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Kunstschaffende aus Leipzig denken den Proletkult neu

Raum fuer Kunst Kunstraum aus Leipzig D21
Foto: Legitimate Rehearsals, Katharina Zimmerhakl © Paula Gehrmann

Steine von der Christi-Erlöser-Kathedrale, ein künstlerischer Gesetzesentwurf für die Staatsduma und eine Trainings-Oper: in Moskau wird „Raum für Kunst“ gezeigt – ein gemeinsames Projekt des Goethe-Instituts und des MMOMA.

Am Mittwoch, dem 16. Mai wurde im Bildungszentrum des Moskauer Museums für Moderne Kunst (ММOМА) ein gemeinsames Projekt des Museums und des Goethe-Instituts Moskau mit dem Namen „Raum für Kunst“ eröffnet. Es erzählt von nicht-kommerziellen Kunsträumen, die nach dem Prinzip der Selbstorganisation in verschiedenen Regionen Deutschlands eingerichtet wurden.

Der erste Teil der Ausstellung – der Kunstraum „Simultanhalle“ aus Köln – war bereits im Winter im MMOMA gezeigt worden. Aktuell werden Besucher dazu eingeladen, die Galerie D21 aus Leipzig kennenzulernen. Die Ausstellung trägt den Titel „Based on these new dependencies, we define five normal forms“.

Was ist D21?

Der D21 Kunstraum Leipzig ist ein nichtkommerzieller experimenteller Raum, der 2006 in Leipzig eröffnet wurde. Seine Begründer legen jedes Jahr ein Grundthema fest und organisieren fünf Ausstellungen mit Moderner Kunst. Sie untersuchen neue künstlerische Möglichkeiten von Fotografie, Video, Installation, Performance und New Media. An der ehrenamtlichen Arbeit im D21 können sich nicht nur Kunstschaffende, sondern auch Studierende, WissenschaftlerInnen sowie VetreterInnen anderer kultureller Ausrichtungen beteiligen.

„Das ist einer der wenigen selbstorganisierten Räume in Deutschland, die schon wirklich lange existieren. Für uns war es interessant, wie es dem Team gelingt, sich immer wieder neu zu erfinden, dabei aber die grundsätzliche Ausrichtung zu erhalten“, erklärt Astrid Wege, Leiterin der Kulturprogramme am Goethe-Institut Moskau, ihre Auswahl eben jenes Studios.

An der unlängst eröffneten Ausstellung mit dem Titel „Based on these new dependencies, we define five normal forms“ sind mehr als zwanzig Kunstschaffende aus verschiedenen Ländern beteiligt. Die Projektleiterin des МMОМА, Anna Schurba, betont, dass das Moskauer Experiment von D21 nicht nur für professionelle Kunstschaffende interessant ist. „Einzelausstellungen rufen, insbesondere bei unseren BesucherInnen, gemischte Gefühle hervor. Doch wir würden gerne erreichen, dass man sich in Moskau an sie gewöhnt, sie besucht und wahrnimmt“, erklärt Anna Schurba.
Dialog über die Natur der Interaktion

Vor der Eröffnung der Ausstellung hatte D21-Kuratorin Lena Brüggemann ausgiebigen Kontakt mit den Moskauer KünstlerInnen und KuratorInnen. Nach ihrer Darstellung berichteten sie alle über Schwierigkeiten der Arbeit in der Gruppe. „Die Idee der Selbstorganisation betrifft in erster Linie gesellschaftliche Beziehungen, die gerade bedroht sind“, meint sie.

Zum Kontext

Um einen Dialog über Interaktion in den Moskauer Kontext einzubetten, wandten sich die KuratorInnen der Ausstellung den Ideen des Proletkults und der „Arbeiterclubs“ zu – Organisationen, die in der UdSSR von 1917 bis 1932 bestanden hatten. Hierdurch ist auch die Struktur der Ausstellung äußerst flexibel – sie besteht nicht nur aus der Ausstellung selbst, sondern auch einer Bibliothek, einem Begegnungsraum und Trainingsprojekten. Um eine Kontinuität der beiden Kunsträume herzustellen, wurden einige Arbeiten aus der MMOMA-Sammlung in die D21-Ausstellung eingebettet – beispielsweise eine Fotografie von Alexander Rodtschenkos „Arbeiterclub“ in Paris.

