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Dossier Deutsch unterrichten
Landeskunde und kulturbezogenes Lernen im DaF-Unterricht

Wer in der Schule, an der Hochschule, in einem Kurs oder an der Universität eine Fremdsprache lernt, nimmt dabei gleichzeitig eine große Menge Informationen zu länderspezifischen und kulturellen Aspekten auf: Informationen über die Sprache selbst, über die Menschen, die sie sprechen, über die Länder, wo sie gesprochen wird, und über die dortige Kultur. Diese Informationen sind teilweise bereits in der Sprache enthalten und werden durch sie vermittelt. Sie stecken in ihren spezifischen grammatikalischen Konstruktionen, der Art der Wortbildung und in der Etymologie der Wörter, aber auch in den Wortinhalten, durch die wir etwas über das Land und seine Bewohner*innen erfahren. Im Falle der deutschen Sprache sprechen wir vor allem über Deutschland, Österreich und die Schweiz – drei Länder, die durch ihre Grenzen, viele historische Ereignisse und eine gemeinsame offizielle Sprache miteinander verbunden sind. Im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht beschäftigen wir uns mit der Geschichte und Geografie, der politischen und wirtschaftlichen Struktur dieser Länder, mit ihren Sehenswürdigkeiten, den dortigen religiösen und weltlichen Traditionen, aber auch mit den Eigenheiten ihrer Bewohner*innen und vielen anderen kleinen und großen soziokulturellen Aspekten, die den Schülerinnen und Schülern ein vollständiges Bild von der Zielkultur vermitteln und zur Verständigung mit den Muttersprachler*innen beitragen sollen.

All diese Aspekte bezeichnen wir gewöhnlich als Landeskunde. Manche von uns lesen mit ihren Schülerinnen und Schülern Texte zu diesen Themen und lassen sie diese Texte nacherzählen, manche vergleichen ihr eigenes Land anhand bestimmter Kriterien beispielsweise mit Deutschland, manche lassen die Schüler*innen fertige Sätze auswendig lernen, die sie dann z.B. beim Einkaufen parat haben. Viele von uns haben zu ihrer Zeit auf diese Weise einen solchen Landeskundeunterricht erhalten, und auf dieselbe Weise geben wir solches Wissen in unseren Bildungseinrichtungen an unsere Schüler*innen weiter. Doch die pädagogisch-didaktische Wissenschaft steht nicht still, und auch beim Unterrichten von landeskundlich-kulturellen Inhalten gibt es Neuerungen.

Etappen der Entwicklung der Methodik des Landeskundeunterrichts

Die Diskussion darüber, wie Landeskunde unterrichtet werden soll und welche Ziele eine Lehrkraft ihren Schülerinnen und Schülern vorgeben sollte, wird seit langem geführt. Der früheste Ansatz zur Vermittlung soziokultureller Aspekte beim Fremdsprachenlernen bestand in einer kognitiven oder faktischen Landeskunde. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Studium von Daten und Fakten, in unserem Fall über Deutschland, Österreich und die Schweiz. Im Zentrum der Betrachtung standen Dinge wie die Geschichte dieser Länder, ihre politische und wirtschaftliche Struktur, große Persönlichkeiten, Wahrzeichen, Architektur und Literatur. Bei dieser Form der Landeskunde werden Informationen vorwiegend in Form von Texten, Statistiken und Schaubildern präsentiert, und zu deren Verarbeitung werden Methoden wie das Nacherzählen von Texten, das Erstellen von Berichten und Präsentationen oder die Beschreibung von Diagrammen und Statistiken eingesetzt.

