Deutsch 3.0
„Es geht der deutschen Sprache sehr gut.“

Deutsche Sprache
© apops – Fotolia

Ein Jahr lang setzte sich die Debattenreihe Deutsch 3.0 des Goethe-Instituts in 40 Veranstaltungen mit der Zukunft der deutschen Sprache auseinander. Zu welchen Ergebnissen ist Deutsch 3.0 gekommen? Ein Gespräch mit dem Projektleiter Rolf C. Peter.

Herr Peter, das Projekt Deutsch 3.0 wollte mit Institutionen, die sich mit der deutschen Sprache beschäftigen, ins Gespräch kommen. Ziel war es, eine Debatte zur Zukunft der deutschen Sprache zu führen. Ergebnisse waren zunächst zweitrangig. Aber nach Abschluss des Projektjahrs im Dezember 2014 stellt sich doch die Frage: Wie ist es um die Zukunft der deutschen Sprache bestellt?

Es geht der deutschen Sprache sehr gut. Sie ist so weit entwickelt wie sie es bisher noch nie war! Sie verfügt über den größten Wortschatz in ihrer Geschichte, da brauchen wir uns überhaupt keine Sorgen zu machen. Auch die vielfach geführte Anglizismen-Debatte beinhaltet unbegründete Ängste: Das Deutsche wird nicht durch Anglizismen bedroht. Die Eingliederung von Lehnwörtern prägt unsere Sprache positiv, bereichert sie. Das interessanteste Ergebnis war für uns allerdings, dass das Thema Deutsch als Wissenschaftssprache viel akuter ist, als wir es bisher wahrgenommen hatten.

Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft

Eine filmische Zusammenfassung der Initiative Deutsch 3.0 (youtube.com)

Inwiefern?

Besonders im Bereich der Lehre stellt sich die Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir den Lehrbetrieb zunehmend auf Englisch umstellen? Als Folge davon wird es – langfristig gesehen – wissenschaftliche Begriffe nicht mehr auf Deutsch geben. In Leipzig setzt sich jetzt ein größeres Forschungsprojekt genau damit auseinander und stellt unter anderem die Frage: Welche Rolle hat die Sprache auf den Erkenntnisgewinn – beispielsweise in den Geisteswissenschaften? Denn jede Sprache erlaubt einen eigenen Zugang zum Forschungsgegenstand. Wir schaden uns selbst, wenn wir die Mehrsprachigkeit im Bereich der wissenschaftlichen Forschung aufgeben, und uns nur noch auf eine Sprache fokussieren. Dieses Argument durch Belege zu stärken, ist eines der Desiderate, das im Rahmen der Reihe Deutsch 3.0 sichtbar geworden ist. Wir müssen kritisch überprüfen, ob es diesen Erkenntnisgewinn durch Mehrsprachigkeit wirklich gibt und worin er besteht. Wenn es ihn gibt – und davon bin ich überzeugt – wie wollen wir dann damit umgehen, dass sich zunehmend Englisch als Wissenschaftssprache durchsetzt?

Aus Dialekten werden in Zukunft Regiolekte

Als eine Reihe, die in erster Linie eine Debatte entfachen sollte, hat Deutsch 3.0 auch handfeste Antworten hervorgebracht. Brennende Fragen wurden unter anderem in der so genannten Sprach-Sprech-Fragen-Box gesammelt, die deutschlandweit allen Interessierten offen stand. Was wollten die Menschen wissen?

Auffallend häufig kamen Fragen zur Zukunft der Dialekte. Im Laufe der Veranstaltungsreihe habe auch ich selbst erst gelernt, dass sich Dialekte tatsächlich verändern. Dialekte verschwinden nicht, sondern sie wandeln sich in größeren Räumen zu Regiolekten und passen sich an die Bedürfnisse ihrer Sprecher an.

Die SMS-Sprache ist ideal für das Medium

Deutsch 3.0: Best of Sprach-Sprech-Fragenbox (youtube.com)

Eine weitere Frage aus der „Sprach-Sprech-Fragen-Box“ war: Wie wird Deutsch in 50 Jahren klingen? Damit verbunden ist auch die Angst um das Hochdeutsche angesichts von Kiezsprache, SMS-Sprache oder „Vertwitterung“, also etwas stark verkürzt auszudrücken wie bei Twitter, wo ein Tweet maximal 140 Zeichen lang ist. Inwiefern verändern diese Phänomene eine Sprache?

Die sogenannte SMS-Sprache hat sich auf ideale Weise dem Medium angepasst, das ja nur eine begrenzte Zahl an Zeichen bietet. Sie hat sich als eine für dieses spezielle Medium geeignete Sprachform entwickelt. Ihre Anwender werden sich jedoch in anderen Kontexten einer anderen Sprache bedienen, sie würden beispielsweise nie in der SMS-Sprache ein Bewerbungsschreiben verfassen. Und solange das gewährleistet ist, ist es wunderbar, die jeweilige Sprache zu beherrschen, die ein spezielles Medium eben vorgibt. Vieles sind auch Mode-Erscheinungen. Nehmen Sie beispielsweise die Anglizismen-Debatte. Jetzt ist es eben modern, Englisch zu sprechen, während in früheren Zeiten das Französische großen Einfluss hatte. Die Sprache ist außerdem nicht das eigentliche Problem: Wenn man etwas für die Sprache tun will, dann muss man die Sprecher dafür sensibilisieren, dass wir eine wunderbare Sprache haben, und sie dafür begeistern, sich Ihrer auch zu bedienen.

Ein Jahr lang hat Deutsch 3.0 über die Zukunft der deutschen Sprache nachgedacht, diskutiert, spekuliert. Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt?

Wir wollten mit Deutsch 3.0 eine möglichst breite Debatte anstoßen. Und das ist uns erfreulicherweise auch gelungen. Was geschieht mit unserer Sprache und was können wir tun, um ihre Zukunft zu sichern? Wir wollten eine Art Sammlung aus ganz vielen Perspektiven, eine Beschreibung dessen, was wir als Gesellschaft beobachten. Nun werden wir im ersten Schritt alle Informationen und Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, zusammenstellen und publizieren. Und in einem weiteren Schritt wird man gemeinsam überlegen, welche Schlussfolgerungen man daraus ziehen muss, was man machen kann und soll. Was uns aber bereits jetzt damit gelungen ist, ist ein deutlich sichtbares Zeichen zu setzen, ein Signal auch an das Ausland und die vielen Deutschlerner dort. Wir kümmern uns um unsere Sprache, unserer Sprache geht es gut, es lohnt sich auch in Zukunft Deutsch zu lernen.