Dabei haben sich die Kunstschaffenden hinsichtlich der Natur der zu untersuchenden Interaktion keinerlei Beschränkungen auferlegt. So stellt Künstlerin Anne Krönker aus dem deutschen Osnabrück auf der Ausstellung Installationen mit dem Titel „swam, we know“ vor, die gleich zwei Themen miteinander vereinen: die Interaktion historischer Kontexte und künstlerischer Materialien. Als Grundlage diente ihr die Geschichte, wie sich die Streitkräfte Napoleons 1812 zum Rückzug aus Moskau gezwungen sahen. Ein Teil von ihnen ging nach Osnabrück und gründete dort 1813 das „Kaffeehaus Moskau“. Und 1925 wurde am Standort dieses Kaffeehauses das erste städtische Schwimmbad mit dem Namen „In Moskau“ eröffnet. Dies bewegte die Künstlerin dazu, Parallelen zum Abriss der Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau und dem Bau eines Schwimmbads an ihrem Standort zu ziehen. Für zwei ihrer Installationen verwendete sie Baumaterialien, die sie im Schwimmbad in Osnabrück gefunden hatte, Steine aus der Umgebung der Moskauer Kathedrale und eine Tafel aus dem Kunstraum D21, die sie an ein Schwimmbad erinnerte. „Es gibt in Moskau gerade so viele Baustellen, dass ich denke, noch weiteres Material für mehrere Ausstellungen finden zu können“, so die Künstlerin.
Die Installation der Künstlerin Anne Krönker mit Steinen, die vor der Christi-Erlöser-Kathedrale gesammelt wurden
Die Installation der Künstlerin Anne Krönker mit Steinen, die vor der Christi-Erlöser-Kathedrale gesammelt wurden | .

 

EINE TRAININGS-OPER UND ANDERE MULTIMEDIA-PROJEKTE

Da es der Galerie D21 wichtig ist, gesellschaftliche Fragen aufzuwerfen, wird auf der Ausstellung auch eine Reflektion des Lebens von KünstlerInnen und ihres Publikums in Russland zu sehen sein. Die Arbeiten werden teilweise durch die Suche nach Antworten auf die Frage „Wie existieren wir in Räumen, in denen wir nicht mehr leben können?“ miteinander verbunden.
 
Ein Verständnis von „Unauffindbarkeit“ kann man beim Besuch der Trainings-Oper von Kirill Sawtschenkow aus der Rodtschenko School of Art entwickeln. An der stündlichen Experiment-Performance kann jeder teilnehmen. Es braucht keine spezielle Vorbereitung, und der Einstieg ist in jeder Teiletappe möglich.
 Ein Fragment aus der Installation der Agency of Singular Investigations
Ein Fragment aus der Installation der Agency of Singular Investigations | .
In der Multimedia-Installation der Agency of Singular Investigations (ASI), die sich mit der Natur staatlicher Integrität beschäftigt, kann man wiederum dem Text eines Gesetzesentwurfs für die Staatsduma lauschen. Dort schlagen die KünstlerInnen unter anderem vor, die Russische Föderation mit einem modernen Kunstobjekt gleichzusetzen. „Dann nämlich kann man das Land auf Ausstellungen präsentieren. Und was bleibt von dem, was dort vorgeht, zurück?“, kommentiert der Künstler Stanislaw Schurip seine Arbeit gegenüber DW.

Die Ausstellung wird drei Monate lang zu sehen sein. Hiernach wird der Raum von den Kunstschaffenden des Berliner Kunstraums District Berlin übernommen.

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