In den 1970-er Jahren kam im Fremdsprachenunterricht der kommunikative Ansatz und mit ihm die kommunikative Landeskunde auf. Bei diesem Ansatz ist das Hauptziel für Schüler*innen und Lehrkräfte die angemessene Anwendung der Sprache in Alltagssituationen. Solche typischen, thematisch gegliederten Alltagssituationen sind z.B.: Wie fragt man auf der Straße nach dem Weg? Wie bezahlt man in einem Geschäft? Wie bestellt man in einem Café? Was bedeuten wichtige Verkehrszeichen? oder Wie macht man am Arbeitsplatz Bekanntschaften?. Mögliche Fragen und Antworten für die oben genannten und ähnliche Situationen werden eingeübt und in simulierten Dialogen und Rollenspielen trainiert. Länderspezifische Informationen werden in dem Maße dosiert, wie sie für die Lösung der jeweiligen kommunikativen Aufgabe notwendig sind.

In den 1980er Jahren kam ein weiterer Ansatz auf, der als interkulturell bezeichnet wurde. Wie der Name schon sagt, liegt bei diesem Ansatz das Hauptaugenmerk darauf, Merkmale einer anderen, fremden Kultur zu erkennen und sie mit der eigenen zu vergleichen. Zentrales Anliegen bei dieser Art der Analyse des eigenen und des fremden Landes, verschiedener nationaler Mentalitäten, Gewohnheiten und Traditionen ist es, den Lernenden die Vielfalt möglicher Ansichten zu bestimmten Aspekten des Lebens bewusst zu machen, ihnen ein tieferes Verständnis für sich selbst und das Leben von Menschen aus anderen Ländern zu vermitteln und sie dazu zu bringen, solche Unterschiede zu akzeptieren und damit umzugehen. Ein klassisches Beispiel wäre die sprichwörtliche deutsche Pünktlichkeit. Wenn beispielsweise ein Mexikaner Deutsch lernt, so wird es für ihn wahrscheinlich eine Offenbarung sein zu erfahren, dass in Deutschland eine Verabredung wirklich zur angegebenen Zeit stattfinden sollte und nicht eine halbe Stunde später. Er wird dies vor Ort berücksichtigen müssen, wenn er z.B. zu einer Informationsveranstaltung für Studierende geht, da er sonst Gefahr läuft, wichtige Informationen zu verpassen. Um solche nationalen Besonderheiten besser zu verstehen, sieht der interkulturelle Ansatz den Einsatz von Videos, Bildern, Fotos, Interviews und Texten vor, die sorgfältig analysiert werden.

All diese Ansätze gibt es nach wie vor, und jeder von ihnen ist in bestimmten Situationen durchaus brauchbar, wenn die Lehrkraft sich genau des übergeordneten Ziels bewusst ist: Das Studium soziokultureller Aspekte soll das gegenseitige Verständnis zwischen Fremdsprachenlerner*innen und Muttersprachler*innen fördern und die Lernenden auf verschiedene Kommunikationssituationen vorbereiten, um eine Fehlkommunikation, Missverständnisse und peinliche Situationen zu vermeiden. Zudem muss man sich bewusst machen, dass jeder der genannten Ansätze seine Grenzen hat: Wie viel Wissen über historische Fakten und Daten braucht es wirklich, um ein Gespräch mit einem bzw. einer neuen Bekannten aufrechtzuerhalten? In welchem Maße ist es möglich, verschiedenste Situationen, in die ein*e Schüler*in auf seinem bzw. ihrem Lebensweg geraten kann, vorherzusehen? Verallgemeinern wir das Bild nicht allzu sehr, wenn wir über nationale Besonderheiten sprechen – gibt es z.B. wirklich keine*n Deutsche*n, der bzw. die zu einem Treffen zu spät kommt?

Didaktiker*innen sind also weiterhin auf der Suche nach neuen Ansätzen für den landeskundlichen Unterricht. Dies hat in neuester Zeit zur Entwicklung eines Trends geführt, den man als kulturwissenschaftlichen Ansatz bezeichnen kann. Dieser beinhaltet eine diskursive und kulturbezogene Landeskundedidaktik, wobei der Schwerpunkt allerdings nicht mehr auf Daten und historischen Fakten oder auf der Herausarbeitung nationaler Besonderheiten liegt. Im Zentrum steht vielmehr die Frage, wie jede*r von uns die Welt um sich herum interpretiert, welche Bedeutung wir bestimmten Ereignissen und Phänomenen beimessen und wie dieser Interpretationsprozess abläuft. Indem die Schüler*innen die Möglichkeit erhalten, sich an einem Diskurs in der Fremdsprache zu beteiligen, können sie einen gegebenen Sachverhalt kritisch reflektieren, Meinungen austauschen und ihre eigenen Interpretationen analysieren und hinterfragen.

