Sprechstunde – die Sprachkolumne
Die Top-5-Wörter, die überraschenderweise nach Personen benannt sind

Illustration: Ein Tablet-Computer auf dem eine Liste zu sehen ist
Listicles sind – manchmal sinnbefreite – Online-Artikel in Listenform, die eher auf Clickbait abzielen, als dass es wirklich um den Inhalt geht | Illustration: Tobias Schrank; © Goethe-Institut e. V.

Elias Hirschl spielt gerne mit dem Format „Listicles“. Da geht es oft um alles und nichts – oder um Begriffe, hinter denen eine Person steht. Wir lernen, was der Boykott mit einem irischen Grafen zu tun hat. Und Bluetooth mit einer österreichischen Filmdiva.

Von Elias Hirschl

In meinem letzten Roman Content geht es viel um das Genre Listicles. Das sind – manchmal sinnbefreite – Online-Artikel in Listenform, die eher auf Clickbait abzielen, als dass es wirklich um den Inhalt geht. Und weil ich seit Jahren selbst aus Spaß mehrere Listen ansammle, versuche ich mich hier auch einfach mal in einem Listicle. Heute kommt also eine kurze Auswahl einiger Dinge und Konzepte, die nach Personen benannt sind – was man erstmal gar nicht gedacht hätte.

1. Schrebergarten

Ach, Schrebergärten: Da denken wir an den kleinkarierten Spießer aus der Stadt, der sich nach einem bisschen Natur sehnt, aber bloß nicht zu viel davon. Ein bisschen Erholung von der langweiligen Büroarbeit im langweiligen Kleingarten. Dabei weiß sicher kaum jemand, dass der Schrebergarten seinen Namen von Moritz Schreber hat. Der war Arzt und Pädagoge, lebte von 1808 bis 1861 und sah das größte Problem für die Gesundheit junger Männer darin, dass sie zu viel masturbierten. Dagegen empfahl er zum Beispiel Einläufe mit Eiswasser. Auch entwarf er mehrere mechanische Apparaturen, die Kinder mit Riemen und Metallgestellen in eine „gesunde“ Haltung zwingen sollten und fand Prügelstrafen bereits für Säuglinge angebracht. Uff.

2. Guillotine

1789 schlug der französische Arzt Joseph-Ignace Guillotin vor, zur Vollstreckung der Todesstrafe doch lieber ein Fallbeil zu nutzen. Dieses galt dann als Verbesserung im Hinrichtungswesen Frankreichs, wo zu Tode Verurteilte bisher meist mal mehr mal weniger erfolgreich mit dem Schwert enthauptet worden waren. Allerdings hatte Guillotin das nach ihm benannte Enthauptungsgerät im Grunde gar nicht erfunden, und er hatte auch keiner einzigen Enthauptung beigewohnt. Angeblich litt er sehr unter der Zweckentfremdung seines Nachnamens – und nicht nur er: Seine Kinder und Kindeskinder ließen später ihren Nachnamen ändern. Das Gerät funktionierte über Jahrhunderte jedoch so effektiv, dass es 1996 noch einen Versuch im US-Bundesstaat Georgia gab, den elektrischen Stuhl durch das Fallbeil zu ersetzen.

3. Boykott

Nur wenige Menschen hatten so einen großen Einfluss auf die Sprachgeschichte, dass ihr Name sich zu einem weit verbreiteten Verb wandelte. Die Begriffe Boykott und boykottieren geht auf Charles Cunningham Boycott zurück, der nach verschiedensten Berichten wohl einer der unangenehmsten Grundstücksverwalter der Geschichte gewesen sein musste. Im Namen des Earl of Erne verwaltete er die irische Grafschaft Mayo auf der Insel Achill. Dabei ging er anscheinend so unmenschlich gegen die dortigen Pächter vor, dass sich alle Bauern weigerten, ihn zu bezahlen oder mit ihm zusammenzuarbeiten. Schließlich musste er Irland verlassen – und das Wort „boykottieren“ ging in die Geschichte ein. Extra Funfact: Im deutschsprachigen Raum sprach man zuvor von „Verhansung“, wenn der Kaufleuteverbund namens Hanse beschloss, nicht mehr mit widerspenstigen Städten oder Betrieben zusammenarbeiten zu wollen.  

4. Schwarzschildradius

Dieses Wort beschreibt den Radius des Ereignishorizontes eines schwarzen Loches. Er definiert also eine Art Grenze im Einflussgebiet der Gravitationskräfte. Man könnte sagen, er ist der Radius des Schildes eines schwarzen Loches. Das wäre schon Grund genug, von einem Schwarzschildradius zu sprechen. Doch hinzu kommt, dass der Erfinder dieses Phänomens natürlich per Zufall Karl Schwarzschild hieß.

5. Bluetooth

Bei diesem Punkt habe ich ein bisschen geschummelt, weil das Wort nicht nach der Erfinderin benannt ist. Aber es wäre einfach komplett verschenkt, wenn ich hier nicht erzählen würde, dass die österreichische Filmschauspielerin Hedy Lamarr in den 1930er- und 1940er-Jahren nicht nur ein Hollywood-Star wurde, sondern auch eine Funksteuerung für Torpedos entwickelte, die den Grundstein für die Bluetooth-Technologie legte. Bluetooth wiederum wurde nach dem dänischen König Harald Blauzahn benannt, was ehrlich gesagt relativ egal ist. Das Traurigste an der ganzen Sache ist, dass heute anstatt einer spannenden Erfindung lediglich eine Bauruine auf der Wiener Mariahilfer Straße den Namen von Hedy Lamarr trägt.

Größenwahnsinnige Männer

Wenn man eines bei der Recherche rund um diese Eponyme – also nach Personen benannte Dinge und Konzepte – merkt, dann ist das die Tatsache, dass fast sämtliche von ihnen nach Männern benannt sind. Dass jeder x-beliebige englische Earl at some point unbedingt einen Tee, Braten oder Sandwich – oder gleich das ganze Konzept Sandwich – nach sich benennen wollte. Dieser absolute Größenwahn, Fleisch zwischen zwei Brotscheiben zu klemmen und sich zu denken: Auf die Idee ist sicher noch niemand gekommen, ich muss das nach mir benennen! Um diesen historischen Kater auszukurieren, trinke ich lieber erst mal eine Bloody Mary, benannt entweder nach Mary Brown Warburton oder Königin Maria Tudor.
 

Sprechstunde – Die Sprachkolumne

In unserer Kolumne „Sprechstunde“ widmen wir uns alle zwei Wochen der Sprache – als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen. Wie entwickelt sich Sprache, welche Haltung haben Autor*innen zu „ihrer“ Sprache, wie prägt Sprache eine Gesellschaft? – Wechselnde Kolumnist*innen, Menschen mit beruflichem oder anderweitigem Bezug zur Sprache, verfolgen jeweils für sechs aufeinanderfolgende Ausgaben ihr persönliches Thema.

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