Vier Jahrzehnte lang gab es zwei deutsche Staaten. Mit der Wiedervereinigung 1990 war das geteilte Deutschland Geschichte. Neun von zehn Deutschen sagen heute: Die Wiedervereinigung ist gut gelungen. Was bedeutet das Thema für Jugendliche heute? Welche Rolle spielt es in ihrem Alltag und in ihren Familien? Zwei Jugendliche aus Berlin berichten.
Informationen zur Geschichte
Mehr als 28 Jahre trennte die Berliner Mauer Westberlin vom Ostteil der Stadt und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Errichtet wurde die Mauer von der DDR-Führung. Sie wollte damit verhindern, dass Menschen aus der DDR ihr Land Richtung Westen verlassen. Auch die restliche Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der DDR wurde mit Hilfe von Zäunen geschlossen und von Soldaten bewacht. Auf Menschen, die trotzdem versuchten zu fliehen, wurde geschossen.
Der Fall der Mauer am 9. November 1989 besiegelte das Ende der DDR und machte die Wiedervereinigung Deutschlands möglich. Seit dem 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereinigt, der 3. Oktober ist seitdem Nationalfeiertag.
Lasse aus Berlin, 15 Jahre, 10. Klasse
Wann sprecht ihr in eurer Familie über die Wiedervereinigung oder über das Leben damals im geteilten Deutschland?
Wir sprechen oft darüber, es geht dann aber vor allem um Dinge aus der Schule. Ich bin jetzt in der zehnten Klasse und da ist es ein wichtiges Thema in Geschichte und in meinem Zusatzkurs Politik. Das Thema kommt auch immer vor, wenn wir meine Oma besuchen. Sie wohnt in Hessen an der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West. Meine Mutter ist dort aufgewachsen. Sie hat mir zum Beispiel erzählt, dass sie früher nicht zu nahe an den Grenzzaun gehen durfte.
Ist es für dich noch wichtig, ob jemand aus dem Osten oder aus dem Westen kommt?
Was gibt es noch für Geschichten aus dieser Zeit in eurer Familie?
Mein Vater hat mir erzählt, dass er als Jugendlicher eine Klassenfahrt nach West-Berlin gemacht hat. Einen Tag waren sie auch in Ost-Berlin. Für diesen Tag mussten sie Geld umtauschen. Das Essen war in Ost-Berlin aber so billig, dass sie gar nicht viel Geld ausgeben konnten. Dann haben sie viele Bücher und Schallplatten gekauft, weil die in West-Berlin viel teurer waren. Meine Eltern haben auch viele Freunde, die in der DDR aufgewachsen sind. Wenn sie bei uns zu Besuch sind, dann erzählen sie oft von früher. Die meisten Geschichten kenne ich von ihnen.
Es spielt bei uns nicht wirklich eine Rolle. Wir reden nicht über das Thema und meine Eltern erzählen auch keine Geschichten über diese Zeit, einfach, weil es für sie nicht so schlimm war. Meine Eltern kommen beide aus der freien Hälfte von Deutschland, aus dem Westen. Ich verbinde das Thema auch mehr mit meinen Großeltern. Bei ihnen spielt diese Zeit mehr eine Rolle. Meine eine Oma war aus der DDR. Sie ist damals geflüchtet. Ich habe sie aber nie kennengelernt. Sie ist gestorben, als ich noch klein war. Deshalb weiß ich nichts davon. Es ist komisch: Die Wiedervereinigung ist gar nicht so lange her, aber es ist nicht mehr aktuell – zumindest bei uns in der Familie nicht.
die Wiedervereinigung: Am 3. Oktober 1990 hat sich die Deutsche Demokratische Republik (DDR) der Bundesrepublik Deutschland (BRD) angeschlossen.
das geteilte Deutschland: Es gab zwei deutsche Staaten: die DDR und die BRD.
gelingen: etwas hat den gewünschten Erfolg; funktionieren; glücken
eine Rolle spielen: wichtig sein
vorkommen: da sein; passieren
der Grenzzaun, die Grenzzäune: eine Wand aus Metall entlang der Grenze zwischen der DDR und der BRD
die Klassenfahrt, die Klassenfahrten: eine Reise mit der Schulklasse
Geld umtauschen: eine Währung in eine andere wechseln, zum Beispiel: Euro in Dollar umtauschen.
die Schallplatte, die Schallplatten: eine schwarze Scheibe aus Plastik mit Musik
verhaften: Wenn eine Person etwas gegen das Gesetz tut, nimmt die Polizei sie fest. Sie kommt vor ein Gericht.
das Gefängnis, die Gefängnisse: Hier sind die verhafteten Personen. Sie dürfen das Gebäude nicht mehr verlassen, manche viele Jahre nicht.
die Hälfte, die Hälften: einer der zwei gleich großen Teile eines Ganzen
flüchten: Das eigene Land verlassen und in ein anderes gehen, weil es in der Heimat zu gefährlich ist.
zumindest: auf jeden Fall
eine enge Verbindung zu etwas haben: eine besondere Beziehung haben
die Kapelle, die Kapellen: eine kleine Kirche
die Versöhnung, die Versöhnungen: nach einem Streit oder Krieg wieder in Frieden zusammenleben
der Mauerstreifen, die Mauerstreifen: eine Strecke von rund 40 Kilometern mitten durch die Stadt Berlin, wo früher die Mauer war
Dieser gekürzte Text der Berliner Journalistin Katja Hanke wurde zuerst auf der Website der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) veröffentlicht.