Im sprachlichen Diskurs miteinander entwickeln die Schüler*innen Deutungsmuster und lernen diese durch Sprache ausdrücken und austauschen. Sie entwickeln die Bereitschaft, die Interpretationen anderer zu verstehen und ihre Vielfalt zu akzeptieren. Jeder Mensch sieht die Welt auf andere Art und Weise. Wir interpretieren das, was wir sehen, durch die Brille des Wissens, das wir bereits erworben haben. Wir Menschen sind es, die diesen oder jenen Objekten, Ereignissen und Phänomenen eine Bedeutung geben. Und das bedeutet, dass diese Bedeutung unterschiedlich sein kann. Herauszufinden, wie der Gesprächspartner die Welt sieht, und ihm bzw. ihr zu erklären, wie ich selber sie sehe, sich gegenseitig zu verstehen und sich trotz einer vielleicht unterschiedlichen Sicht der Dinge zu einigen – das ist das Entscheidende. Dies zu vermitteln, ist die Hauptaufgabe einer Lehrkraft, die sich von einem kulturellen Ansatz leiten lässt.

Materialien für den Unterricht

Für einen zeitgemäßen kulturbezogenen Unterricht benötigen Lehrer*innen Materialien, die auf aktuellen Informationen basieren und auf den neuesten pädadogisch-didaktischen Erkenntnissen fußen. Das Goethe-Institut verfolgt aufmerksam aktuelle Bildungstrends und die Weiterentwicklung des wissenschaftlichen pädagogischen Denkens und speist moderne Ansätze in die Entwicklung seiner Projekte ein. Die im Folgenden vorgestellten Projekte berücksichtigen solche aktuellen Entwicklungen und Trends.
  • Das Projekt Deutschland. Kennen. Lernen bietet ein Poster, eine App sowie Übungsblätter und Handreichungen für Lehrkräfte. Das Materialpaket lässt sich sowohl im Selbststudium als auch im Unterricht verwenden. Die App ist mit oder ohne Poster einsetzbar. Die Schüler*innen können die App als interaktives Lernspiel nutzen, oder aber die Lehrkraft nimmt das Poster hinzu und taucht mit den Lernenden in eine Augmented Reality (AR) ein. Für die Lernenden gilt: Erfahre, wie junge Menschen in Deutschland leben, was die beliebtesten Filme und Fernsehsendungen sind, wie der deutsche Arbeitsmarkt oder das Schulsystem funktioniert. Um loszulegen, braucht man nur die kostenlose App auf dem Smartphone oder Tablet zu installieren und die gewünschte Sprache auszuwählen. Das Poster muss nicht unbedingt ausgedruckt werden, sondern lässt sich auch als Datei auf einem interaktiven Whiteboard oder einem Computer öffnen. Und mit der „posterlosen“ Version kann man die App jederzeit und überall auch ohne Poster nutzen. In der App findet man Texte, Videos, Fotos und interessante Aufgaben. Für Deutschlehrer*innen stellt das Goethe-Institut zusätzliche Materialien wie Arbeitsblätter, Lösungsschlüssel, Handreichungen für den Einsatz im Fernunterricht oder QR-Codes mit Links zu weiteren Videos und Musikaufnahmen bereit.
  • Das Deutschlandlabor ist eine Serie von 20 fünfminütigen Videos, in denen die Moderatoren Nina und David gängigen Klischees über die Deutschen auf den Grund gehen und ein vielfältigeres Bild der deutschen Gesellschaft zeichnen. Sie reisen durch Deutschland und erfahren dabei überraschende Dinge von Menschen auf der Straße und von Experten, bekommen manchmal unerwartete Antworten und gehen den Dingen auf den Grund – und das alles mit Humor, Dynamik und Leichtigkeit. Die Videos eignen sich für den Einsatz im Unterricht mit Schülerinnen und Schülern, die bereits das A2-Niveau in Deutsch erreicht haben. Auf der Website „Das Deutschlandlabor“ finden sich unter jedem Video Links zu Online-Übungen, Arbeitsblättern, Handreichungen, Transkripten und Wortschatzlisten.
