Jahr wieder mit der Uni weiterzumachen.
Ich möchte Englisch und Professionelles Schreiben studieren und werde auch Deutsch im Nebenfach belegen. Es wäre toll, wenn ich später meine beiden Leidenschaften verbinden könnte und als Journalistin oder Übersetzerin arbeiten und herumreisen könnte. Es ist auf jeden Fall sehr spannend, dass jetzt ein neues Kapitel meines Lebens anfängt. Wo es dann genau hingehen wird, das lasse ich einfach alles auf mich zukommen.