  • Das Magazin Vitamin de, das sich speziell an Deutschlerner*innen, richtet, erscheint als gedruckte Ausgabe viermal im Jahr und kann als solche abonniert werden. Alle Artikel sind mit einer Liste von Wörtern mit deutscher Bedeutungsangabe, einem Hinweis auf das für das Leseverständnis optimale Sprachniveau sowie mit Aufgaben versehen. Auf der Website des Magazins kann man zusätzliche Materialien wie Audiodateien und Arbeitsblätter abrufen.
  • PASCH-net ist die Website der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft”, kurz PASCH, die rund 2.000 Schulen in der ganzen Welt mit besonderem Schwerpunkt auf Verbindungen zu Deutschland umfasst. Obwohl die Website sich in erster Linie an Lehrende und Lernende von PASCH-Schulen richtet, steht sie auch anderen Interessierten offen. Die Sammlung von Unterrichtsmaterialien wird ständig erweitert und bietet Lehrkräften nützliche Hilfe bei ihrer Unterrichtsvorbereitung. Das Lernmaterial lässt sich nach Niveaustufen und Themen filtern. Lehrkräfte finden hier nicht nur Videos, Texte und Audiodateien, die von Deutschland handeln und von Deutschen produziert worden sind, sondern auch Materialien aus anderen Ländern. Vieles davon ist in der ersten Person von Kindern und Jugendlichen verfasst, mit denen sich Ihre Schüler*innen identifizieren können. Es wird sie sicherlich interessieren, was Gleichaltrige zu erzählen haben!
  • Step into German ist ein Portal, das von Kolleginnen und Kollegen des Goethe-Instituts San Francisco entwickelt wurde. Es wird seit 2015 mit Inhalten gefüllt. Das Portal bringt seinen Userinnen und Usern deutsche Musik und Filme, Fußball in Deutschland, nachhaltige Entwicklung und viele andere deutschlandbezogene Themen nahe. Zu den verfügbaren Inhalten gehören Podcasts, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, eine Übersicht über die aktuellen Musikcharts und Informationen zur laufenden Bundesliga-Saison, Porträts deutscher Städte und eine Geschichte der 40 wichtigsten Erfindungen aus Deutschland. Die Materialien von „Step into German“ sind weltweit verfügbar und können frei im Unterricht eingesetzt werden, insbesondere in Gruppen mit einem Sprachniveau von A2 oder höher. Arbeitsblätter zu jedem Thema ergänzen das Angebot.
  • Kalender des Goethe-Instituts – jeder Kalender ist einem Thema gewidmet und gefüllt mit wertvollen und aktuellen Materialien, die im Unterricht eingesetzt werden können. Die Fotos und Texte auf den Monatsblättern sind nicht alles: Auf der Website mit den Kalendern stehen zudem Zusatzmaterialien, Aufgaben und methodische Empfehlungen zum Download bereit. Die Jahresthemen reichen von Nachhaltigkeit und Öko-Lifestyle über Sport und Berufe bis hin zu deutschen Festen und Freizeitgestaltung. Zu letzterem Thema empfehlen wir Ihnen auch einen Besuch auf der Website der Zentrale des Goethe-Instituts. Dort finden Sie eine ganze Sammlung von Unterrichtsentwürfen und -material zu Einzelaspekten des Themas „Freizeit“, etwa zu Extremsportarten oder zur Kunst des Chillens, d.h. des Entspannens und Nichtstuns.
 

autorin

Diana Morinowa
Expertin für Projekte im Bildungsbereich

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